Produktdetails
- Verlag: Verlag der Buchhandlung König
- Englisch
- Abmessung: 245mm
- Gewicht: 555g
- ISBN-13: 9783865600288
- Artikelnr.: 20818379
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.02.2006Die Lust, Amok zu laufen, es aber nicht zu tun
Mit seiner naiven Bildsprache und dem Spiel mit politisch Unkorrektem ist der englische Künstler David Shrigley gerade groß in Mode
Der "Guardian" nennt ihn einen der "aufregendsten Künstler Englands", er hatte große Einzelausstellungen in Zürich, London oder Los Angeles, selbst kleinere seiner Werke werden inzwischen für Tausende Euro verkauft - aber zu beschreiben, was genau die Kunst von David Shrigley ausmacht, die auf den ersten Blick gar keine zu sein scheint, ist ungefähr so schwer, wie einen Witz nachzuerzählen, dessen Pointe auf Situationskomik beruht. Eigentlich muß man seine Werke mit eigenen Augen gesehen haben, denn Shrigleys Arbeiten leben davon, was im Kopfe des Betrachters entsteht. Ein liniertes rosa Blatt Papier, das aus einem Filofax ausgerissen ist - darauf in naiv gekrakelten Großbuchstaben die Botschaft: "Stop the lap dance I want to go home". Das ungefähr ist der Humor von David Shrigley, der entweder sehr oder überhaupt nicht komisch ist, je nachdem, wie man ihm gegenübertritt. Natürlich läßt sich so etwas schnell abtun als Fall für die Rubrik: Kann ich auch! Jedes Kind kann einen Zettel irgendwo herausreißen, und Buchstaben, die so unbeholfen aussehen wie diese, bringt wohl auch jedes Kind zustande. Aber wenn man das Ganze etwas auf sich wirken läßt, eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten zur Interpretation. Und ehrlich gesagt ist keine einzige von ihnen nicht wahnsinnig lustig.
Im Moment dürfte David Shrigley, der 1968 in Macclesfield geboren ist und in Glasgow lebt, einer der meist kopierten Gegenwartskünstler sein. Eine naive Bildsprache, die völlige Verweigerung von "Kunst", das Spiel mit Verbotenem, mit politisch Unkorrektem - moderner geht es gerade nicht im Kunstbetrieb. In seinem neuen Buch, "Worried Noodles", blitzt jedoch auch wieder auf, was diesen Künstler von allen seinen Nachahmern unterscheidet: Es ist dieser ins Absurde tendierende, um ein bis zwei Ecken gedachte, subtil wahnsinnige Humor, der seinen Werken eine Leichtigkeit verleiht, die im Kunstbetrieb eine Wohltat ist.
Das Buch hat das Format eines Schallplatten-Doppelalbums, eine leere Plattenhülle liegt bei: "Ich habe keine Platte gemacht. Das wäre zu schwierig gewesen. Es war einfacher, keine Platte zu machen", steht darauf, in der ihm eigenen, aus Großbuchstaben bestehenden Schrift. Im Buch: Zeichnungen und Texte. Songtexte, zu denen der Leser sich die Musik selber denken kann; kleine Gedichte, hintersinnige Dialoge und Zweizeiler wie dieser, der mit "Rhetorik" überschrieben ist: "Tu schlechte Dinge. Dann entschuldige dich."
Die Idee, ein Konzeptalbum ohne Musik zu machen, sei nicht seine eigene gewesen, sondern die seines Verlags, sagt Shrigley, der sehr groß ist, lange blonde Haare und rote Backen hat und überhaupt sehr frisch gewaschen und gesund aussieht. Also habe er sich hingesetzt, ein paar Songtexte geschrieben, ein paar Zeichnungen gemacht, "und das war es dann", sagt er mit einem Achselzucken, mit dem er überhaupt seiner ganzen Karriere gegenüberzustehen scheint. Während seines Studiums an der Glasgow School of Arts habe er sich nicht vorstellen können, jemals ausgestellt zu werden, erzählt er, und daß er von seiner Kunst werde leben können, sowieso nicht. Aber dann brachte er ein paar kleine Bücher mit Zeichnungen selbstkopiert im Eigenverlag heraus, jemand, der jemanden kannte, der jemanden kannte, sah und mochte sie, und ziemlich schnell hatte er sich so innerhalb der Glasgower Kunstszene einen Namen gemacht. Und bald über sie hinaus. Heute hat er seine eigene Kolumne im "Guardian", macht animierte Videos für Bands wie Blur und sagt, seine Zeichnungen würden für "fabulously" viel Geld verkauft.
Nach dem Studium beschäftigte er sich zunächst vor allem mit Fotografie. Schon damals standen absurde kleine Botschaften im Mittelpunkt, er schrieb sie auf Gegenstände und fotografierte diese dann im Raum. Einen auf der Straße liegenden, schwarzen Terminkalender zum Beispiel, auf dem stand: "Please do not return this to me as I do not want it back. Thank you." Man stellt sich einen vom Alltagsstreß geplagten Menschen vor, der heilfroh ist, das Ding endlich los zu sein - und schon erzählt das Bild alles über die Herausforderungen der modernen Welt.
Oder das Foto, auf dem nichts als Laub zu sehen ist, der ganze Boden ist bedeckt von herabgefallenen gelben und roten Blättern. Auf einem von ihnen steht, ganz klein, in der typischen Shrigley-Schrift: "Und eines Tages wird ein großer Wind kommen, und . . ." Womit die Sinnlosigkeit allen Daseins und Tuns so beiläufig wie konzise beschrieben wäre.
Oder das Foto "Lost", das von einer rührenden Liebe erzählt: Darauf ist ein an einen Baum gepinnter Zettel mit folgender Nachricht zu sehen: "Verloren: Grau-weiße Taube mit schwarzen Tupfern. Normale Größe. Ein bißchen räudig aussehend. Hat keinen Namen." Dazu eine Telefonnummer.
Shrigleys Kunst ist eine auf den zweiten Blick. Seine Zeichnungen, die nicht weniger als die Absurdität des Lebens zum Thema haben, scheinen im neuen Buch fast noch naiver zu sein als bisher schon. Sie erinnern an Krakeleien, mit denen Schüler ihre Reclam-Hefte verzieren oder die gedankenverloren während eines langweiligen Telefonats entstehen. Menschen bestehen bei ihm aus wenigen, unsicher wirkenden Filzstiftstrichen, die Arme wachsen irgendwo aus dem Brustkorb hinaus, die Beine aus dem Bauch, und viele Striche für die Haare deuten an, daß der Kopf dort zu Ende ist. Hier und da ist ein einzelnes Worte durchgestrichen, mit viel Schwarz wieder unlesbar gemacht worden, was dem Schriftbild etwas leicht Manisches verleiht. Überhaupt könnten es die Werke eines irgendwie gestörten Menschen sein. Ausgeburten eines kranken Hirnes, das Spaß am Bösen hat. Oder eines Philosophen, der Drogen genommen hat. Oder eines Nihilisten mit Sinn für Romantik. Oder eines Weisen mit sehr schlechter Laune.
Nichts ist so naiv, wie es aussieht, und so nett schon gar nicht. Denn auf einer anderen Ebene kann man Shrigleys Schrift und Gekritzel natürlich auch einfach nur hübsch finden. Sie hat einen eigenartigen Charme, diese schwarze Filzstiftschrift, die, wie Shrigley sagt, einfach seine natürliche Handschrift sei. Jeder Buchstabe scheint sich um Aufmerksamkeit zu bemühen, sie stehen alle im selben Abstand zueinander sehr gerade da, aber in dieser Ordentlichkeit scheint etwas Anarchisches zu lauern, eine nur mühsam zurückgehaltene Explosivität.
"Feel free to howl", steht auf einem Blatt mit sorgsam mit dem Lineal gezogenen Linien, "Fühl dich frei zu heulen/schreien": Es ist dieser Gegensatz zwischen gewahrter äußerer Form und einem inneren Rasen, zwischen Wie-es-sich-gehört und Amoklauf, der den Werken von Shrigley ihre abgründige, dunkle Dimension verleiht.
Auf einer anderen Buchseite verzieren Kreise, wie sie entstehen, wenn man mit einem Filzstift sorgfältig um ein umgestülptes Glas herumfährt, die unheilvolle Botschaft: "Ich möchte dich nicht alarmieren, deshalb werde ich dir nichts von den schrecklichen Dingen erzählen, die bald geschehen werden." Oder, in einem anderen Buch ("Kill your pets", 2004) der freundliche Hinweis: "Das Heroin ist unter den Aspirin", als stünde es auf einem Post-it für Gäste.
Shrigleys Arbeiten tanzen auf der haarfeinen Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn. Sie verbinden, was sich sonst auszuschließen pflegt. Seine Arbeiten sind naiv, und sie sind das Gegenteil davon. Sie sind häßlich, und sie sind hübsch. Sie sind böse, harmlos, verzweifelt, hoffnungsvoll, lustig, traurig, latent geisteskrank und sehr klug.
Messer: Was gibt es zum Abendessen?
Gabel: Suppe.
Das hätte Beckett auch nicht schöner sagen können.
Wie die meisten Künstler tut Shrigley sich schwer, über seine Kunst zu sprechen. Immer wieder ein freundliches Achselzucken, er wisse doch auch nicht, er versuche, einfach gut zu zeichnen, doch, er bemühe sich schon, nein, besser könne er es nicht, aber ihm sei schon auch bewußt daran gelegen, daß alles so einfach wie möglich gezeichnet sei. Jeden Tag sitzt er acht Stunden an seinem Schreibtisch, vieles landet im Müll, einiges in einer Kiste mit der Aufschrift: "In einem Jahr noch mal angucken". Seine Arbeit empfindet Shrigley als kathartisch. Es sei gut für seine geistige Gesundheit, all die schlechten Gedanken auf Papier auszuleben. Aber er sei kein aggressiver Mensch, sagt er, und hätte er nicht die Kunst, würde er eben joggen gehen.
In den großen Galerien sind immer mehr krakelige Handschriften zu sehen, immer mehr Strichmännchen oder mit Blümchen verzierte Schimpfworte. Was Shrigley macht, ist in Mode, und er ist sich dieser Entwicklung bewußt. "Natürlich hat man es leichter, wenn man die Menschen mit seinen Sachen zum Lächeln bringt", sagt er. "Aber ich glaube nicht, daß ich ein guter Einfluß bin. Ich glaube, ich bin verantwortlich für eine Menge schlechter Kunst."
JOHANNA ADORJÁN
David Shrigley: "Worried Noodles", Verlag Tomlab, vertrieben über Passenger Books und die Buchhandlung Walther König. 48 Seiten, 24 Euro.
Die Zeichnungen sind, bis auf das Selbstporträt, dem Buch "Kill Your Pets" entnommen, das 2004 bei Revolver, Frankfurt, erschienen ist.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mit seiner naiven Bildsprache und dem Spiel mit politisch Unkorrektem ist der englische Künstler David Shrigley gerade groß in Mode
Der "Guardian" nennt ihn einen der "aufregendsten Künstler Englands", er hatte große Einzelausstellungen in Zürich, London oder Los Angeles, selbst kleinere seiner Werke werden inzwischen für Tausende Euro verkauft - aber zu beschreiben, was genau die Kunst von David Shrigley ausmacht, die auf den ersten Blick gar keine zu sein scheint, ist ungefähr so schwer, wie einen Witz nachzuerzählen, dessen Pointe auf Situationskomik beruht. Eigentlich muß man seine Werke mit eigenen Augen gesehen haben, denn Shrigleys Arbeiten leben davon, was im Kopfe des Betrachters entsteht. Ein liniertes rosa Blatt Papier, das aus einem Filofax ausgerissen ist - darauf in naiv gekrakelten Großbuchstaben die Botschaft: "Stop the lap dance I want to go home". Das ungefähr ist der Humor von David Shrigley, der entweder sehr oder überhaupt nicht komisch ist, je nachdem, wie man ihm gegenübertritt. Natürlich läßt sich so etwas schnell abtun als Fall für die Rubrik: Kann ich auch! Jedes Kind kann einen Zettel irgendwo herausreißen, und Buchstaben, die so unbeholfen aussehen wie diese, bringt wohl auch jedes Kind zustande. Aber wenn man das Ganze etwas auf sich wirken läßt, eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten zur Interpretation. Und ehrlich gesagt ist keine einzige von ihnen nicht wahnsinnig lustig.
Im Moment dürfte David Shrigley, der 1968 in Macclesfield geboren ist und in Glasgow lebt, einer der meist kopierten Gegenwartskünstler sein. Eine naive Bildsprache, die völlige Verweigerung von "Kunst", das Spiel mit Verbotenem, mit politisch Unkorrektem - moderner geht es gerade nicht im Kunstbetrieb. In seinem neuen Buch, "Worried Noodles", blitzt jedoch auch wieder auf, was diesen Künstler von allen seinen Nachahmern unterscheidet: Es ist dieser ins Absurde tendierende, um ein bis zwei Ecken gedachte, subtil wahnsinnige Humor, der seinen Werken eine Leichtigkeit verleiht, die im Kunstbetrieb eine Wohltat ist.
Das Buch hat das Format eines Schallplatten-Doppelalbums, eine leere Plattenhülle liegt bei: "Ich habe keine Platte gemacht. Das wäre zu schwierig gewesen. Es war einfacher, keine Platte zu machen", steht darauf, in der ihm eigenen, aus Großbuchstaben bestehenden Schrift. Im Buch: Zeichnungen und Texte. Songtexte, zu denen der Leser sich die Musik selber denken kann; kleine Gedichte, hintersinnige Dialoge und Zweizeiler wie dieser, der mit "Rhetorik" überschrieben ist: "Tu schlechte Dinge. Dann entschuldige dich."
Die Idee, ein Konzeptalbum ohne Musik zu machen, sei nicht seine eigene gewesen, sondern die seines Verlags, sagt Shrigley, der sehr groß ist, lange blonde Haare und rote Backen hat und überhaupt sehr frisch gewaschen und gesund aussieht. Also habe er sich hingesetzt, ein paar Songtexte geschrieben, ein paar Zeichnungen gemacht, "und das war es dann", sagt er mit einem Achselzucken, mit dem er überhaupt seiner ganzen Karriere gegenüberzustehen scheint. Während seines Studiums an der Glasgow School of Arts habe er sich nicht vorstellen können, jemals ausgestellt zu werden, erzählt er, und daß er von seiner Kunst werde leben können, sowieso nicht. Aber dann brachte er ein paar kleine Bücher mit Zeichnungen selbstkopiert im Eigenverlag heraus, jemand, der jemanden kannte, der jemanden kannte, sah und mochte sie, und ziemlich schnell hatte er sich so innerhalb der Glasgower Kunstszene einen Namen gemacht. Und bald über sie hinaus. Heute hat er seine eigene Kolumne im "Guardian", macht animierte Videos für Bands wie Blur und sagt, seine Zeichnungen würden für "fabulously" viel Geld verkauft.
Nach dem Studium beschäftigte er sich zunächst vor allem mit Fotografie. Schon damals standen absurde kleine Botschaften im Mittelpunkt, er schrieb sie auf Gegenstände und fotografierte diese dann im Raum. Einen auf der Straße liegenden, schwarzen Terminkalender zum Beispiel, auf dem stand: "Please do not return this to me as I do not want it back. Thank you." Man stellt sich einen vom Alltagsstreß geplagten Menschen vor, der heilfroh ist, das Ding endlich los zu sein - und schon erzählt das Bild alles über die Herausforderungen der modernen Welt.
Oder das Foto, auf dem nichts als Laub zu sehen ist, der ganze Boden ist bedeckt von herabgefallenen gelben und roten Blättern. Auf einem von ihnen steht, ganz klein, in der typischen Shrigley-Schrift: "Und eines Tages wird ein großer Wind kommen, und . . ." Womit die Sinnlosigkeit allen Daseins und Tuns so beiläufig wie konzise beschrieben wäre.
Oder das Foto "Lost", das von einer rührenden Liebe erzählt: Darauf ist ein an einen Baum gepinnter Zettel mit folgender Nachricht zu sehen: "Verloren: Grau-weiße Taube mit schwarzen Tupfern. Normale Größe. Ein bißchen räudig aussehend. Hat keinen Namen." Dazu eine Telefonnummer.
Shrigleys Kunst ist eine auf den zweiten Blick. Seine Zeichnungen, die nicht weniger als die Absurdität des Lebens zum Thema haben, scheinen im neuen Buch fast noch naiver zu sein als bisher schon. Sie erinnern an Krakeleien, mit denen Schüler ihre Reclam-Hefte verzieren oder die gedankenverloren während eines langweiligen Telefonats entstehen. Menschen bestehen bei ihm aus wenigen, unsicher wirkenden Filzstiftstrichen, die Arme wachsen irgendwo aus dem Brustkorb hinaus, die Beine aus dem Bauch, und viele Striche für die Haare deuten an, daß der Kopf dort zu Ende ist. Hier und da ist ein einzelnes Worte durchgestrichen, mit viel Schwarz wieder unlesbar gemacht worden, was dem Schriftbild etwas leicht Manisches verleiht. Überhaupt könnten es die Werke eines irgendwie gestörten Menschen sein. Ausgeburten eines kranken Hirnes, das Spaß am Bösen hat. Oder eines Philosophen, der Drogen genommen hat. Oder eines Nihilisten mit Sinn für Romantik. Oder eines Weisen mit sehr schlechter Laune.
Nichts ist so naiv, wie es aussieht, und so nett schon gar nicht. Denn auf einer anderen Ebene kann man Shrigleys Schrift und Gekritzel natürlich auch einfach nur hübsch finden. Sie hat einen eigenartigen Charme, diese schwarze Filzstiftschrift, die, wie Shrigley sagt, einfach seine natürliche Handschrift sei. Jeder Buchstabe scheint sich um Aufmerksamkeit zu bemühen, sie stehen alle im selben Abstand zueinander sehr gerade da, aber in dieser Ordentlichkeit scheint etwas Anarchisches zu lauern, eine nur mühsam zurückgehaltene Explosivität.
"Feel free to howl", steht auf einem Blatt mit sorgsam mit dem Lineal gezogenen Linien, "Fühl dich frei zu heulen/schreien": Es ist dieser Gegensatz zwischen gewahrter äußerer Form und einem inneren Rasen, zwischen Wie-es-sich-gehört und Amoklauf, der den Werken von Shrigley ihre abgründige, dunkle Dimension verleiht.
Auf einer anderen Buchseite verzieren Kreise, wie sie entstehen, wenn man mit einem Filzstift sorgfältig um ein umgestülptes Glas herumfährt, die unheilvolle Botschaft: "Ich möchte dich nicht alarmieren, deshalb werde ich dir nichts von den schrecklichen Dingen erzählen, die bald geschehen werden." Oder, in einem anderen Buch ("Kill your pets", 2004) der freundliche Hinweis: "Das Heroin ist unter den Aspirin", als stünde es auf einem Post-it für Gäste.
Shrigleys Arbeiten tanzen auf der haarfeinen Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn. Sie verbinden, was sich sonst auszuschließen pflegt. Seine Arbeiten sind naiv, und sie sind das Gegenteil davon. Sie sind häßlich, und sie sind hübsch. Sie sind böse, harmlos, verzweifelt, hoffnungsvoll, lustig, traurig, latent geisteskrank und sehr klug.
Messer: Was gibt es zum Abendessen?
Gabel: Suppe.
Das hätte Beckett auch nicht schöner sagen können.
Wie die meisten Künstler tut Shrigley sich schwer, über seine Kunst zu sprechen. Immer wieder ein freundliches Achselzucken, er wisse doch auch nicht, er versuche, einfach gut zu zeichnen, doch, er bemühe sich schon, nein, besser könne er es nicht, aber ihm sei schon auch bewußt daran gelegen, daß alles so einfach wie möglich gezeichnet sei. Jeden Tag sitzt er acht Stunden an seinem Schreibtisch, vieles landet im Müll, einiges in einer Kiste mit der Aufschrift: "In einem Jahr noch mal angucken". Seine Arbeit empfindet Shrigley als kathartisch. Es sei gut für seine geistige Gesundheit, all die schlechten Gedanken auf Papier auszuleben. Aber er sei kein aggressiver Mensch, sagt er, und hätte er nicht die Kunst, würde er eben joggen gehen.
In den großen Galerien sind immer mehr krakelige Handschriften zu sehen, immer mehr Strichmännchen oder mit Blümchen verzierte Schimpfworte. Was Shrigley macht, ist in Mode, und er ist sich dieser Entwicklung bewußt. "Natürlich hat man es leichter, wenn man die Menschen mit seinen Sachen zum Lächeln bringt", sagt er. "Aber ich glaube nicht, daß ich ein guter Einfluß bin. Ich glaube, ich bin verantwortlich für eine Menge schlechter Kunst."
JOHANNA ADORJÁN
David Shrigley: "Worried Noodles", Verlag Tomlab, vertrieben über Passenger Books und die Buchhandlung Walther König. 48 Seiten, 24 Euro.
Die Zeichnungen sind, bis auf das Selbstporträt, dem Buch "Kill Your Pets" entnommen, das 2004 bei Revolver, Frankfurt, erschienen ist.
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