Viele Menschen haben seit dem Krieg in der Ukraine und dem Überfall der Hamas auf Israel das Gefühl, keine Worte mehr zu haben für die Welt - für die Gewalt, die Trauer, die Angst und die Ungewissheit.
Autorinnen, Autoren und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben für uns nach solchen Worten gesucht - bei den Schreibenden und Denkenden aller Zeiten und Länder. Sie haben Texte, Sätze und Gedichte gefunden, die Mut machen und Halt geben. Und es in unseren Köpfen heller werden lassen, in finsteren Zeiten.
»Worte, von Schweigenden gefühlt, sind schön.«
Emily Dickinson
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorinnen, Autoren und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben für uns nach solchen Worten gesucht - bei den Schreibenden und Denkenden aller Zeiten und Länder. Sie haben Texte, Sätze und Gedichte gefunden, die Mut machen und Halt geben. Und es in unseren Köpfen heller werden lassen, in finsteren Zeiten.
»Worte, von Schweigenden gefühlt, sind schön.«
Emily Dickinson
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Es wäre besser gewesen, dieses von Oliver Vogel herausgegebene Buch hätte es nicht geben müssen, meint Rezensent Andreas Platthaus. Nach den Massakern der Hamas am 7. Oktober bat der Fischer Verlag Autorinnen und Autoren Texte auszusuchen, die ihnen Trost spenden. 96 antworteten, 91 Texte sind in diesem Band erschienen, erzählt Platthaus, von Hannah Arendt, Mahmud Darwish, Mascha Kaléko, Musil oder Jehuda Amichai zum Beispiel. Gedichte sind überproportional vertreten, es finden sich auch Reden und einzelne Sätze - oder einfach selbstgeschriebene Texte, erfahren wir. Platthaus moniert, dass manche Texte unkommentiert im englischen Original ohne Übersetzung stehen, obwohl eine Übersetzung vorliegt. Und einige Autoren finden Trost in ihren eigenen Texten oder Übersetzungen, wie der Kritiker leicht vergrätzt anmerkt. So richtig trostspendend scheint er dieses Buch nicht zu finden.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.12.2023Was gibt uns Halt?
Nach dem 7. Oktober: Literarische Trosttexte
An dieses Buch war vor zweieinhalb Monaten noch kein Denken, und es wäre besser gewesen, das wäre so geblieben. Doch die Massaker der Hamas vom 7. Oktober haben die Welt verändert, leider nur zum Schlimmeren. Der Antisemitismus hat weltweit zugenommen, die Debatten über die Lage in Nahost werden immer unnachsichtiger geführt, die Ratlosigkeit ist eher noch größer als der Zorn. Einen Monat nach den Massenmorden und angesichts der damals beginnenden israelischen Invasion im Gazastreifen beschloss der Verlag S. Fischer, hundert Autoren zu bitten, Texte einzusenden - keine eigenen, sondern solche, die ihnen in verzweifelten Situationen Halt geben und nun in einem Buch versammelt werden sollten. 96 der Angeschriebenen antworteten und schickten das, was der Verlagsleiter Oliver Vogel, Mitinitiator der Aktion, "Lebenstexte" nennt. Heute bereits erscheint das daraus entstandene Buch.
Darin finden sich seltsamerweise nur 91 Beiträger, einige allerdings mit mehreren Einsendungen. Die Spannbreite reicht von einem einzigen Satz (Robert Musils "Man kann nicht nicht wissen wollen" aus dem "Mann ohne Eigenschaften"), den der Schriftsteller Ernst-Wilhelm Händler einreichte, bis zur sieben Buchseiten umfassenden Rede, die der sowjetische Dissident Ivan Dzjuba, der nach der Unabhängigkeit der Ukraine dort Kulturminister werden sollte und zwei Tage vor dem russischen Angriff auf sein Land starb, 1966 zum 25. Jahrestag des von deutschen Einheiten verübten Massakers von Babyn Jar gehalten hatte. Diesen bewegenden Text, der Ukrainer und Juden als Gewaltopfer zu gegenseitiger Sympathie aufrief und somit gerade heute von brennender Aktualität ist, wählte das der Ukraine durch seine Tätigkeiten eng verbundene Gelehrtenehepaar Claudia und Uwe Dathe aus.
Unter den Einsendern sind Schriftsteller wie Julia Franck, Durs Grünbein, Charlotte Gneuß, Ingo Schulze, Olga Martynova, Kathrin Röggla, Katarina Poladjan oder Tomer Gardi; unter den Autoren der Trosttexte finden sich Hannah Arendt, Mascha Kaléko, Franz Kafka, Ingeborg Bachmann, Paul Celan, James Baldwin, Thomas Brasch, Ilse Aichinger oder eben Musil (jeweils mehrfach). Meistgewählter Autor ist mit vier Texten allerdings der palästinensische Dichter Mahmud Darwish, aber auch der israelisch-deutsche, auf Hebräisch schreibende Lyriker Jehuda Amichai ist dreimal vertreten (überhaupt sind knapp mehr als die Hälfte der 99 ausgesuchten Texte Gedichte).
Seltsam ist die Entscheidung des Verlags, insgesamt elf Texte im englischen Original abzudrucken, obwohl es in den meisten Fällen deutsche Übersetzungen gibt; Virginia Woolfs Auszug aus "Zum Leuchtturm" dagegen, von Cécile Wajsbrot ausgewählt, ist auf Deutsch zu lesen. Ansonsten gibt es nur zwei weitere fremdsprachige Einträge, die aber je mit den deutschen Entsprechungen. Da ist einmal auf Hebräisch ein jüdisch-orthodoxes Gebet für die israelische Armee, das der Dramatiker Lothar Kittstein ausgesucht hat - was in seltsamem Kontrast steht zur Absage an jede Kriegshandlung, die der israelische Friedensaktivist Udi Aloni nach dem Massaker verfasst hat, mit der sich der Filmregisseur und Romancier Jan Schomburg tröstet. Und zum anderen Thomas Braschs Gedicht "Was ich habe, will ich nicht verlieren" auf Arabisch - Resultat einer vom Einreicher Thomas Sparr mitherausgegebenen Anthologie deutschsprachiger Liebesgedichte, die dafür jeweils auch ins Arabische übersetzt wurden.
Manche Einsendungen entstammen also doch der persönlichen Arbeit: So trösten sich ausgerechnet die Bestsellerautoren Daniel Speck (Historienromane) und Klaus-Peter Wolf (Krimis) am zuverlässigsten mit eigenen Texten, der Schriftsteller Reinhard Kaiser-Mühlecker mit seiner Übersetzung eines Gedichts von Raymond Carver und der Orientalist Stefan Weidner mit einem von ihm übertragenen Darwish-Poem. Am poetischsten (aber auch buchstäblich weltfremdesten) indes ist Helga Schuberts Trost: Die Fotos weit entfernter Galaxien lassen sie "alle Sorgen vergessen". Allerdings wohl nicht diejenigen, die den Blick auch gen Himmel richten - jedoch aus Angst vor Einschlägen. ANDREAS PLATTHAUS
Oliver Vogel, Sophie von Heppe, Maren Baier, Michael Reinfarth (Hrsg.): "Worte in finsteren Zeiten".
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2023. 256 S., 3 Abb., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Nach dem 7. Oktober: Literarische Trosttexte
An dieses Buch war vor zweieinhalb Monaten noch kein Denken, und es wäre besser gewesen, das wäre so geblieben. Doch die Massaker der Hamas vom 7. Oktober haben die Welt verändert, leider nur zum Schlimmeren. Der Antisemitismus hat weltweit zugenommen, die Debatten über die Lage in Nahost werden immer unnachsichtiger geführt, die Ratlosigkeit ist eher noch größer als der Zorn. Einen Monat nach den Massenmorden und angesichts der damals beginnenden israelischen Invasion im Gazastreifen beschloss der Verlag S. Fischer, hundert Autoren zu bitten, Texte einzusenden - keine eigenen, sondern solche, die ihnen in verzweifelten Situationen Halt geben und nun in einem Buch versammelt werden sollten. 96 der Angeschriebenen antworteten und schickten das, was der Verlagsleiter Oliver Vogel, Mitinitiator der Aktion, "Lebenstexte" nennt. Heute bereits erscheint das daraus entstandene Buch.
Darin finden sich seltsamerweise nur 91 Beiträger, einige allerdings mit mehreren Einsendungen. Die Spannbreite reicht von einem einzigen Satz (Robert Musils "Man kann nicht nicht wissen wollen" aus dem "Mann ohne Eigenschaften"), den der Schriftsteller Ernst-Wilhelm Händler einreichte, bis zur sieben Buchseiten umfassenden Rede, die der sowjetische Dissident Ivan Dzjuba, der nach der Unabhängigkeit der Ukraine dort Kulturminister werden sollte und zwei Tage vor dem russischen Angriff auf sein Land starb, 1966 zum 25. Jahrestag des von deutschen Einheiten verübten Massakers von Babyn Jar gehalten hatte. Diesen bewegenden Text, der Ukrainer und Juden als Gewaltopfer zu gegenseitiger Sympathie aufrief und somit gerade heute von brennender Aktualität ist, wählte das der Ukraine durch seine Tätigkeiten eng verbundene Gelehrtenehepaar Claudia und Uwe Dathe aus.
Unter den Einsendern sind Schriftsteller wie Julia Franck, Durs Grünbein, Charlotte Gneuß, Ingo Schulze, Olga Martynova, Kathrin Röggla, Katarina Poladjan oder Tomer Gardi; unter den Autoren der Trosttexte finden sich Hannah Arendt, Mascha Kaléko, Franz Kafka, Ingeborg Bachmann, Paul Celan, James Baldwin, Thomas Brasch, Ilse Aichinger oder eben Musil (jeweils mehrfach). Meistgewählter Autor ist mit vier Texten allerdings der palästinensische Dichter Mahmud Darwish, aber auch der israelisch-deutsche, auf Hebräisch schreibende Lyriker Jehuda Amichai ist dreimal vertreten (überhaupt sind knapp mehr als die Hälfte der 99 ausgesuchten Texte Gedichte).
Seltsam ist die Entscheidung des Verlags, insgesamt elf Texte im englischen Original abzudrucken, obwohl es in den meisten Fällen deutsche Übersetzungen gibt; Virginia Woolfs Auszug aus "Zum Leuchtturm" dagegen, von Cécile Wajsbrot ausgewählt, ist auf Deutsch zu lesen. Ansonsten gibt es nur zwei weitere fremdsprachige Einträge, die aber je mit den deutschen Entsprechungen. Da ist einmal auf Hebräisch ein jüdisch-orthodoxes Gebet für die israelische Armee, das der Dramatiker Lothar Kittstein ausgesucht hat - was in seltsamem Kontrast steht zur Absage an jede Kriegshandlung, die der israelische Friedensaktivist Udi Aloni nach dem Massaker verfasst hat, mit der sich der Filmregisseur und Romancier Jan Schomburg tröstet. Und zum anderen Thomas Braschs Gedicht "Was ich habe, will ich nicht verlieren" auf Arabisch - Resultat einer vom Einreicher Thomas Sparr mitherausgegebenen Anthologie deutschsprachiger Liebesgedichte, die dafür jeweils auch ins Arabische übersetzt wurden.
Manche Einsendungen entstammen also doch der persönlichen Arbeit: So trösten sich ausgerechnet die Bestsellerautoren Daniel Speck (Historienromane) und Klaus-Peter Wolf (Krimis) am zuverlässigsten mit eigenen Texten, der Schriftsteller Reinhard Kaiser-Mühlecker mit seiner Übersetzung eines Gedichts von Raymond Carver und der Orientalist Stefan Weidner mit einem von ihm übertragenen Darwish-Poem. Am poetischsten (aber auch buchstäblich weltfremdesten) indes ist Helga Schuberts Trost: Die Fotos weit entfernter Galaxien lassen sie "alle Sorgen vergessen". Allerdings wohl nicht diejenigen, die den Blick auch gen Himmel richten - jedoch aus Angst vor Einschlägen. ANDREAS PLATTHAUS
Oliver Vogel, Sophie von Heppe, Maren Baier, Michael Reinfarth (Hrsg.): "Worte in finsteren Zeiten".
Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2023. 256 S., 3 Abb., geb., 20,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Was Literatur in eher kargen Zeiten kann, beantwortet die Anthologie [...] auf erhellende Weise. Mara Delius Welt am Sonntag 20240107