"Sie sehen: Es geht hier um nichts anderes als um den Spaß am Valschen, die Poesie des Irrtuhms, die Freude an der Fehlleistunck - um einen Reichtum also, der erst durch menschliche Schwäche entsteht. Von welch' anderem Reichtum könnte man dies behaupten?"Seit Jahren betreibt Axel Hacke einen Wortstoffhof, in dem er Wörter sammelt: falsche, unsinnige, unbrauchbare. Sie sind weder nützlich noch irgendwie verständlich. Sie kommen zum Beispiel aus Speisekarten, Gebrauchsanweisungen, Tourismusprospekten. Aus den Lautsprechern der ICE-Züge gleich in ganzen Sätzen. Selbst in seriösen Zeitungen findet man den schönsten Unsinn. E-mails sind eine einzige Fundgrube. Mancher hingeworfene Politikersatz ist der reine Restmüll, ein anderer dann wieder von rarer Schönheit - auch hier gilt es, wie auf dem Wertstoffhof in jeder deutschen Gemeinde, das Verbrauchte von Noch-Brauchbaren zu trennen.Gerade das Falsche ist das Schöne an der Sprache. Das ist Axel Hackes Credo, und davon erzählt keiner so wie er. Seine wunderbar kuriosen Sprachgeschichten sind in diesem Buch von Äh bis Zee-sik-kai-ten geordnet. Ein Geschichten-Alphabet, das den Reichtum der deutschen Sprache vom verlegenen Stottern bis zu ihrer Japanhaftigkeit zeigt - und die Welt, wie sie ist und sein könnte.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.05.2008Sprachmüllmann
Hier haben wir ein weiteres Buch über die Pflege der deutschen Sprache, aber ein anderes: eines, das jeden Anglizismus furchtlos willkommen heißt, das Dativ und Genitiv gleichermaßen schätzt, das überhaupt in Ausdrucksfragen große Gerechtigkeit walten lässt. Wohlwollend nimmt es sich der Freudschen Fehlleistung an, steht verzaubert vor der fremden Schönheit des Übersetzungsfehlers, der den uninspirierten, Verständnis heischenden Leser brüsk zurückstößt, sucht den hermetischen Sinn hinter der Rhythmik retardierenden Stotterns. Axel Hacke, Kolumnist der "Süddeutschen Zeitung" und des "Tagesspiegel", sammelt semantischen Nonsens wie ein Grundschüler Salatschnecken. Und er pflegt ihn, weil jederzeit eine ungeahnte Bedeutung auftauchen könnte, für die dann sogleich ein Wort zu ihrer Bezeichnung bereitstünde: Sprachmüll wird zum wertvollen Rohstoff. Man findet ihn als "Pilaf mit Leber und Wahnsinnigen" in Speisekarten anatolischer Restaurants, als "Aufstellungsort des Seins" in liegengebliebenen Reiseprospekten, in doppelt rückübersetzten Bedienungsanleitungen und dem achtlos hingeworfenen Silbenrätsel des Kindes. Der geduldige Sprachenthusiast Hacke lotet auch die unwahrscheinlichsten Konnotationen des Politikerjargons aus, bis dass in dem im Weltenwind klappernden Zeitfenster niemand anders als Superman erscheint. Lehrreich auch ein Blick in die lautschriftlichen German Phrase Books, die den amerikanischen Soldaten bei der Eroberung Nazi-Deutschlands die Konversation mit dem Feind erleichtern sollten. "MA-khen zee ess zish B'K-VAYM" und "er-GAY-ben zee zish" den Wundern des Verbalrecycling. (Axel Hacke: "Wortstoffhof. Sprachgeschichten von Äh bis Zeitfenster." Verlag Antje Kunstmann, München 2008. 224 S., geb., 16,90 [Euro].) brey
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Hier haben wir ein weiteres Buch über die Pflege der deutschen Sprache, aber ein anderes: eines, das jeden Anglizismus furchtlos willkommen heißt, das Dativ und Genitiv gleichermaßen schätzt, das überhaupt in Ausdrucksfragen große Gerechtigkeit walten lässt. Wohlwollend nimmt es sich der Freudschen Fehlleistung an, steht verzaubert vor der fremden Schönheit des Übersetzungsfehlers, der den uninspirierten, Verständnis heischenden Leser brüsk zurückstößt, sucht den hermetischen Sinn hinter der Rhythmik retardierenden Stotterns. Axel Hacke, Kolumnist der "Süddeutschen Zeitung" und des "Tagesspiegel", sammelt semantischen Nonsens wie ein Grundschüler Salatschnecken. Und er pflegt ihn, weil jederzeit eine ungeahnte Bedeutung auftauchen könnte, für die dann sogleich ein Wort zu ihrer Bezeichnung bereitstünde: Sprachmüll wird zum wertvollen Rohstoff. Man findet ihn als "Pilaf mit Leber und Wahnsinnigen" in Speisekarten anatolischer Restaurants, als "Aufstellungsort des Seins" in liegengebliebenen Reiseprospekten, in doppelt rückübersetzten Bedienungsanleitungen und dem achtlos hingeworfenen Silbenrätsel des Kindes. Der geduldige Sprachenthusiast Hacke lotet auch die unwahrscheinlichsten Konnotationen des Politikerjargons aus, bis dass in dem im Weltenwind klappernden Zeitfenster niemand anders als Superman erscheint. Lehrreich auch ein Blick in die lautschriftlichen German Phrase Books, die den amerikanischen Soldaten bei der Eroberung Nazi-Deutschlands die Konversation mit dem Feind erleichtern sollten. "MA-khen zee ess zish B'K-VAYM" und "er-GAY-ben zee zish" den Wundern des Verbalrecycling. (Axel Hacke: "Wortstoffhof. Sprachgeschichten von Äh bis Zeitfenster." Verlag Antje Kunstmann, München 2008. 224 S., geb., 16,90 [Euro].) brey
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Mit rauschhaftem Überschwang setzt Benedikt Erenz' Rezension von Axel Hackes "Wortstoffhof. Sprachgeschichten von Äh bis Zeitfenster" ein: ein Lob auf die deutsche Sprache in all ihrer Wirrnis. Der Rest der Besprechung des Sammelbandes vollzieht sich deduktiv: vom Allgemeinen der Sprache kommt Erenz auf das Besondere, und jemand ganz Besonderes ist für ihn Axel Hacke. So formuliert der Journalist Erenz seine Liebeserklärung an den Journalisten, "Worteverehrer" und "Worteküsser" Hacke, der mit seinen sprachlichen "Perlen" und "Scherben" nicht nur aufs Beste unterhält, sondern zugleich jeden pädagogischen Impetus zurückhält. Dies ist dem Rezensenten in seiner an Ausrufezeichen reichen Rezension sowieso das Wichtigste; das Heitere eines Autoren, der die Sprache liebt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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