Eine kurze Geschichte der Philosophie des Humors.
Warum lacht der Mensch, und welche Bedeutung haben Witz und Humor für unser Alltagsleben? Was haben die großen Philosophen herausgefunden über Ursachen und Hintergründe des Lachens, und worüber haben sie selbst sich amüsiert? Manfred Geier schreibt eine kurze Geschichte des philosophischen Humors, und er gibt zugleich Einblicke in die Gründe und Abgründe unseres Lachens. Sein Buch erzählt, was kluge Menschen von Platon bis Karl Valentin, von Diogenes bis Sigmund Freud über das Komische herausgefunden haben. Und es veranschaulicht, dass es viele lachende Philosophen gegeben hat, die sich nicht zuletzt über sich selbst lustig machten. Ein lehrreicher Spaziergang durch die Gedankenwelt großer Philosophen - und zugleich eine höchst unterhaltsame Sammlung witziger Geschichten. Mit einem Wort: ein Lesevergnügen!
Warum lacht der Mensch, und welche Bedeutung haben Witz und Humor für unser Alltagsleben? Was haben die großen Philosophen herausgefunden über Ursachen und Hintergründe des Lachens, und worüber haben sie selbst sich amüsiert? Manfred Geier schreibt eine kurze Geschichte des philosophischen Humors, und er gibt zugleich Einblicke in die Gründe und Abgründe unseres Lachens. Sein Buch erzählt, was kluge Menschen von Platon bis Karl Valentin, von Diogenes bis Sigmund Freud über das Komische herausgefunden haben. Und es veranschaulicht, dass es viele lachende Philosophen gegeben hat, die sich nicht zuletzt über sich selbst lustig machten. Ein lehrreicher Spaziergang durch die Gedankenwelt großer Philosophen - und zugleich eine höchst unterhaltsame Sammlung witziger Geschichten. Mit einem Wort: ein Lesevergnügen!
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.05.2006Zum Lachen, diese Philosophen
„Eine kleine Geschichte des Humors”: Manfred Geier klärt „Worüber kluge Menschen lachen”
Es ist eines dieser Bücher, bei denen man lange über den Titel nachdenken kann. Beginnen wir mit dem Untertitel: „Kleine Philosophie des Humors”. Das klingt beunruhigend nach betulichen Reihen: „Kleine Philosophie des Tees” oder „Kleine Philosophie des Briefmarkensammelns”. Aber das ist hier nicht gemeint. Der Haupttitel verspricht mitzuteilen „Worüber kluge Menschen lachen”. Das mag diesen oder jenen zu der Frage veranlassen: „Wer ist ein kluger Mensch?” Näherhin, wen hat hier der Autor im Visier? Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis hilft weiter.
Im ersten Kapitel ist von Platon die Rede, im zweiten von Demokrit, im dritten von jenem Diogenes, der in der Tonne wohnte, und im vierten von Kant. Aber das Buch hat noch mehr Kapitel. In weiteren sind Sigmund Freud und Karl Valentin Hauptfiguren. Allein, das ändert nichts. Das Buch handelt von der Bedeutung des Lachens und des Lachenmachens - vulgo: der Witze und des Witzereißens - für die Philosophie. Ob Philosophen immer kluge Leute sind, kann man dahingestellt sein lassen. Aber dass in diesem Buch Philosophie richtig ernst genommen wird, steht außer Frage. Trotzdem ist es dem Autor gelungen, ein unterhaltsames Buch zu schreiben.
Vom Schaden und vom Spott
Vor allem kann der Autor mit einer regelrechten Entdeckung in der Philosophiegeschichte aufwarten. Wer bisher der Ansicht war, in der Philosophie gebe es keine Entdeckungen wie die Schwerkraft oder die Dampfmaschine, sieht sich hier mit präzisen Daten konfrontiert, die ein Vorher und ein Nachher unterscheiden. „Fast auf Jahre genau”, schreibt Manfred Geier, dem wir ein gutes Buch über Kant und ein akzeptables über Heidegger verdanken, ist „die Epoche zu begrenzen, in der das Superioritäts-Paradigma das philosophische Denken beherrschte. Sie begann etwa um 360 v. Chr. und endete im Dezember 1710.”
Das erste Datum spielt auf Platons Dialog „Philebos” an. Darin, so Geier, „wurden jene Menschen als lächerlich charakterisiert und abgewertet, die sich für wissend und vollkommen hielten.” Solcher Überlegenheitsdünkel ist freilich nur die intelligentere - philosophische! - Variante des schlichten Selbstbewusstseins der Leute, die all jene auslachen, die ihnen tatsächlich unterlegen sind und ein Missgeschick nach dem anderen erleiden. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, erläutert das Sprichwort das Superioritäts-Paradigma aus der Perspektive des Lachenden. So hat auch die berühmte thrakische Magd den in eine Grube stürzenden Thales ausgelacht, der immerhin einer die Sieben Weisen war.
Was aber geschah im Dezember 1710? Am 30. dieses Monats schrieb der englische Dichter und Philosoph Alexander Pope („The proper study of mankind is man”) in einem fingierten Brief an Oliver Cromwell: „Mit meinen Freunden bin ich im Lachen eines Sinnes, doch diejenigen, die nicht meine Freunde sind, lache ich aus.” Verkündet Geier: „Seitdem konnte das Lachen nicht mehr mit dem Auslachen gleichgesetzt werden.”
Das Schöne an Geiers Buch ist, dass er nun mit liebevoller Fürsorglichkeit, aber ohne pedantisch zu werden, das Neue, das er entdeckt hat, in seinen zarten Anfängen beobachtet und seine Entwicklung begleitet wie eine stolze Mutter das Wachstum ihres Sprösslings. „Es begann in Dublin” lautet der erste kurze Satz des Abschnitts, der uns mit Francis Hutcheson (1694 - 1746) bekannt macht. Dieser Moralphilosoph befand, Lachen habe wenig mit Überlegenheitsgefühl zu tun, die Ursache für das Lachen entdeckte er in dem komischen Gegensatz, der zwischen einem würdevollen Anspruch, einer Idee und einem alltäglichen Patzer auftreten kann. Was bei dieser Gelegenheit sichtbar wird, reizt zum Lachen. Wenn es Freunden geschieht, lachen wir mit ihnen, wenn es unsympathischen Figuren geschieht, lachen wir sie aus.
Witze ohne Theaterzettel
Die Engländer nannten solchen Lachgrund „incongruity”. Bei Kant lesen wir von „Ungereimtheiten”. Geier kommt weiter mit Schopenhauer, der sich nicht scheute, in seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung” zahlreiche Witze zu erzählen, „um die Inkongruenz zwischen Anschauung und Begriff in ihren beiden möglichen Richtungen bewusst zu machen.” Einer davon ist der über den Polizisten, der in einem Pariser Theater das Publikum beruhigen wollte, das vergeblich zu Beginn der Aufführung die Marseillaise erwartet hatte, und von der Bühne herab sagte, gespielt werden dürfe nur, was auf dem Programm stehe. Da bekam der Uniformierte aus dem Parkett zu hören: Und Sie, mein Herr, stehen Sie auf dem Theaterzettel? - Das ist hübsch, und Geier weiß es hübsch zu deuten: „Hier wuchs am Ende begrifflich zusammen, was anschaulich nicht zusammengehörte.” Und nun lernt man wirklich etwas, wenn man anhand dieses Fadens zu Freud und Valentin kommt.
Aber wenn Geier von hier aus noch einmal zurückgeblättert hätte zur ersten Hälfte seines Buchs, dann wäre ihm sicherlich ein Witz aus dem „Lachfreund” (Philogelos) der Griechen aufgefallen, den er dort zitiert und der von einem „scholastikos” handelt, also einem klugen , sich in tiefsinnigen Reden ergehenden Menschen: „Jemand kam zu einem Arzte, der ein Scholastikos war, und sagte: Herr Doktor, wenn ich vom Schlaf aufstehe, bin ich eine halbe Stunde schwindlig, und dann erst wird mir besser. Und der Arzt: Stehe eine halbe Stunde später auf.” Von hier kann man leicht zu den Beobachtungen kommen, die in Kants Ungereimtheiten angesprochen sind.
Allerdings ist hier Mitlachen und Auslachen schwer zu unterscheiden - schon Pope machte das ja von Sympathie oder Antipathie abhängig. Gleichviel, es waren die nach-aristophanischen Griechen der unpolitischen Gesellschaftskomödien, die wussten: ein guter Komödienschreiber muss ein exzellenter Philosoph sein. Von dem Witz dieser Komödien, deren bedeutendster Dichter Menander war und von denen wir nur noch wenige haben, zehren die Bühnen der westlichen Welt bis heute, seit langem auch schon die Filme. Über die Slapsticks lachen die klugen Leute seit eh und je. Aber nicht nur sie. Fürchten die Philosophen, die klugen Leute, gar den falschen Mitlacher? Geier sollte die Arbeit an seinem Thema fortsetzen.JÜRGEN BUSCHE
MANFRED GEIER: Worüber kluge Menschen lachen. Kleine Geschichte des Humors. Rowohlt Verlag, Hamburg 2006. 285 Seiten, 16,90 Euro.
Glucksen, Schmunzeln, Lachen - die Mimik-Büsten von Franz Xaver Messerschmidt.
Foto: akg
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„Eine kleine Geschichte des Humors”: Manfred Geier klärt „Worüber kluge Menschen lachen”
Es ist eines dieser Bücher, bei denen man lange über den Titel nachdenken kann. Beginnen wir mit dem Untertitel: „Kleine Philosophie des Humors”. Das klingt beunruhigend nach betulichen Reihen: „Kleine Philosophie des Tees” oder „Kleine Philosophie des Briefmarkensammelns”. Aber das ist hier nicht gemeint. Der Haupttitel verspricht mitzuteilen „Worüber kluge Menschen lachen”. Das mag diesen oder jenen zu der Frage veranlassen: „Wer ist ein kluger Mensch?” Näherhin, wen hat hier der Autor im Visier? Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis hilft weiter.
Im ersten Kapitel ist von Platon die Rede, im zweiten von Demokrit, im dritten von jenem Diogenes, der in der Tonne wohnte, und im vierten von Kant. Aber das Buch hat noch mehr Kapitel. In weiteren sind Sigmund Freud und Karl Valentin Hauptfiguren. Allein, das ändert nichts. Das Buch handelt von der Bedeutung des Lachens und des Lachenmachens - vulgo: der Witze und des Witzereißens - für die Philosophie. Ob Philosophen immer kluge Leute sind, kann man dahingestellt sein lassen. Aber dass in diesem Buch Philosophie richtig ernst genommen wird, steht außer Frage. Trotzdem ist es dem Autor gelungen, ein unterhaltsames Buch zu schreiben.
Vom Schaden und vom Spott
Vor allem kann der Autor mit einer regelrechten Entdeckung in der Philosophiegeschichte aufwarten. Wer bisher der Ansicht war, in der Philosophie gebe es keine Entdeckungen wie die Schwerkraft oder die Dampfmaschine, sieht sich hier mit präzisen Daten konfrontiert, die ein Vorher und ein Nachher unterscheiden. „Fast auf Jahre genau”, schreibt Manfred Geier, dem wir ein gutes Buch über Kant und ein akzeptables über Heidegger verdanken, ist „die Epoche zu begrenzen, in der das Superioritäts-Paradigma das philosophische Denken beherrschte. Sie begann etwa um 360 v. Chr. und endete im Dezember 1710.”
Das erste Datum spielt auf Platons Dialog „Philebos” an. Darin, so Geier, „wurden jene Menschen als lächerlich charakterisiert und abgewertet, die sich für wissend und vollkommen hielten.” Solcher Überlegenheitsdünkel ist freilich nur die intelligentere - philosophische! - Variante des schlichten Selbstbewusstseins der Leute, die all jene auslachen, die ihnen tatsächlich unterlegen sind und ein Missgeschick nach dem anderen erleiden. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, erläutert das Sprichwort das Superioritäts-Paradigma aus der Perspektive des Lachenden. So hat auch die berühmte thrakische Magd den in eine Grube stürzenden Thales ausgelacht, der immerhin einer die Sieben Weisen war.
Was aber geschah im Dezember 1710? Am 30. dieses Monats schrieb der englische Dichter und Philosoph Alexander Pope („The proper study of mankind is man”) in einem fingierten Brief an Oliver Cromwell: „Mit meinen Freunden bin ich im Lachen eines Sinnes, doch diejenigen, die nicht meine Freunde sind, lache ich aus.” Verkündet Geier: „Seitdem konnte das Lachen nicht mehr mit dem Auslachen gleichgesetzt werden.”
Das Schöne an Geiers Buch ist, dass er nun mit liebevoller Fürsorglichkeit, aber ohne pedantisch zu werden, das Neue, das er entdeckt hat, in seinen zarten Anfängen beobachtet und seine Entwicklung begleitet wie eine stolze Mutter das Wachstum ihres Sprösslings. „Es begann in Dublin” lautet der erste kurze Satz des Abschnitts, der uns mit Francis Hutcheson (1694 - 1746) bekannt macht. Dieser Moralphilosoph befand, Lachen habe wenig mit Überlegenheitsgefühl zu tun, die Ursache für das Lachen entdeckte er in dem komischen Gegensatz, der zwischen einem würdevollen Anspruch, einer Idee und einem alltäglichen Patzer auftreten kann. Was bei dieser Gelegenheit sichtbar wird, reizt zum Lachen. Wenn es Freunden geschieht, lachen wir mit ihnen, wenn es unsympathischen Figuren geschieht, lachen wir sie aus.
Witze ohne Theaterzettel
Die Engländer nannten solchen Lachgrund „incongruity”. Bei Kant lesen wir von „Ungereimtheiten”. Geier kommt weiter mit Schopenhauer, der sich nicht scheute, in seinem Hauptwerk „Die Welt als Wille und Vorstellung” zahlreiche Witze zu erzählen, „um die Inkongruenz zwischen Anschauung und Begriff in ihren beiden möglichen Richtungen bewusst zu machen.” Einer davon ist der über den Polizisten, der in einem Pariser Theater das Publikum beruhigen wollte, das vergeblich zu Beginn der Aufführung die Marseillaise erwartet hatte, und von der Bühne herab sagte, gespielt werden dürfe nur, was auf dem Programm stehe. Da bekam der Uniformierte aus dem Parkett zu hören: Und Sie, mein Herr, stehen Sie auf dem Theaterzettel? - Das ist hübsch, und Geier weiß es hübsch zu deuten: „Hier wuchs am Ende begrifflich zusammen, was anschaulich nicht zusammengehörte.” Und nun lernt man wirklich etwas, wenn man anhand dieses Fadens zu Freud und Valentin kommt.
Aber wenn Geier von hier aus noch einmal zurückgeblättert hätte zur ersten Hälfte seines Buchs, dann wäre ihm sicherlich ein Witz aus dem „Lachfreund” (Philogelos) der Griechen aufgefallen, den er dort zitiert und der von einem „scholastikos” handelt, also einem klugen , sich in tiefsinnigen Reden ergehenden Menschen: „Jemand kam zu einem Arzte, der ein Scholastikos war, und sagte: Herr Doktor, wenn ich vom Schlaf aufstehe, bin ich eine halbe Stunde schwindlig, und dann erst wird mir besser. Und der Arzt: Stehe eine halbe Stunde später auf.” Von hier kann man leicht zu den Beobachtungen kommen, die in Kants Ungereimtheiten angesprochen sind.
Allerdings ist hier Mitlachen und Auslachen schwer zu unterscheiden - schon Pope machte das ja von Sympathie oder Antipathie abhängig. Gleichviel, es waren die nach-aristophanischen Griechen der unpolitischen Gesellschaftskomödien, die wussten: ein guter Komödienschreiber muss ein exzellenter Philosoph sein. Von dem Witz dieser Komödien, deren bedeutendster Dichter Menander war und von denen wir nur noch wenige haben, zehren die Bühnen der westlichen Welt bis heute, seit langem auch schon die Filme. Über die Slapsticks lachen die klugen Leute seit eh und je. Aber nicht nur sie. Fürchten die Philosophen, die klugen Leute, gar den falschen Mitlacher? Geier sollte die Arbeit an seinem Thema fortsetzen.JÜRGEN BUSCHE
MANFRED GEIER: Worüber kluge Menschen lachen. Kleine Geschichte des Humors. Rowohlt Verlag, Hamburg 2006. 285 Seiten, 16,90 Euro.
Glucksen, Schmunzeln, Lachen - die Mimik-Büsten von Franz Xaver Messerschmidt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.07.2006Allen, die Spaß an der Freude haben
Sancho Pansa mahnte einmal Don Quijote, als der sich trübseligem Tiefsinn hingab: "Gnädiger Herr, die Traurigkeit ist zwar nicht für Tiere, sondern für Menschen gemacht, allein wenn die Menschen ihr über alles Maß nachhängen, so werden sie zu Tieren." Er wußte, daß Lachen den Mensch vom Tiere unterscheidet, eine volkstümliche Gewißheit, die auf Aristoteles zurückgeht. Dennoch hielten der Philosoph und mit ihm alle verständigen Griechen lautes Lachen jenseits der Jugend nicht für einen Ausdruck übermütiger Lebenslust, sondern tadelten es als Zeichen schlechter Erziehung und auffallender Vulgarität. Vom Lehrer des Aristoteles, von Platon, ist überliefert, nie übermäßig gelacht zu haben. Er bestätigte damit, nicht nur weise gewesen zu sein, sondern sich stets vornehm betragen zu haben.
Diesem Schöngeist und Aristokraten unter den Philosophen unterstellt Manfred Geier, das Lachen aus der Philosophie vertrieben zu haben ("Worüber kluge Menschen lachen". Kleine Philosophie des Humors. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006. 284 S., geb., 16, 90 [Euro]). Platons großer Einfluß verhinderte, wie Manfred Geier bedauert, ein kräftigeres Nachwirken des "lachenden Philosophen" Demokrit. Manfred Geier schwärmt für diesen klassischen Spaßvogel, von dem wir nicht viel wissen. Denn wer Spaß an der Freude hat, bestätige eine liebenswürdige Mitmenschlichkeit, die den Charme der Demokratie ausmacht. Allerdings könnte man mit vielen antiken Kritikern der allzu lustigen Nachdenklichkeit vermuten, daß sich im Lachen über die Torheiten der Menschen eine ungemeine Überheblichkeit und Unerzogenheit bekundet. Mögen alle Spinner sein, der einzige, der nicht spinnt, ist der, der über die anderen lacht.
Griechen oder Römern - vertraut mit den Frechheiten und Grobheiten der professionellen Komiker - mißfiel alles Übertriebene und Allzumenschliche. Dann war das Tierreich allzu nahe, von dem der wahre Mensch als schöner Mensch sich abwenden müsse. Der schöne Mensch lächelt, er strebt nach geistiger Anmut und besonnener Heiterkeit. Die Witzbolde Diogenes oder Demokrit mögen geistreiche Augenblicke gehabt haben, aber mit ihren Eigenwilligkeiten verletzten sie die Anmut und Höflichkeit. Sie blieben Sonderlinge, unbrauchbar für eine Lebenskultur, die nach innen strebte, zur Seelenschönheit, zur stillen Freude, die eine ernste Sache ist, weil mit dem guten Geschmack verbunden.
Vom Geschmack redet Manfred Geier nicht, obschon das Komische mit ihm zusammenhängt. Im Reich der schönen Sitten ist das Laute und Grelle verpönt. Dort herrschen die Freude und die Fröhlichkeit. Weil er diese sozialästhetischen Phänomene nicht beachtet, überspringt er das christlich-antike Mittelalter als eine witzlose Zeit. Abgesehen von Scholarenulk und ländlichem Klamauk, Klerikerscherzen und antiklerikalem Spott, steht die Freude, die allem Volk widerfahren wird, im Mittelpunkt der Verkündigung der "Frohen Botschaft". Zur Freude gehört das Fest. Im höfischen Fest findet die Aristokratie mit dem Herrscher der Welt zu ihrer realisierten Idealität, zum Dasein in Freude.
An den Hohenstaufern rühmte man ihr dauerndes, holdes Lächeln. Eleganz, Geistesgegenwart, Lebhaftigkeit, Freude - alle durch mäßigende Weltklugheit in Balance gehalten - ermöglichten jene Leichtigkeit, die zum guten Ton gehörte, zur höflichen Seelenschönheit beim Umgang mit Gott und der Welt. Leben von rückwärts gelesen bedeutet Nebel. Wer sich von den Undurchsichtigkeiten im Traum des Lebens nicht narren läßt, der gewinnt die hilaritas modesta, die besonnene Heiterkeit Christi, des wahren, schönen Menschen.
Wer nach Gründen für das Lachen sucht, ist nicht fröhlich. Das gab der spottlustige Voltaire zu bedenken, dem es nie gelang, sein Gesicht in liebenswürdiger Ruhe zu halten. Ihm genügte es, sich an Empfindung und Ahnung zu halten statt an dürre Begriffe. Manfred Geier läßt sich von dieser Warnung nicht schrecken und wird darüber zum Pedanten. Er macht sich im Sinne weltkluger, klassisch gebildeter Menschen des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts lächerlich.
Ein Bonmot von Sigmund Freud, daß ordentliche Professoren meist nichts Außerordentliches, und außerordentliche nichts Ordentliches geleistet hätten, nimmt er zum Anlaß umständlicher Überlegungen. Bei aller Freude an Begrifflichkeit verzichtete Manfred Geier dennoch darauf, Lachen, Witz, Ironie, Satire oder Humor voneinander zu scheiden. Er erwähnt, daß Humor eine bourgeoise Eigenschaft ist, dadurch historisch bedingt und begrenzt. Mit dem Bürgertum verschwindet der Humor, der bürgerliche Humor. Gleichwohl behandelt er den Begriff zeitlos, als hätte es Humor schon bei den alten Griechen gegeben. Dabei ist es ein Glück, daß Aristophanes kein bürgerlicher Humorist, etwa ein attischer Kotzebue, war.
Von Freud kennt Manfred Geier die Einsicht Goethes, daß der Witz immer ein Publikum braucht, also ein sozialgeschichtliches Phänomem ist. Nichts wird so rasch unverständlich wie ein gelungener Witz und damit das Lachen ferner Zeitgenossen. Der unvermeidlichen Historisierung seines Themas wich er aus. Das Humoristische hat keinen Halt und kein Gesetz in sich selbst, was Goethe nachdenklich machte, so daß es früher oder später in üble Laune ausarte oder zu Büchern führt, die der gewohnten Anmut ermangeln. "Auf ernstem Lebensgrunde zeigt sich das Heitere so schön", aber es muß einen Lebensgrund haben, der ihm hier verweigert wurde.
EBERHARD STRAUB
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Sancho Pansa mahnte einmal Don Quijote, als der sich trübseligem Tiefsinn hingab: "Gnädiger Herr, die Traurigkeit ist zwar nicht für Tiere, sondern für Menschen gemacht, allein wenn die Menschen ihr über alles Maß nachhängen, so werden sie zu Tieren." Er wußte, daß Lachen den Mensch vom Tiere unterscheidet, eine volkstümliche Gewißheit, die auf Aristoteles zurückgeht. Dennoch hielten der Philosoph und mit ihm alle verständigen Griechen lautes Lachen jenseits der Jugend nicht für einen Ausdruck übermütiger Lebenslust, sondern tadelten es als Zeichen schlechter Erziehung und auffallender Vulgarität. Vom Lehrer des Aristoteles, von Platon, ist überliefert, nie übermäßig gelacht zu haben. Er bestätigte damit, nicht nur weise gewesen zu sein, sondern sich stets vornehm betragen zu haben.
Diesem Schöngeist und Aristokraten unter den Philosophen unterstellt Manfred Geier, das Lachen aus der Philosophie vertrieben zu haben ("Worüber kluge Menschen lachen". Kleine Philosophie des Humors. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006. 284 S., geb., 16, 90 [Euro]). Platons großer Einfluß verhinderte, wie Manfred Geier bedauert, ein kräftigeres Nachwirken des "lachenden Philosophen" Demokrit. Manfred Geier schwärmt für diesen klassischen Spaßvogel, von dem wir nicht viel wissen. Denn wer Spaß an der Freude hat, bestätige eine liebenswürdige Mitmenschlichkeit, die den Charme der Demokratie ausmacht. Allerdings könnte man mit vielen antiken Kritikern der allzu lustigen Nachdenklichkeit vermuten, daß sich im Lachen über die Torheiten der Menschen eine ungemeine Überheblichkeit und Unerzogenheit bekundet. Mögen alle Spinner sein, der einzige, der nicht spinnt, ist der, der über die anderen lacht.
Griechen oder Römern - vertraut mit den Frechheiten und Grobheiten der professionellen Komiker - mißfiel alles Übertriebene und Allzumenschliche. Dann war das Tierreich allzu nahe, von dem der wahre Mensch als schöner Mensch sich abwenden müsse. Der schöne Mensch lächelt, er strebt nach geistiger Anmut und besonnener Heiterkeit. Die Witzbolde Diogenes oder Demokrit mögen geistreiche Augenblicke gehabt haben, aber mit ihren Eigenwilligkeiten verletzten sie die Anmut und Höflichkeit. Sie blieben Sonderlinge, unbrauchbar für eine Lebenskultur, die nach innen strebte, zur Seelenschönheit, zur stillen Freude, die eine ernste Sache ist, weil mit dem guten Geschmack verbunden.
Vom Geschmack redet Manfred Geier nicht, obschon das Komische mit ihm zusammenhängt. Im Reich der schönen Sitten ist das Laute und Grelle verpönt. Dort herrschen die Freude und die Fröhlichkeit. Weil er diese sozialästhetischen Phänomene nicht beachtet, überspringt er das christlich-antike Mittelalter als eine witzlose Zeit. Abgesehen von Scholarenulk und ländlichem Klamauk, Klerikerscherzen und antiklerikalem Spott, steht die Freude, die allem Volk widerfahren wird, im Mittelpunkt der Verkündigung der "Frohen Botschaft". Zur Freude gehört das Fest. Im höfischen Fest findet die Aristokratie mit dem Herrscher der Welt zu ihrer realisierten Idealität, zum Dasein in Freude.
An den Hohenstaufern rühmte man ihr dauerndes, holdes Lächeln. Eleganz, Geistesgegenwart, Lebhaftigkeit, Freude - alle durch mäßigende Weltklugheit in Balance gehalten - ermöglichten jene Leichtigkeit, die zum guten Ton gehörte, zur höflichen Seelenschönheit beim Umgang mit Gott und der Welt. Leben von rückwärts gelesen bedeutet Nebel. Wer sich von den Undurchsichtigkeiten im Traum des Lebens nicht narren läßt, der gewinnt die hilaritas modesta, die besonnene Heiterkeit Christi, des wahren, schönen Menschen.
Wer nach Gründen für das Lachen sucht, ist nicht fröhlich. Das gab der spottlustige Voltaire zu bedenken, dem es nie gelang, sein Gesicht in liebenswürdiger Ruhe zu halten. Ihm genügte es, sich an Empfindung und Ahnung zu halten statt an dürre Begriffe. Manfred Geier läßt sich von dieser Warnung nicht schrecken und wird darüber zum Pedanten. Er macht sich im Sinne weltkluger, klassisch gebildeter Menschen des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts lächerlich.
Ein Bonmot von Sigmund Freud, daß ordentliche Professoren meist nichts Außerordentliches, und außerordentliche nichts Ordentliches geleistet hätten, nimmt er zum Anlaß umständlicher Überlegungen. Bei aller Freude an Begrifflichkeit verzichtete Manfred Geier dennoch darauf, Lachen, Witz, Ironie, Satire oder Humor voneinander zu scheiden. Er erwähnt, daß Humor eine bourgeoise Eigenschaft ist, dadurch historisch bedingt und begrenzt. Mit dem Bürgertum verschwindet der Humor, der bürgerliche Humor. Gleichwohl behandelt er den Begriff zeitlos, als hätte es Humor schon bei den alten Griechen gegeben. Dabei ist es ein Glück, daß Aristophanes kein bürgerlicher Humorist, etwa ein attischer Kotzebue, war.
Von Freud kennt Manfred Geier die Einsicht Goethes, daß der Witz immer ein Publikum braucht, also ein sozialgeschichtliches Phänomem ist. Nichts wird so rasch unverständlich wie ein gelungener Witz und damit das Lachen ferner Zeitgenossen. Der unvermeidlichen Historisierung seines Themas wich er aus. Das Humoristische hat keinen Halt und kein Gesetz in sich selbst, was Goethe nachdenklich machte, so daß es früher oder später in üble Laune ausarte oder zu Büchern führt, die der gewohnten Anmut ermangeln. "Auf ernstem Lebensgrunde zeigt sich das Heitere so schön", aber es muß einen Lebensgrund haben, der ihm hier verweigert wurde.
EBERHARD STRAUB
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Mit Platons geistesgeschichtlichem Sieg über den "lachenden Philosophen" Demokrit verlor die Philosophie ihren Humor, weiß Mario Scalla in seiner Besprechung dieser kleinen Geschichte des Humors zu erzählen, die der Hamburger Sprachwissenschaftler Manfred Geier vorgelegt hat. Darin berichtet er nicht nur von den antiken Humor-Konfrontationen, er schildert auch, welche Bedeutung die verschiedenen Philosophen dem Humor jeweils beigemessen haben. Außerdem bietet er auch etliche Beispiele von Witzen, über die sich Rabelais, Kant oder Schopenhauer amüsieren konnten. Heute, muss Scall jedoch einräumen, zünden die meisten Pointen kaum noch. Aber auch dafür hat Geier eine Erklärung parat, er unterscheidet drei Grundlagen des Humors, die Superioritätstheorie, die Inkongruenztheorie und die Enspannungstheorie. Nach der ersten wird aus einem Gefühl der Überlegenheit gelacht, bei der zweiten dient Woody Allen als Beispiel mit seiner Frage, wieso er Hausaufgaben machen soll, wo doch das Weltall expandiere, und die dritte erklärt sich aus den derzeitig grassieren Comedies. Das Problem für Scalla ist, dass dies alles zwar sehr instruktiv sein mag, dem Humor mit einer solchen "trockenen Philologie" aber nicht recht beizukommen sei. Was erkläre es schon, dass Karl Valentins Witz darin bestehe, dass er den "indefiniten Gehalt der Adverbien auflöst"?
© Perlentaucher Medien GmbH
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