Streitkräfte finden vermehrt Verwendung für die über- und die innerstaatliche Bedrohungsebene, nicht mehr aber für die zwischenstaatliche, für die sie primär geschaffen wurden. In dem Maße, wie die staatliche Existenzbedrohung entfällt und wie als Folge neuartiger Gefährdungspotentiale die Gesellschaften als Ganzes hochgradig verwundbar werden, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis des Staates zu seinen Sicherheitsinstitutionen neu. Die herkömmliche Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit ist obsolet gewordem. Die staatlichen Sicherheitsinstitutionen müssen auf die neuen inner- und überstaatlichen Verwendungszwecke ausgerichtet werden. Die von ihrer Handlungslogik her ungleichen Rollenmodelle von Militär und Polizei diffundieren, ihre Organisationslogiken hingegen konvergieren: Die Streitkräfte erfahren operativ eine "Verpolizeilichung", die Polizei eine Militarisierung. Diese Prozesse werden in den Beiträgen dieses Sammelbandes, der sich an sicherheitspolitische Beobachter und Analysten wie auch an die praktisch Beteiligten in diesen Entwicklungen richtet, von Autorinnen und Autoren verschiedener europäischer Länder ausführlich dargestellt und diskutiert.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Der hier rezensierende Schweizer Sicherheitspolitiker Hans Widmer findet, dass sich zumindest "alle sicherheitspolitischen Entscheidungsträger" diesen Sammelband zu Gemüte führen sollten - obwohl er "verwirrlich viele Aspekte zum Thema" behandelt und obwohl die Herausgeber Karl W. Haltiner, Gerhard Kümmel eine nach Einschätzung des Rezensenten sehr zentrale Thematik ausgelassen haben. Mit dieser Thematik meint Widmer die verschwimmende Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheitspolitik, mit der sich die europäischen Armeen immer stärker auseinander setzen müssen. Trotzdem hält er das Buch für einen wichtigen Beitrag zu einer sachlichen Diskussion - denn die ungeachtet ideologischer Verwurzelungen und offensichtlich vorhandener gedanklicher Barrieren zu führen, hält der Rezensent angesichts der politischen Rahmenbedingungen heute für wichtiger denn je.
© Perlentaucher Medien GmbH
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