Marktplatzangebote
21 Angebote ab € 0,50 €
  • Gebundenes Buch

Silvester in einer kleinen Stadt: Vera geht schwimmen. Es ist ihr 46. Geburtstag, zu Hause warten wie jedes Jahr ihr Mann, ihr Sohn und ihre Freunde, um gemeinsam zu feiern. Da findet sie im Schwimmbad den Ausweis einer anderen Frau und haut ab. Nach London, wo sie sich mehr erhofft, als ihr bisheriges Leben ihr bieten konnte. Am selben Tag feiert Friedrich Wünsche die Wiedereröffnung seines Warenhauses. Er hat es geerbt und hegt große Träume. Was wäre ein besserer Ort für Utopien als das »Haus Wünsche«?'Wünsche' erkundet, ob ein besseres Leben möglich wäre. Ob man nach dem Neuanfang ein…mehr

Produktbeschreibung
Silvester in einer kleinen Stadt: Vera geht schwimmen. Es ist ihr 46. Geburtstag, zu Hause warten wie jedes Jahr ihr Mann, ihr Sohn und ihre Freunde, um gemeinsam zu feiern. Da findet sie im Schwimmbad den Ausweis einer anderen Frau und haut ab. Nach London, wo sie sich mehr erhofft, als ihr bisheriges Leben ihr bieten konnte. Am selben Tag feiert Friedrich Wünsche die Wiedereröffnung seines Warenhauses. Er hat es geerbt und hegt große Träume. Was wäre ein besserer Ort für Utopien als das »Haus Wünsche«?'Wünsche' erkundet, ob ein besseres Leben möglich wäre. Ob man nach dem Neuanfang ein anderer ist - oder nur um eine Lebenslüge leichter. Vera und die anderen Geburtstagsgäste, die sich einen Silvesterabend lang Sorgen um sie machen, erwartet ein Jahr voller Veränderung.
Autorenporträt
Judith Kuckart, geboren 1959 in Schwelm (Westfalen), lebt als Autorin und Regisseurin in Berlin und Zürich. Sie veröffentlichte bei DuMont den Roman 'Lenas Liebe' (2002), der 2012 verfilmt wurde, den Erzählband 'Die Autorenwitwe' (2003), die Neuausgabe ihres Romans 'Der Bibliothekar' (2004) sowie die Romane 'Kaiserstraße' (2006), 'Die Verdächtige' (2008), 'Wünsche' (2013), 'Dass man durch Belgien muss auf dem Weg zum Glück' (2015) und 'Kein Sturm, nur Wetter' (2019). Judith Kuckart wurde mit zah
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Geduldig lässt sich Rezensentin Meike Fessmann auf diesen neuen Roman Judith Kuckarts ein. Sie schildert seinen Blick auf London, und mehr noch auf die deutsche Provinz, seine Klugheit in Lebensfragen, seine zärtlichen Momente, sie stellt alle sechs Protagonisten vor und deutet manches über die nicht unkomplexen Verwicklungen und -strickungen an - aber so ganz glücklich wird sie mit all dem nicht. Zu unverbunden steht es ihr da, zu gekittet und unwahrscheinlich scheinen ihr manche unfertige Handlungsstränge. Viel Schönes, viele Ansätze, aber kein sinnvolles Ganzes liefert ihr die Autorin.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2013

Am nicht enden wollenden Silvestermorgen

Judith Kuckarts neuer Roman "Wünsche" erzählt auf angenehm zurückhaltende Weise vom Versuch einer Frau, aus dem eigenen Leben auszubrechen.

Dass man sein altes Leben an einem Silvestermorgen verlässt, beruht auf einer gewissen Logik. Diese merkwürdig gedämpften, aus der Zeit gefallenen Stunden scheinen wie ein Schlupfloch, durch das man verschwinden kann, um gerade noch rechtzeitig mit Beginn des neuen Jahres in einem besseren Leben anzukommen.

Im Falle von Vera, der Protagonistin von Judith Kuckarts neuem Roman "Wünsche", mag es noch einen anderen Grund dafür geben, dass sie diesen Moment wählt, um ihrem westdeutschen Heimatstädtchen den Rücken zu kehren. Es ist Veras sechsundvierzigster Geburtstag, und sie entgeht auf diese Weise dem immer gleichen Ritual, das ihr Mann am Silvesternachmittag zelebriert und das - in bedrückender, womöglich auch in zynischer Weise - Veras Vergangenheit spiegelt. Jahr für Jahr versammeln sich Bekannte und Freunde in dem kleinen Bungalow, man isst Hackepeterbrötchen und schaut gemeinsam den immer gleichen Film.

Vera hat als Jugendliche eine Hauptrolle in diesem mittlerweile mehr als drei Jahrzehnte alten Streifen gespielt: ein struppiges Mädchen aus einer ärmlichen Randsiedlung der Stadt. Als dieses mit dem Charme des Verwilderten behaftete Wesen wurde sie vom Regisseur auf der Straße entdeckt - und als dieses Mädchen wurde sie damals auch von Karatsch und seiner Frau Suse als Pflegekind aufgenommen. Mittlerweile ist Suse gestorben, und mittlerweile sind Karatsch und Vera ein Paar, der gemeinsame Sohn ist unlängst zwanzig geworden. Wie und vor allem wann genau es zu dieser Liaison zwischen Pflegevater und Pflegekind gekommen ist, bleibt im Dunkeln.

Judith Kuckart ist eine angenehm zurückhaltende Erzählerin, deren reduzierter Gestus nur allzu gut zu der Stille und bisweilen trüben Stimmung einer Kleinstadt passt (ohne dass der Ton dadurch selbst trübe würde). Und so wird nie ausgesprochen, noch nicht einmal wirklich angedeutet, was sich unheilvoll im Hintergrund abzeichnet oder zumindest abzeichnen könnte.

Womöglich ist Vera auch gar nicht so irrsinnig unglücklich mit ihrem Leben, und dass sie beim Schwimmbadbesuch die Tasche einer anderen Frau, samt deren Kleidung und Ausweis, stiehlt und den nächsten Flug nach London nimmt, beruht womöglich auf nicht viel mehr als einer Eingebung, die ihr angesichts des Silvestermorgens und der monotonen Aussicht auf die Hackepeterbrötchen und die von Karatsch inszenierte Filmsichtung gekommen ist.

Genauso wenig wie Kuckart wirklich Einblicke in Veras Vergangenheit und in ihre Motivation zum Fortgehen gewährt, lässt sie den Leser an ihrem Versuch teilhaben, in London ein neues Leben zu beginnen. Nur kurz erfährt man davon, wie Vera, durch einen Zufall, bei einem jungen Soldaten Unterschlupf findet. Stattdessen erzählt Judith Kuckart von den Menschen, die in der kleinen Stadt zurückbleiben und die alle etwas mit Veras Vergangenheit zu tun haben. Oder, um es genauer zu sagen: von denjenigen, die ihren Ausbruchsversuch schon hinter sich haben.

Friedrich Wünsche etwa, der seit Kindertagen heimlich für Vera schwärmt, ist nach gescheiterter Ehe zurückgekehrt, um das leidlich florierende Kaufhaus seiner Familie zu übernehmen. So wie Karatsch in seinen alljährlichen Filmvorführungen die Zeit für eine Weile zurückdreht, versucht auch Friedrich, eine alte Zeit heraufzubeschwören: Wenn das Kaufhaus erst wieder so aussieht wie früher, mit einer Drehtür und antikem Verkaufstisch, dann werden die Geschäfte wieder besser laufen, glaubt er. Friedrichs Schwester Meret, ehemals eine enge Freundin von Vera, hat ebenfalls bereits versucht, in ein anderes Leben überzuwechseln: als Frau und Compagnon eines Imbisswagenbesitzers vor dem Kieler Hauptbahnhof. Diese von außen betrachtet wenig attraktive Alternative passt zu der extrovertierten Meret, von der man nie recht weiß, ob sie ihren Eigensinn und eine gewisse Verrücktheit nur spielt, um sich selbst ein wenig zu unterhalten. Aber auch sie kehrte schließlich zurück. Vermutlich ist man deshalb kaum überrascht, dass auch Veras Flucht nur ein vorübergehendes Intermezzo darstellt.

Judith Kuckart arbeitet, auf unaufdringliche Weise, mit den Mitteln des Provinzromans, oder eher: des Romans aus der mittleren Provinz. Die sozialen Beziehungen sind in dieser Kleinstadt nicht unerträglich eng, aber verwoben ist man doch irgendwie miteinander, man kennt sich von früher, man hat mal füreinander geschwärmt, man arbeitet sich und seine Konflikte aneinander ab. Viele wollen hinaus aus diesen engen Bindungen, zugleich aber sind sie die eigentliche Basis, die das Leben grundiert und stabilisiert.

"Weg bin ich", sagt Vera gegen Ende des Romans, "wegen all der Leute hier, die ich schon so lange kenne. Aus dem gleichen Grund bin ich wieder zurückgekommen. Ich dachte immer, das ist schlimm, dass ich bei uns nur die sein kann, die alle kennen. Jetzt weiß ich, genau die kann ich nur sein."

Das melancholische Flair, das über alldem liegt, entsteht dadurch, dass Kuckart eben nicht über das Ausbrechen erzählt, sondern über dessen Scheitern. Nicht nur ein Provinzroman also ist "Wünsche", sondern eine Art später Entwicklungsroman: Die Möglichkeiten, die den jungen Helden solcher Romane für gewöhnlich offenstehen, hat eine sechsundvierzigjährige Frau wie Vera nicht mehr. Die Männer, die ihr begegnen, sind alle ein wenig zu jung, um mit ihr in ein Abenteuer oder gar einen Neuanfang zu wagen. Und auch in allen anderen Belangen sind die Aussichten begrenzt, und Vision ist kaum vorhanden. Diese Einsicht hat für Vera nicht eigentlich etwas Verzweifeltes, wohl aber begleitet ein Hauch Resignation die Einsicht, dass Aufbegehren zunächst einmal eines macht: einsam. Und dass die Möglichkeiten begrenzt sind.

Genauso wähnt Friedrich Wünsche, der die Hoffnung auf die Erfüllung des anderen doch sogar im Nachnamen trägt, sein Glück und das Glück seiner Kunden nicht im Fortschritt, sondern in der Simulation einer heilen Vergangenheit. Vielleicht ist es diesem allenfalls diffusen Streben ins Zukünftige geschuldet, dass Judith Kuckarts Roman phasenweise ein wenig zerfasert erscheinen mag, zerdehnt, wie ein nicht enden wollender Silvestermorgen. Diese Langsamkeit aber, genauso wie der Blick auf das Nebensächliche, das sich nicht zum Bedeutsamen auswachsen wird, fängt nur allzu gut das traurige Lebensgefühl einer Zeit ein, in der das Wünschen nicht mehr sonderlich viel hilft.

WIEBKE POROMBKA

Judith Kuckart: "Wünsche". Roman.

DuMont Buchverlag, Köln 2013. 301 S., geb., 19,99 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr