Die amerikanische Schriftstellerin Carson McCullers (1917 - 1967) ist vor allem durch ihre Romane „Das Herz ist ein einsamer Jäger“ und „Uhr ohne Zeiger“ bekannt geworden. Dieses Schicksal, an ein oder zwei Hauptwerken festgemacht zu werden, teilt sie mit vielen Autoren.
Neben ihren weltberühmten
Romanen hat McCullers jedoch ihr Leben lang Erzählungen geschrieben. Sie nehmen auch eine zentrale…mehrDie amerikanische Schriftstellerin Carson McCullers (1917 - 1967) ist vor allem durch ihre Romane „Das Herz ist ein einsamer Jäger“ und „Uhr ohne Zeiger“ bekannt geworden. Dieses Schicksal, an ein oder zwei Hauptwerken festgemacht zu werden, teilt sie mit vielen Autoren.
Neben ihren weltberühmten Romanen hat McCullers jedoch ihr Leben lang Erzählungen geschrieben. Sie nehmen auch eine zentrale Stellung in ihrem Werk ein, denn in ihren Erzählungen hat McCullers häufig die Motive ihrer Romane vorweggenommen und dabei immer wieder variiert.
Insgesamt 23 Erzählungen hat McCullers geschrieben, in denen sie einzelne Individuen und ihre Sehnsüchte und seelischen Isolierungen beleuchtete. Meist sind es Sonderlinge und rätselhafte Vorkommnisse, die dem Leser hier begegnen. Im Diogenes Verlag ist nun eine Auswahl ihrer besten Erzählungen erschienen.
Ihre erste Erzählung „Wunderkind“ schrieb McCullers bereits mit sechzehn Jahren. Die 1936 in der New Yorker Zeitschrift „Story“ veröffentlichte Geschichte erzählt von der 15jährigen Schülerin Frances, der eine große Karriere als Pianistin vorausgesagt wird. Ihr Klavierlehrer setzt all seine Hoffnungen in sie - bis das Mädchen plötzlich erkennt, dass ihr Talent nicht ausreicht. Die Geschichte ist stark autobiografisch gefärbt, denn McCullers wollte selbst Pianistin werden und sie war selbst eine früh Gefeierte.
Die Erzählung „Madame Zilensky und der König von Finnland“ (1941) ist eine der schönsten Künstlernovellen der Literatur. Madame Zilensky ist eine hervorragende Komponistin, doch warum erzählt die liebenswürdige Exzentrikerin den ganzen Tag Lügengeschichten? Und was hat es mit ihren Geschichten über den König von Finnland auf sich?
In „Ein Baum, ein Felsen, eine Wolke“ (1942) erklärt ein rätselhafter, verwahrloster Mann in einem Nachtcafé einem zwölfjährigen Jungen, wie Liebe anfangen sollte: „Alle fangen die Liebe am falschen Ende an. Sie fangen beim Höhepunkt an. Kann man sich da wundern, dass es unglücklich ausgeht?“
Die letzte Geschichte „Sucker“ des Auswahlbandes, erst 1963 erschienen, ist ähnlich wie „Wunderkind“ jedoch ein Frühwerk von McCullers. Sie erzählt darin von dem stillen, schüchternen Jungen Sucker, der Vollwaise ist und der sich an den vier Jahre älteren Pete klammert. Als dieser sich zu einem Mädchen hingezogen fühlt, bricht für Sucker eine Welt zusammen.
Der Auswahlband „Wunderkind“ ist eine wunderbare Ergänzung zu der kürzlich ebenfalls im Diogenes Verlag erschienenen vierbändigen Edition der Romane von Carson McCullers. Gleichzeitig gibt es hier auch ein gleichnamiges Hörbuch mit vier Audio-CDs, wo Elke Heidenreich die schönsten Erzählungen liest.
Manfred Orlick