Die völlig überarbeitete, erweiterte und durchgehend vierfarbig gestaltete Neuauflage dieses opulenten Bildbandes über die bizarre Wunderwelt der Käfer beginnt damit, wie die Käfer schon sehr früh in der Kulturgeschichte des Menschen das künstlerische Schaffen, ja sogar Poeten und Maler inspiriert haben. Es folgen mehrere Kapitel über Körperbau, Stammesgeschichte, extreme Lebensräume, körperliche und physiologische "Spitzenleistungen" und über das unglaubliche Verhalten der Käfer. Faszinierend sind die vielfältige Ernährungs- und Lebensweise sowie Nutzen und Schaden, den Käfer anrichten. Außerdem spielen Käfer in der Volksmedizin und im medizinischen Aberglauben eine große Rolle.
Ein Buch, das einen in den Bann zieht und immer wieder bewusst macht, dass wir nicht allein in dieser Welt existieren, sondern von sehr sonderbaren Lebewesen umgeben sind.
Ein Buch, das einen in den Bann zieht und immer wieder bewusst macht, dass wir nicht allein in dieser Welt existieren, sondern von sehr sonderbaren Lebewesen umgeben sind.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.07.2002Schattengestalten
Woran mag Bram Stoker gedacht haben, als er die Physiognomie seines Dracula entwarf? Oder Roman Polanski, als er seinen Professor Abronsius in die Karpaten schickte, um den Grafen Krolock zu vernichten, diesen snobistischen Obervampir, der nach Blut lechzte und besser Bescheid wissen wollte über Fledermäuse als der Königsberger Gelehrte?
Fledermäuse, das läge freilich nahe. Vielleicht aber hatten Stoker und Polanski andere feingliedrige Wesen im Sinn. Wie noch sagt Chagal, der selbst zum Nachtgewächs mutierte Wirt aus dem „Tanz der Vampire”, nachdem er seine Magd bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt hat: „Willst wohl toter Käfer spielen?” Wer die Sammlung von Käferfotos durchblättert, die Bernhard Klausnitzer seinem Buch über die „Wunderwelt der Käfer” beigefügt hat, mag sich so manches Mal an das Schauerreich der Untoten erinnert fühlen ( Wunderwelt der Käfer. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg und Berlin 2002. 238 Seiten, 49,95 Euro).
Der Hummelbock etwa, mit seinen schwarzen und weißen Härchen, den spitzen Flügeldecken und zittrig tastenden Antennen – die Kameratechnik des Fotografen Manfred Förster verdoppelt ihn zur Schattengestalt, ein Nosferatu wie aus einem alten Murnau-Film. Dabei ist dieser dem chilenischen Hochland entstammende Käfer bloß zwei Zentimeter groß und eigentlich nicht gefährlich. Überhaupt will uns Klausnitzer in seiner Neubearbeitung der „Wunderwelt” keineswegs Angst einjagen, sondern die Schönheit der Käfer zeigen. Das gelingt ihm, wenn er ihre Gestalt und ihre Sinnesleistungen erklärt, ihre Ernährung und ihre Stammesgeschichte., wenn er Poeten und Maler, Philosophen, Musiker und Forscher zitiert. Einer von ihnen, der englische Arzt Thomas Mouffet, mag etwas geahnt haben von der heimlichen Verwandtschaft zwischen Käfern und Vampiren. So schreibt er über den Hummelbock: „Er hat einen breiten Kopf und große Ochsenaugen. Der Mund ist gegabelt und schrecklich anzusehen, wenn die zwei sehr starken Zähne offen stehen.”
nibl
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Woran mag Bram Stoker gedacht haben, als er die Physiognomie seines Dracula entwarf? Oder Roman Polanski, als er seinen Professor Abronsius in die Karpaten schickte, um den Grafen Krolock zu vernichten, diesen snobistischen Obervampir, der nach Blut lechzte und besser Bescheid wissen wollte über Fledermäuse als der Königsberger Gelehrte?
Fledermäuse, das läge freilich nahe. Vielleicht aber hatten Stoker und Polanski andere feingliedrige Wesen im Sinn. Wie noch sagt Chagal, der selbst zum Nachtgewächs mutierte Wirt aus dem „Tanz der Vampire”, nachdem er seine Magd bis auf den letzten Tropfen ausgesaugt hat: „Willst wohl toter Käfer spielen?” Wer die Sammlung von Käferfotos durchblättert, die Bernhard Klausnitzer seinem Buch über die „Wunderwelt der Käfer” beigefügt hat, mag sich so manches Mal an das Schauerreich der Untoten erinnert fühlen ( Wunderwelt der Käfer. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg und Berlin 2002. 238 Seiten, 49,95 Euro).
Der Hummelbock etwa, mit seinen schwarzen und weißen Härchen, den spitzen Flügeldecken und zittrig tastenden Antennen – die Kameratechnik des Fotografen Manfred Förster verdoppelt ihn zur Schattengestalt, ein Nosferatu wie aus einem alten Murnau-Film. Dabei ist dieser dem chilenischen Hochland entstammende Käfer bloß zwei Zentimeter groß und eigentlich nicht gefährlich. Überhaupt will uns Klausnitzer in seiner Neubearbeitung der „Wunderwelt” keineswegs Angst einjagen, sondern die Schönheit der Käfer zeigen. Das gelingt ihm, wenn er ihre Gestalt und ihre Sinnesleistungen erklärt, ihre Ernährung und ihre Stammesgeschichte., wenn er Poeten und Maler, Philosophen, Musiker und Forscher zitiert. Einer von ihnen, der englische Arzt Thomas Mouffet, mag etwas geahnt haben von der heimlichen Verwandtschaft zwischen Käfern und Vampiren. So schreibt er über den Hummelbock: „Er hat einen breiten Kopf und große Ochsenaugen. Der Mund ist gegabelt und schrecklich anzusehen, wenn die zwei sehr starken Zähne offen stehen.”
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Dieses schöne Buch ist ein gefundes Fressen für Wolfgang Müller und seine Kolumne "Bücher für Randgruppen": Käfer sind die artenreichste Tiergruppe der Welt, berichtet Müller fasziniert, seien aber stark vom Großstadtleben bedroht. Der Autor verhandele elegant Naturwissenschaftliches und Kulturgeschichtliches im Wechsel, lobt er, wisse von Präparierungstechniken und (eupoäischen!) Kochrezepten zu berichten und warte mit schönen Farbabbildungen auf, die den Käfer zum Kunstmotiv erklären. Alles in allem, resümiert Müller, sei der Mensch mit den Käfern nie "ganz warm" geworden, wie sich ja auch bei Edgar Allan Poe oder Franz Kafka nachvollziehen lasse. Ihm aber nun ist das Herz gewärmt, so dass jeder kleine Käfer von ihm zukünftig liebevoll beäugt werden dürfte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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