1913 schrieb Paul Zech einer verlassenen Geliebten Gedichte - dem so sehr vermißten und gleichzeitig verfluchten Wuppertal. "Sonette aus dem Exil" nannte er sie, denn ein Jahr zuvor hatte es ihn aus der Enge der Industriemetropole Richtung Berlin verschlagen. 1925 weinte er seiner alten Heimat (bis 1929 noch Elberfeld und Barmen) eine Liebeserklärung in Prosa hinterher. Sie gehört zum Schönsten und zugleich Boshaftesten, was je über die "Fabrikstädte an der Wupper" und die Region geschrieben wurde. Über die bewaldeten Höhen und Abgründe des Bergischen Landes. Über Wuppertal, Remscheid und Solingen, die Schwebebahn und die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands, Wunderwerke der Technik. Über Warenhäuser, Fabriken und Färbereien, Moder und Moderne, Wälder und Wupper und Wicküler Pils.
Paul Zechs hier gesammelte Prosa und Lyrik sind Zwillingsgeschwister von Else Lasker-Schülers seelenverwandten poetischen Stadtbildern: dem berühmten Schauspiel "Die Wupper" (1909), der verklärenden Sehnsuchtsprosa in "Konzert" (1932). Zech und Lasker-Schüler widmeten sich Texte, und noch von seinem Zufluchtsort Buenos Aires aus schrieb Zech ihre Freundschaft fort. In einem hier erstmals publizierten Text setzt er ihr ein Denkmal und verknüpft ihre Lebensgeschichten - die Kindheit, den Besuch der Dichterin mit Kokoschka und Herwarth Walden in der Geburtsstadt sowie ein - allerdings frei erfundenes - Kapitel ihrer Flucht 1933: Aus Berlin geflohen, kehrt Else Lasker-Schüler darin ein letztes Mal ins Wuppertal zurück, ans Grab ihrer Eltern, unter dem Schutz von Zech und seinem Onkel, ehe sie ihre Reise ins Schweizer Exil fortsetzt. Das Bild von Paul Zech (1891-1946) verschwimmt in einem undurchsichtigen Gewirr aus Legenden und Lügen, Plagiat und Hochstaplerei. Er profilierte sich im Expressionismus mit Prosa aus dem Industriearbeiter- und Bergbaumilieu, markanten Großstadt- und Tiergedichten, wandte sich gegen Nationalsozialismus und Krieg. 1933 verließ er, die Kriminalpolizei aufden Fersen, Deutschland und wanderte nach Argentinien aus, auf das er sich auch als Erzähler einließ. Zech hat Weltliteratur geschrieben - als Nachdichter von Rimbaud, Villon und Louise Labé.
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Paul Zechs hier gesammelte Prosa und Lyrik sind Zwillingsgeschwister von Else Lasker-Schülers seelenverwandten poetischen Stadtbildern: dem berühmten Schauspiel "Die Wupper" (1909), der verklärenden Sehnsuchtsprosa in "Konzert" (1932). Zech und Lasker-Schüler widmeten sich Texte, und noch von seinem Zufluchtsort Buenos Aires aus schrieb Zech ihre Freundschaft fort. In einem hier erstmals publizierten Text setzt er ihr ein Denkmal und verknüpft ihre Lebensgeschichten - die Kindheit, den Besuch der Dichterin mit Kokoschka und Herwarth Walden in der Geburtsstadt sowie ein - allerdings frei erfundenes - Kapitel ihrer Flucht 1933: Aus Berlin geflohen, kehrt Else Lasker-Schüler darin ein letztes Mal ins Wuppertal zurück, ans Grab ihrer Eltern, unter dem Schutz von Zech und seinem Onkel, ehe sie ihre Reise ins Schweizer Exil fortsetzt. Das Bild von Paul Zech (1891-1946) verschwimmt in einem undurchsichtigen Gewirr aus Legenden und Lügen, Plagiat und Hochstaplerei. Er profilierte sich im Expressionismus mit Prosa aus dem Industriearbeiter- und Bergbaumilieu, markanten Großstadt- und Tiergedichten, wandte sich gegen Nationalsozialismus und Krieg. 1933 verließ er, die Kriminalpolizei aufden Fersen, Deutschland und wanderte nach Argentinien aus, auf das er sich auch als Erzähler einließ. Zech hat Weltliteratur geschrieben - als Nachdichter von Rimbaud, Villon und Louise Labé.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2014Wuppertal, ich komm aus dir!
Paul Zechs wahre und erfundene Begegnungen mit Else Lasker-Schüler
Wuppertal und Else Lasker-Schüler. Keine andere deutsche Großstadt wird literarisch so stark mit einem einzigen Schriftsteller identifiziert. Das Schauspiel "Die Wupper", im Jahr 1908 entstanden, befreit die Wirkkräfte der Phantasie hinter den grauen Fassaden und setzt die Nachtigall auf den Färberbottich. Das ist unübertroffen, auch Paul Zech, der von 1901 bis 1912 in Barmen und Elberfeld lebte, kann daran nicht rütteln. Seine Ansichten von Wuppertal, die Christoph Haacker aus wenig oder noch gar nicht bekannten Texten, Prosa wie auch Lyrik, zusammengestellt hat, sind der Dichterfreundin verpflichtet, der er immer wieder, als Vorbild wie als Cicerone, die Reverenz erweist.
Knapp und expressionistisch gedrängt, "seine Verse sind mit der Axt geschrieben", so Else Lasker-Schüler über Zech, doch ohne deren poetischen Überschuss: "Es gibt auf der Welt keinen Fleck, wo der Boden so fruchtbar ist an eigenwilligen Kreaturen." Zech, 1881 in Westpreußen geboren, ist im Bergischen Land - auch Remscheid widmet er ein Feuilleton, der Müngstener Brücke ein Gedicht - zum Schriftsteller geworden: Hierher hat er sich, als er 1912, achtzehn Jahre nach dem "Prinzen Jussuf von Theben", nach Berlin gezogen war, zurückgesehnt, hier hat er, ein Hochstapler, der sich zum "Arbeiterdichter" stilisierte, Anlauf genommen für seine Nach-, besser: Neudichtungen der "lasterhaften Balladen und Lieder" von François Villon, die 1931 herauskamen, ihn aber erst nach seinem Tod - 1946 in Buenos Aires - berühmt machten. Von seinen drei "Begegnungen mit Else Lasker-Schüler" sind zwei frei erfunden: Wie Zech die "Stadt des Knorrigen und Subtilen, des kunterbunt Gemischten, des Sturen und des Schwebenden" charakterisiert, trifft aber ihre Milieus und Mentalitäten und ist in vielem noch immer farbige Gegenwart.
aro.
Paul Zech: "Wuppertal. Bergische Dichtungen, Begegnungen mit Else Lasker-Schüler". Herausgegeben von Christoph Haacker.
Arco Verlag, Wuppertal und Wien 2013. Abb., 52 S., 12,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Paul Zechs wahre und erfundene Begegnungen mit Else Lasker-Schüler
Wuppertal und Else Lasker-Schüler. Keine andere deutsche Großstadt wird literarisch so stark mit einem einzigen Schriftsteller identifiziert. Das Schauspiel "Die Wupper", im Jahr 1908 entstanden, befreit die Wirkkräfte der Phantasie hinter den grauen Fassaden und setzt die Nachtigall auf den Färberbottich. Das ist unübertroffen, auch Paul Zech, der von 1901 bis 1912 in Barmen und Elberfeld lebte, kann daran nicht rütteln. Seine Ansichten von Wuppertal, die Christoph Haacker aus wenig oder noch gar nicht bekannten Texten, Prosa wie auch Lyrik, zusammengestellt hat, sind der Dichterfreundin verpflichtet, der er immer wieder, als Vorbild wie als Cicerone, die Reverenz erweist.
Knapp und expressionistisch gedrängt, "seine Verse sind mit der Axt geschrieben", so Else Lasker-Schüler über Zech, doch ohne deren poetischen Überschuss: "Es gibt auf der Welt keinen Fleck, wo der Boden so fruchtbar ist an eigenwilligen Kreaturen." Zech, 1881 in Westpreußen geboren, ist im Bergischen Land - auch Remscheid widmet er ein Feuilleton, der Müngstener Brücke ein Gedicht - zum Schriftsteller geworden: Hierher hat er sich, als er 1912, achtzehn Jahre nach dem "Prinzen Jussuf von Theben", nach Berlin gezogen war, zurückgesehnt, hier hat er, ein Hochstapler, der sich zum "Arbeiterdichter" stilisierte, Anlauf genommen für seine Nach-, besser: Neudichtungen der "lasterhaften Balladen und Lieder" von François Villon, die 1931 herauskamen, ihn aber erst nach seinem Tod - 1946 in Buenos Aires - berühmt machten. Von seinen drei "Begegnungen mit Else Lasker-Schüler" sind zwei frei erfunden: Wie Zech die "Stadt des Knorrigen und Subtilen, des kunterbunt Gemischten, des Sturen und des Schwebenden" charakterisiert, trifft aber ihre Milieus und Mentalitäten und ist in vielem noch immer farbige Gegenwart.
aro.
Paul Zech: "Wuppertal. Bergische Dichtungen, Begegnungen mit Else Lasker-Schüler". Herausgegeben von Christoph Haacker.
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