Rezepte, Legenden, Genuss
Es geht um die Wurst - um dieses universelle, weit unterschätzte Kulturgut, die Legende unter den Lebensmitteln. Ob Blut-, Brat-, Hart- oder Mett-, die Wurst ist in aller Munde. Nur der liebe Gott weiß, was in ihr steckt: Auch wenn diese Redensart zum Siegeszug der Wurst beigetragen hat, löst sie heute Bedenken aus. Es ist an der Zeit, der Wurst ein bisschen auf die Pelle zu rücken. Starkoch Vincent Klink erinnert sich an blutige, aber beseelte Schlachttage und gibt Wurstrezepte bis hin zum Selberstopfen. Illustrator Nikolaus Heidelbach richtet mit seinen kulinarischen Stillleben die Kalte Platte aufs Liebevollste und Überraschendste an. Und Wiglaf Droste, der "Tom Waits der satirischen Schnappschüsse" (Galore), schlägt den Bogen von der Currywurst zur Wurst als Lustobjekt, von regionalen Vorlieben zum Versuch, die Welt als Wurst zu erklären.
Es geht um die Wurst - um dieses universelle, weit unterschätzte Kulturgut, die Legende unter den Lebensmitteln. Ob Blut-, Brat-, Hart- oder Mett-, die Wurst ist in aller Munde. Nur der liebe Gott weiß, was in ihr steckt: Auch wenn diese Redensart zum Siegeszug der Wurst beigetragen hat, löst sie heute Bedenken aus. Es ist an der Zeit, der Wurst ein bisschen auf die Pelle zu rücken. Starkoch Vincent Klink erinnert sich an blutige, aber beseelte Schlachttage und gibt Wurstrezepte bis hin zum Selberstopfen. Illustrator Nikolaus Heidelbach richtet mit seinen kulinarischen Stillleben die Kalte Platte aufs Liebevollste und Überraschendste an. Und Wiglaf Droste, der "Tom Waits der satirischen Schnappschüsse" (Galore), schlägt den Bogen von der Currywurst zur Wurst als Lustobjekt, von regionalen Vorlieben zum Versuch, die Welt als Wurst zu erklären.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.01.2007Die Wurst stirbt zuletzt
Schlemmerschriften: Vincent Klink amüsiert und nährt seine Leser
Der Koch bleibe bei seinen Kasserollen, denkt man, wenn man von literarisierenden Chefs hört. Aber das ist ein Irrtum. Schon die kulinarische Kampfschrift "Häuptling Eigener Herd", die Vincent Klink mit Wiglaf Droste viermal im Jahr herausgibt - Parole: "Wir schnallen den Gürtel weiter"-, zählt zum Besten, was der Viktualienmarkt der Fachzeitschriften zu bieten hat. Das letzte Heft widmete sich einem Thema: der Wurst. Es enthielt mutige Recherchen über englische Würstchen; eine Erklärung der Thüringer Rostbratwurst, eine Abhandlung über die Phosphor-Chemie des Muskelspiels und eine Hymne auf den Haggis (ein kleines Tier, das auf einer Seite längere Beine hat, damit es in den schottischen Highlands besser stehen kann; um einen Haggis zu fangen, treibt man ihn ins flache Land, dann fällt er um).
Eine sechs Seiten lange Liste "Die Wurst in Literatur und Filmkunst" demonstrierte, wie das Alberne durch pure Quantität ins Komische umschlagen kann. ("Wenn das Wurstbrot zweimal klingelt", "Lohn der Wurst", "Angst essen Wurstbrot auf", "Für eine Handvoll Wurst", "Die bleierne Wurst", "James Bond: Stirb an einer andern Wurst", "Down by Wurst", "Sommerwurst, später", oder ganz aktuell: "Elementarwürstchen"). Ernsthaftere Essays befassten sich mit der Entschlüsselung des alphabetischen Zeichensalats, der die Zusatzstoffe preisgibt, oder dem Geisterseher und Wurstgiftentdecker Justinus Kerner, der sich durch gefährliche Selbstversuche zum Experten für die Wirkung des damals noch unbekannten Bazillus stählte, dessen Botulinumtoxin heute die Münder der Militärs wässert.
Warum, andererseits, darf man auch am Karfreitag Hühnchen essen? Eine Exkursion in fränkische Klosterküchen gab die Antwort: Fische und Hühner sind am selben Tag vom Herrgott geschaffen worden, und wenn man das Huhn nur recht tief in den Kochtopf taucht, steigt es empor wie ein Fisch - so jedenfalls der Abt des Klosters Fuldas, Hrabanus Maurus, im neunten Jahrhundert, ein Dialektiker des Appetits offenbar eher als der Strenggläubigkeit. Die Pointe des Heftes waren die Zeichnungen von Nikolaus Heidelbach - der Meister auf der Höhe seiner Kunst, lässig, nonchalant, obszön und komisch.
Ein ganzes fadengebundenes, edel ausgestattetes Werk "Wurst" folgte, und man möchte kaum glauben, dass eines der charmantesten Bücher der Saison daraus wurde. Das verdankt sich vor allem wieder Heidelbach, der sich noch einmal gesteigert hat und im Wurst-Furor dem Thema einige seiner schönsten Blätter abgewinnt - die in Zungenwurst gehüllte Jugendstilbeauté, die drei Würstchenträgerinnen in der Serengeti, die düstere Graustudie "Sozialfall Schaschlik", die Wiener Prostituierten oder "Jahwes Würstchenparadies" in paradiesischem Frühnebel-Ocker - allein dieser Bilder wegen ist "Wurst" ein ebensolches unzüchtiges Paradies.
Dazu gibt es hübsche Pastiches von Droste über die Wurstförderung in sächsischen Stollen (die den Kaligeschmack der sozialistischen Wurst erklärt) und Rezepte von Vincent Klink ("Jambon Persillé", "Fieser Wurstgulasch", "Wielandshöhe"), der auch als temperamentvoller Erzähler überrascht. Der Schlachttag einmal im Jahr in der schwäbischen Provinz, sein Besuch des Oktoberfests mit vier afrikanischen Kollegen, die der Maß und der Schweinswurst verfallen ("Allah schaut weg"), das Weißbierfrühstück im Münchner Franziskaner oder das stumm gefräßige Paar in der Zürcher Kronenhalle - das schildert der Meisterkoch hoch amüsant.
Aber genug geredet! In der Wurstküche der Klinks herrschte Stillschweigen, denn der Aberglaube berichtete von zerredeten Würsten, die fad und ausgekocht alle Bemühungen zunichte machen würden. Geben wir nur noch einige Nachträge zur Wurst in Literatur und Filmkunst: "Angst essen Wurstbrote auf", "Die Wurst von Monte Christo", "Der Mann den sie Wurst nannten", "Der mit der Wurst tanzt", "Die Wurst, das sind die anderen" (Sartre), "Mehr Wurst" (Goethe). Wurst ist schlimmer als Heimweh, und vor den Würsten sterben die Söhne. Denn die Wurst stirbt zuletzt.
MICHAEL MAAR
"Häuptling Eigener Herd". Heft 26. Edition Vincent Klink, Stuttgart 2006. 133 S., Abb., geb., 14,90 [Euro].
Wiglaf Droste, Nikolaus Heidelbach, Vincent Klink: "Wurst". DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2006. 159 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Schlemmerschriften: Vincent Klink amüsiert und nährt seine Leser
Der Koch bleibe bei seinen Kasserollen, denkt man, wenn man von literarisierenden Chefs hört. Aber das ist ein Irrtum. Schon die kulinarische Kampfschrift "Häuptling Eigener Herd", die Vincent Klink mit Wiglaf Droste viermal im Jahr herausgibt - Parole: "Wir schnallen den Gürtel weiter"-, zählt zum Besten, was der Viktualienmarkt der Fachzeitschriften zu bieten hat. Das letzte Heft widmete sich einem Thema: der Wurst. Es enthielt mutige Recherchen über englische Würstchen; eine Erklärung der Thüringer Rostbratwurst, eine Abhandlung über die Phosphor-Chemie des Muskelspiels und eine Hymne auf den Haggis (ein kleines Tier, das auf einer Seite längere Beine hat, damit es in den schottischen Highlands besser stehen kann; um einen Haggis zu fangen, treibt man ihn ins flache Land, dann fällt er um).
Eine sechs Seiten lange Liste "Die Wurst in Literatur und Filmkunst" demonstrierte, wie das Alberne durch pure Quantität ins Komische umschlagen kann. ("Wenn das Wurstbrot zweimal klingelt", "Lohn der Wurst", "Angst essen Wurstbrot auf", "Für eine Handvoll Wurst", "Die bleierne Wurst", "James Bond: Stirb an einer andern Wurst", "Down by Wurst", "Sommerwurst, später", oder ganz aktuell: "Elementarwürstchen"). Ernsthaftere Essays befassten sich mit der Entschlüsselung des alphabetischen Zeichensalats, der die Zusatzstoffe preisgibt, oder dem Geisterseher und Wurstgiftentdecker Justinus Kerner, der sich durch gefährliche Selbstversuche zum Experten für die Wirkung des damals noch unbekannten Bazillus stählte, dessen Botulinumtoxin heute die Münder der Militärs wässert.
Warum, andererseits, darf man auch am Karfreitag Hühnchen essen? Eine Exkursion in fränkische Klosterküchen gab die Antwort: Fische und Hühner sind am selben Tag vom Herrgott geschaffen worden, und wenn man das Huhn nur recht tief in den Kochtopf taucht, steigt es empor wie ein Fisch - so jedenfalls der Abt des Klosters Fuldas, Hrabanus Maurus, im neunten Jahrhundert, ein Dialektiker des Appetits offenbar eher als der Strenggläubigkeit. Die Pointe des Heftes waren die Zeichnungen von Nikolaus Heidelbach - der Meister auf der Höhe seiner Kunst, lässig, nonchalant, obszön und komisch.
Ein ganzes fadengebundenes, edel ausgestattetes Werk "Wurst" folgte, und man möchte kaum glauben, dass eines der charmantesten Bücher der Saison daraus wurde. Das verdankt sich vor allem wieder Heidelbach, der sich noch einmal gesteigert hat und im Wurst-Furor dem Thema einige seiner schönsten Blätter abgewinnt - die in Zungenwurst gehüllte Jugendstilbeauté, die drei Würstchenträgerinnen in der Serengeti, die düstere Graustudie "Sozialfall Schaschlik", die Wiener Prostituierten oder "Jahwes Würstchenparadies" in paradiesischem Frühnebel-Ocker - allein dieser Bilder wegen ist "Wurst" ein ebensolches unzüchtiges Paradies.
Dazu gibt es hübsche Pastiches von Droste über die Wurstförderung in sächsischen Stollen (die den Kaligeschmack der sozialistischen Wurst erklärt) und Rezepte von Vincent Klink ("Jambon Persillé", "Fieser Wurstgulasch", "Wielandshöhe"), der auch als temperamentvoller Erzähler überrascht. Der Schlachttag einmal im Jahr in der schwäbischen Provinz, sein Besuch des Oktoberfests mit vier afrikanischen Kollegen, die der Maß und der Schweinswurst verfallen ("Allah schaut weg"), das Weißbierfrühstück im Münchner Franziskaner oder das stumm gefräßige Paar in der Zürcher Kronenhalle - das schildert der Meisterkoch hoch amüsant.
Aber genug geredet! In der Wurstküche der Klinks herrschte Stillschweigen, denn der Aberglaube berichtete von zerredeten Würsten, die fad und ausgekocht alle Bemühungen zunichte machen würden. Geben wir nur noch einige Nachträge zur Wurst in Literatur und Filmkunst: "Angst essen Wurstbrote auf", "Die Wurst von Monte Christo", "Der Mann den sie Wurst nannten", "Der mit der Wurst tanzt", "Die Wurst, das sind die anderen" (Sartre), "Mehr Wurst" (Goethe). Wurst ist schlimmer als Heimweh, und vor den Würsten sterben die Söhne. Denn die Wurst stirbt zuletzt.
MICHAEL MAAR
"Häuptling Eigener Herd". Heft 26. Edition Vincent Klink, Stuttgart 2006. 133 S., Abb., geb., 14,90 [Euro].
Wiglaf Droste, Nikolaus Heidelbach, Vincent Klink: "Wurst". DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln 2006. 159 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Hinter Thomas Platts amüsant vorgetragener Kritik dieses Bandes über die Wurst verbirgt sich, so scheint es, nicht geringer Ärger. Dem Rezensenten geht die Mischung aus Kalauern, pointenlosem Geplauder und stilistischen Abstiegen in die Vulgärsprache, die um des Kontrastes Willen mit einem sich immer wieder in edle Höhen aufschwingenden Ton kombiniert werden, maßlos auf die Nerven. Wenn er schon den Beiträgen von Droste rein gar nichts abgewinnen kann, so geht er mit Klink sehr viel milder um. Immerhin habe der Koch Rezepte zu bieten, die, wenn sie schon nicht wirklich nachzukochen seien, doch zumindest einiges zur Wurst vermitteln und das sogar mit "erstaunlichem Schwung", lobt der Rezensent, der deshalb aber noch lange nicht mit dem Buch versöhnt scheint.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
"Die hohe Kunst der Metzgerei, witzig vereint mit gastrosophischer Philosophie und garniert mit kulinarischen Stillleben."
FOCUS
"Wie und wann die Wurst warum geboren wurde, (...) zeigt dieses Buch. Mit Fleischeslust weckenden Illustrationen von Nikolaus Heidelbach, mit ironiegesättigten Sottisen Wiglaf Drostes und mit historiengespickten Rezepten von Vincent Klink. Wer nach der Lektüre dieses Wusts an Wurstapologie immer noch keinen Hunger hat, dem ist auf Erden nicht zu helfen."
DIE WELT
"Endlich mal ein Coffeetable-Book, das dem Begriff Ehre macht: Augenweide nebst Nutzwert. (...) Es sind, vergnüglich facettenreich, teils dreiste, fette, pointiert gerundete Kalendergeschichten, teils handfest warenkundliche Exkurse, die auch den Hobbykoch reichlich mit Rezepten zur heimischen Wurstproduktion versorgen."
SPIEGEL
"In diesem schönen Buch über das Schmuddelkind der Kochkunst harmoniert alles ganz wunderbar. Der Sterne-Koch Vincent Klink liefert die Sachkenntnis, der Satiriker Wiglaf Droste zeigt, dass ein wilder Pöbler auch mal ein sanfter Pökler sein kann, und der Illustrator Nikolaus Heidelbach porträtiert die rassige Chorizo mit ebenso liebevoller Hingabe wie die sanft geschwungene Blutwurst. Ein Plädoyer für deftige Lebensart."
STERN
"Schöner kann ein Buch über ein Lebensmittel nicht gelingen."
PLAYBOY
"Eine märchenhafte, dreidimensionale Liebeserklärung an die Wurst."
HESSISCHE/ NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE
"...ein in Leinen gebundenes Hohe Lied auf die deutsche Wurst ... ."
HANDELSBLATT
FOCUS
"Wie und wann die Wurst warum geboren wurde, (...) zeigt dieses Buch. Mit Fleischeslust weckenden Illustrationen von Nikolaus Heidelbach, mit ironiegesättigten Sottisen Wiglaf Drostes und mit historiengespickten Rezepten von Vincent Klink. Wer nach der Lektüre dieses Wusts an Wurstapologie immer noch keinen Hunger hat, dem ist auf Erden nicht zu helfen."
DIE WELT
"Endlich mal ein Coffeetable-Book, das dem Begriff Ehre macht: Augenweide nebst Nutzwert. (...) Es sind, vergnüglich facettenreich, teils dreiste, fette, pointiert gerundete Kalendergeschichten, teils handfest warenkundliche Exkurse, die auch den Hobbykoch reichlich mit Rezepten zur heimischen Wurstproduktion versorgen."
SPIEGEL
"In diesem schönen Buch über das Schmuddelkind der Kochkunst harmoniert alles ganz wunderbar. Der Sterne-Koch Vincent Klink liefert die Sachkenntnis, der Satiriker Wiglaf Droste zeigt, dass ein wilder Pöbler auch mal ein sanfter Pökler sein kann, und der Illustrator Nikolaus Heidelbach porträtiert die rassige Chorizo mit ebenso liebevoller Hingabe wie die sanft geschwungene Blutwurst. Ein Plädoyer für deftige Lebensart."
STERN
"Schöner kann ein Buch über ein Lebensmittel nicht gelingen."
PLAYBOY
"Eine märchenhafte, dreidimensionale Liebeserklärung an die Wurst."
HESSISCHE/ NIEDERSÄCHSISCHE ALLGEMEINE
"...ein in Leinen gebundenes Hohe Lied auf die deutsche Wurst ... ."
HANDELSBLATT