Wenn du bleibst
werde ich noch am Leben sein
wie der Kern einer Pflaume
in sich den Baum trägt
das Nest und den Vogel
und alles dazu
Dieses Gedicht von Sutzkever beschreibt die Pflaumenkerne für zeitgenössische Juden, die es schaffen, aus Worten, Sätzen und Sprüchen eine ganze Vergangenheit wieder
aufleben zu lassen.
Das Jiddische hat nach wie vor noch einen ganz besonderen Platz im Herzen von…mehrWenn du bleibst
werde ich noch am Leben sein
wie der Kern einer Pflaume
in sich den Baum trägt
das Nest und den Vogel
und alles dazu
Dieses Gedicht von Sutzkever beschreibt die Pflaumenkerne für zeitgenössische Juden, die es schaffen, aus Worten, Sätzen und Sprüchen eine ganze Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.
Das Jiddische hat nach wie vor noch einen ganz besonderen Platz im Herzen von Juden und Nichtjuden. Obwohl es nach und nach ausstirbt, hat es noch nicht sein letztes Wort gesprochen. Es enthält zahlreiche, fast verlorenen geglaubte Schätze und ist die Sprache der Träumer und Kabbalisten – reich an Lebenskraft, Humor und an Erinnerungen.
“Das Jiddische ist im übertragenen Sinne die weise und demütige Sprache unser aller, die Sprache der entsetzten und hoffnungsvollen Menschheit.“ - Isaac Bashevis Singer
Die Autorin Miriam Weinstein, die in der Bronx in New York aufwuchs und deren Eltern das Jiddische von deren Eltern lernten, zeichnet in ihrem ersten Buch die Geschichte des Jiddischen in Form einer lebendigen Erzählung über Jahrtausende nach. Sie berichtet von einer untergegangenen Welt, von jüdischer Kultur in Polen und Deutschland, von den Auswanderern ins goldene Amerika, von Tewje, dem Milchmann, und Ben Jehuda, dem Begründer des modernen Hebräisch.
Dieses Buch ist ein sprachliches Abenteuer – nicht nur für Juden - geschrieben von einer Journalistin, die es versteht, eine fast erloschene Sprache über Jahrhunderte um die Welt reisen zu lassen, damit sie zu neuem Leben erweckt werden kann.
Bis vor ca. 50 Jahren konnten sich Juden weltweit über das Jiddische verständigen, egal wie abgelegen und armselig der Ort war, an dem sie gerade gestrandet waren: Ein kleines „Wuß machßt?“ (Wie geht’s?) öffnete Türen und Herzen, es war das Erkennungszeichen, der geheime Händedruck, der goldene Schlüssel schlechthin.
In den frühen Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts nannten etwa acht Millionen Menschen auf der Welt Jiddisch ihre mame-loschn, ihre Muttersprache. Es gab zahlreiche Schulen, Zeitungen, Radiosendungen und eine internationale Filmindustrie, die das Jiddische in die Welt trugen. 75 Jahre später wurden jiddische Bücher massenhaft weggeworfen und auch das Hebräische wurde systematisch von der jiddischen Aussprache gereinigt.
Vor ca. 2000 Jahren wurde das Jiddische schattenhaft geboren, als Sprache für die Ungebildeten und die Frauen, für den gewöhnlichen Hausgebrauch. Doch dann ging diese Sprache wider Erwarten weltweit auf wie ein Honigkuchen, führte tausend Jahre lang ein pulsierendes Leben, war Erstsprache der Juden, die in allen möglichen Ländern lebten und zweisprachig aufwuchsen: mit dem Jiddischen und der Sprache des Landes, in dem sie sich gerade aufhielten.
Noch in den vergangenen 70ern war es möglich, sich weltweit unter Juden auf Jiddisch zu verständigen. Doch inzwischen ist die Generation fast ausgestorben, die diese Sprache lebte.
Zuerst Vertreibung, Holocaust, Vernichtung, Assimilation, dann Sprachpolitik und zuletzt – steinerne Stille.
Zwar wurde und wird das Jiddische von Intellektuellen und der Folklore wieder entdeckt. Wir kennen sie alle: die zahlreichen Sänger und Gruppen, die den Nichtjüdischen („Gojim“) Melodien vorspielen, sie in längst untergegangene Schtetl entführen, in denen die (jüdische) Welt (scheinbar) noch in Ordnung ist. Doch das ist Kunst, zu künstlich. Das Jiddische aber lebt im Alltag und nicht auf Bühne.
Jiddisch – diese Sprache ist heute nach wie vor Alltagssprache des ultraorthodoxen Judentums, wie sie z.B. in Mea Shearim in Jerusalem gesprochen wird, denn:
Das Hebräische nur für’s Gebet – das Jiddische aber für das Leben, den Alltag.
Es ist davon auszugehen, dass das Jiddische durch die stark wachsenden Familien der Ultraorthodoxen in den nächsten Jahrzehnten eine neue Renaissance erfahren wird.
Naje neßtn, naje fejgl weln naje lider singen. - Neue Nester, neue Vögel werden neue Lieder singen.