Der Klassiker des Gründers der amerikanischen Nationalparks in erster deutscher Übersetzung
1868 erreicht John Muir zum ersten Mal nach einem Fußmarsch von San Francisco aus das Gebiet des Yosemite, dessen Wildheit und Schönheit ihn überwältigen und zeitlebens nicht mehr loslassen sollten. In Yosemite schildert er die schäumenden Bäche, die wechselhaften Herbsttage und die tiefe Finsternis der Sturmnächte, aber auch das gleißende Sonnenlicht auf schneebedeckten Pässen der High Sierra. Die mit dem Yosemite verbundenen Menschen sind in diesem Klassiker des Nature Writing ebenso Protagonisten wie die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Muir nimmt den mit ihm Reisenden nicht nur persönlich an die Hand, er führt ihn auf seinen Wegen durch das atemberaubende Tal und lässt ihn das Wunderwerk der Natur durch die Augen des Entdeckers sehen.
In seinem Nachwort geht der kenianische Essayist, Ökologe und Naturschützer Mordecai Ogada Fragen der politischen, rassistischen und kolonialen Verstrickungen John Muirs und dessen heutiger Bedeutung nach und beleuchtet die Strukturen des gegenwärtigen Naturschutzes und der Nationalparks in Amerika und Afrika.
1868 erreicht John Muir zum ersten Mal nach einem Fußmarsch von San Francisco aus das Gebiet des Yosemite, dessen Wildheit und Schönheit ihn überwältigen und zeitlebens nicht mehr loslassen sollten. In Yosemite schildert er die schäumenden Bäche, die wechselhaften Herbsttage und die tiefe Finsternis der Sturmnächte, aber auch das gleißende Sonnenlicht auf schneebedeckten Pässen der High Sierra. Die mit dem Yosemite verbundenen Menschen sind in diesem Klassiker des Nature Writing ebenso Protagonisten wie die vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Muir nimmt den mit ihm Reisenden nicht nur persönlich an die Hand, er führt ihn auf seinen Wegen durch das atemberaubende Tal und lässt ihn das Wunderwerk der Natur durch die Augen des Entdeckers sehen.
In seinem Nachwort geht der kenianische Essayist, Ökologe und Naturschützer Mordecai Ogada Fragen der politischen, rassistischen und kolonialen Verstrickungen John Muirs und dessen heutiger Bedeutung nach und beleuchtet die Strukturen des gegenwärtigen Naturschutzes und der Nationalparks in Amerika und Afrika.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensent Cornelius Dieckmann spürt die Ambivalenzen des menschlichen Bedürfnisses, allein in der überwältigenden Natur zu sein während der Lektüre von John Muirs Buch von 1912. Muirs eigene Ambivalenzen ahnt er auch, wenn der frühe Umweltaktivist und Gründervater des Nationalparkgedankens einerseits andächtig in den Tönen und Ansichten des erhabenen Yosemite-Parkes schwelgt und andererseits die Vertreibung der Ureinwohner mit einem Achselzucken quittiert. Das "sakrale Vokabular" im Text findet Dieckmann nicht minder irritierend. Die Verdienste und Verfehlungen des Naturschutzes lassen sich anhand des Buches und seines Autors bestens studieren, findet Dieckmann.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.02.2022NEUE REISEBÜCHER
Für die Tasche Wie der Yellowstone-Nationalpark zählt auch das Yosemite Valley in Kalifornien zu den mystisch verehrten Landschaften der USA. Dazu haben viele Menschen beigetragen, auch der Fotograf Ansel Adams, der diese Schönheit der Welt zeigte. Jene Schönheit, die der Umweltaktivist John Muir so beschrieb: Im Merced River "spiegeln sich Maiglöckchen und Bäume und die alles überschauenden Felsen. Zarte und flüchtige Dinge treffen hier auf die Ewigkeit und vermischen sich in unzähligen Formen, und es hat den Eindruck, als hätte Mutter Natur in diesem Bergpalast ihre ausgesuchtesten Schätze versammelt, um ihre Liebhaber zu beeindrucken und in ihren Bann zu ziehen." Yosemite war 1864 eines der ersten Schutzgebiete, noch vor der Gründung des Yellowstone-Nationalparks. Geschützt werden sollte die landschaftliche Schönheit und der touristische Wert. 1903 besuchte Präsident Roosevelt gemeinsam mit John das Gebiet.
1912 schrieb John Muir sein Buch "Yosemite", das nun bei Matthes & Seitz auf Deutsch neu erschienen ist. Es ist eine Lobpreisung des Naturparadieses und eine akkurate Beschreibung der Pflanzen- und Tierarten, der gigantischen Felsen und der Riesenmammutbäume. Es erscheint in der Reihe "Naturkunden" und ist wunderschön aufgemacht. Feines Papier, schöner Druck, ansprechendes Cover. Aber damit wollte man es wohl nicht bewenden lassen und hat einen Coup gelandet: Das Vorwort stammt von Mordecai Ogada. Und das ist ein Problem. Der kenianische Ökologe und Essayist schreibt seit Jahren furios und unversöhnlich gegen den Naturschutzgedanken an. Er sieht darin eine Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln. Natürlich hat Ogada oft recht. Etwa wenn er schreibt, die Sichtweise europäischer Kolonisten in aller Welt bestimmte, "welcher Teil der Biodiversität getötet und welcher gerettet werden sollte". Die Wünsche der Weißen beeinflussten, "was in der Natur als zu eliminierendes Ungeziefer gilt, was aus Prestigegründen als Trophäe gejagt werden soll und was wertvoll genug ist, um durch den Einsatz von Gewalt geschützt zu werden". All das gilt vor allem für den afrikanischen Kontinent. Dort - aber auch in den USA und im Yosemite - wurden "die Gebiete von Indigenen, die sie einst nutzten, ,gesäubert'".
Doch ein Problem vernachlässigt Oagada: Überall, wo Naturschutz ausgerufen wird, stößt das auf Proteste. Keine Frage, dass man diese heute ernst nehmen muss und Menschen nicht mehr barsch umgesiedelt werden können, um Tiere zu retten. Aber auch in Europa kommt es bei der Ausrufung von Schutzgebieten zu Schwierigkeiten. Als der Nationalpark Berchtesgaden installiert wurde, liefen die Einheimischen Sturm, da sie nun nicht mehr auf den Wegen zum Pilzesammeln gehen konnten, die schon der Großvater ging. Und in der Schweiz gibt es bis heute nur einen einzigen Nationalpark, weil alle anderen Projekte - zuletzt zwei Vorhaben im Tessin - von Anwohnern torpediert wurden. Im Prinzip finden die meisten Menschen Naturschutz gut, aber meist nach dem Nimby-Prinzip. Nationalpark ja, aber "not in my backyard", also nicht bei mir vor dem Haus. Würde man also überall auf die direkten Nachbarn hören - es gäbe nirgends geschützte Gebiete.
Das größte Problem allerdings ist die Konfrontation von Vorwort und Originaltext. Geradeso, als würde Friedrich Merz einleitend zu einer Neuausgabe von Marx' "Das Kapital" schreiben. Ogadas kritischer Text ist für sich genommen lesenswert und regt zum Nachdenken an. Aber warum hat man nicht seinen Essay mit anderen kontroversen Auseinandersetzungen in einen eigenen Band gepackt? So verspürt man nach der Lektüre von Mordecai Ogada keinerlei Lust mehr, John Muirs Buch zu lesen. Und das ist schade. Man verpasst Sätze wie diese: "Die Gipfel der Range sind dann mit glänzenden Fahnen aus wehendem Schnee geschmückt, deren leuchtender Strom manchmal mehr als eine Meile lang ist und die uns mit feierlichem Überschwang zuwinken, als feierten sie ein alle Erwartungen übertreffendes Fest." bfer.
John Muir: "Yosemite". Mit einem Vorwort von Mordecai Ogada. Aus dem Englischen von Jens Lindenlaub und Max Henninger. Matthes & Seitz, Berlin 2021. 200 Seiten, 25 Euro
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Für die Tasche Wie der Yellowstone-Nationalpark zählt auch das Yosemite Valley in Kalifornien zu den mystisch verehrten Landschaften der USA. Dazu haben viele Menschen beigetragen, auch der Fotograf Ansel Adams, der diese Schönheit der Welt zeigte. Jene Schönheit, die der Umweltaktivist John Muir so beschrieb: Im Merced River "spiegeln sich Maiglöckchen und Bäume und die alles überschauenden Felsen. Zarte und flüchtige Dinge treffen hier auf die Ewigkeit und vermischen sich in unzähligen Formen, und es hat den Eindruck, als hätte Mutter Natur in diesem Bergpalast ihre ausgesuchtesten Schätze versammelt, um ihre Liebhaber zu beeindrucken und in ihren Bann zu ziehen." Yosemite war 1864 eines der ersten Schutzgebiete, noch vor der Gründung des Yellowstone-Nationalparks. Geschützt werden sollte die landschaftliche Schönheit und der touristische Wert. 1903 besuchte Präsident Roosevelt gemeinsam mit John das Gebiet.
1912 schrieb John Muir sein Buch "Yosemite", das nun bei Matthes & Seitz auf Deutsch neu erschienen ist. Es ist eine Lobpreisung des Naturparadieses und eine akkurate Beschreibung der Pflanzen- und Tierarten, der gigantischen Felsen und der Riesenmammutbäume. Es erscheint in der Reihe "Naturkunden" und ist wunderschön aufgemacht. Feines Papier, schöner Druck, ansprechendes Cover. Aber damit wollte man es wohl nicht bewenden lassen und hat einen Coup gelandet: Das Vorwort stammt von Mordecai Ogada. Und das ist ein Problem. Der kenianische Ökologe und Essayist schreibt seit Jahren furios und unversöhnlich gegen den Naturschutzgedanken an. Er sieht darin eine Fortsetzung des Kolonialismus mit anderen Mitteln. Natürlich hat Ogada oft recht. Etwa wenn er schreibt, die Sichtweise europäischer Kolonisten in aller Welt bestimmte, "welcher Teil der Biodiversität getötet und welcher gerettet werden sollte". Die Wünsche der Weißen beeinflussten, "was in der Natur als zu eliminierendes Ungeziefer gilt, was aus Prestigegründen als Trophäe gejagt werden soll und was wertvoll genug ist, um durch den Einsatz von Gewalt geschützt zu werden". All das gilt vor allem für den afrikanischen Kontinent. Dort - aber auch in den USA und im Yosemite - wurden "die Gebiete von Indigenen, die sie einst nutzten, ,gesäubert'".
Doch ein Problem vernachlässigt Oagada: Überall, wo Naturschutz ausgerufen wird, stößt das auf Proteste. Keine Frage, dass man diese heute ernst nehmen muss und Menschen nicht mehr barsch umgesiedelt werden können, um Tiere zu retten. Aber auch in Europa kommt es bei der Ausrufung von Schutzgebieten zu Schwierigkeiten. Als der Nationalpark Berchtesgaden installiert wurde, liefen die Einheimischen Sturm, da sie nun nicht mehr auf den Wegen zum Pilzesammeln gehen konnten, die schon der Großvater ging. Und in der Schweiz gibt es bis heute nur einen einzigen Nationalpark, weil alle anderen Projekte - zuletzt zwei Vorhaben im Tessin - von Anwohnern torpediert wurden. Im Prinzip finden die meisten Menschen Naturschutz gut, aber meist nach dem Nimby-Prinzip. Nationalpark ja, aber "not in my backyard", also nicht bei mir vor dem Haus. Würde man also überall auf die direkten Nachbarn hören - es gäbe nirgends geschützte Gebiete.
Das größte Problem allerdings ist die Konfrontation von Vorwort und Originaltext. Geradeso, als würde Friedrich Merz einleitend zu einer Neuausgabe von Marx' "Das Kapital" schreiben. Ogadas kritischer Text ist für sich genommen lesenswert und regt zum Nachdenken an. Aber warum hat man nicht seinen Essay mit anderen kontroversen Auseinandersetzungen in einen eigenen Band gepackt? So verspürt man nach der Lektüre von Mordecai Ogada keinerlei Lust mehr, John Muirs Buch zu lesen. Und das ist schade. Man verpasst Sätze wie diese: "Die Gipfel der Range sind dann mit glänzenden Fahnen aus wehendem Schnee geschmückt, deren leuchtender Strom manchmal mehr als eine Meile lang ist und die uns mit feierlichem Überschwang zuwinken, als feierten sie ein alle Erwartungen übertreffendes Fest." bfer.
John Muir: "Yosemite". Mit einem Vorwort von Mordecai Ogada. Aus dem Englischen von Jens Lindenlaub und Max Henninger. Matthes & Seitz, Berlin 2021. 200 Seiten, 25 Euro
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»So landet, wer 'Yosemite' liest, in einem Wechselbad der Empfindungen aus Sehnsucht nach Wildnis, Romantisierung zerstörter Kulturen und knallharter Gegenwart.« Susanne Billig Deutschlandfunk Kultur 20210630