Dogudaki son Cenevizlilerden, antika tüccari Baldassare Embriaco, 1665 yili sonlarinda, soyunun yüzyillardir yasadigi Lübnandan yola düser. Ertesi yil, Incile göre Canavar Yili dir. Ertesi yil, Incile göre düpedüz Mahser Kan, ates, yikim ve herseyin sonu... Zamanin sonu Dünyayi ve Baldassareyi kurtarabilecek tek seyse, Yüzüncü Addir. Kimselerin görmedigi bir yazma kitap ve bu kitapta aciklandigi söylenen bir ad Allahin, Kuranda anilan doksan dokuz adinin, siradan ölümlülere bildirilmemis olan yüzüncüsü... Tanrinin gizli ve yüce adi...
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.2001Last Exit Chios
Umtriebig: Amin Maalouf sucht den hundertsten Namen Gottes
Bitte mehr solcher Bücher! Sicher, was Maalouf nicht leistet und nie leisten wird, ist das erzählerische Experiment, die sprachliche Artistik, der ganz andere Blick auf die Dinge. Auch nicht das Bilderstürmen, die neuen Ideen oder das Neumischen der literarischen Spielkarten sucht man in seinem Werk vergebens. Bekannt und beliebt gemacht hat den Autor, der 1993 den Prix Goncourt für "Der Felsen des Tanios" erhielt, nicht die Art seines Schreibens, sondern seine Stoffe: der in die Historie versenkte Clash of Civilisations. "Der Mann aus Mesopotamien" zum Beispiel, über das Leben Manis, des Begründers des Manichäismus, der bei Maalouf als friedliebende, religiöse Toleranz predigende Identifikationsfigur erscheint. Oder die Geschichte von "Leo Africanus", die mit solch markigen Worten anhebt, daß man das Buch entweder sofort weiterlesen oder für immer weglegen muß: "Ich, Hassan, Sohn von Mohammed, dem Waagemeister, ich, Johann Leo von Medici, beschnitten von der Hand eines Papstes, werde heute Africanus genannt, doch komme ich nicht aus Afrika noch aus Europa oder Arabien. Ich bin ein Sohn der Straße, meine Heimat ist die Karawane, und mein Leben ist eine Reise voller Überraschungen."
Als Libanese ist Maalouf für solche Geschichten prädestiniert, er hat die blutigen Auseinandersetzungen der Religionen am eigenen Leib erfahren. Nach einem Jahr Bürgerkrieg verließ er 1976 den Libanon und lebt seither in Paris, Französisch ist seine Federsprache. Das Ausmalen glückender interreligiöser Begegnungen in seinen Historienromanen dient dazu, so Maalouf in einem Interview, "Mythen der Versöhnung" zu schaffen. Sein im letzten Jahr erschienener Essay "Mörderische Identitäten" unternimmt es, den Versöhnungsgedanken auf die Gegenwart zu transponieren und die Globalisierung als Chance für die Völkerverständigung zu begreifen: "Wenn man an etwas glaubt, wenn man die nötige Energie besitzt, die nötige Leidenschaft, die nötige Lebenslust, kann man in den Möglichkeiten, die die heutige Welt bietet, die Mittel finden, einige seiner Träume zu verwirklichen."
Die Versuchung ist groß, auch sein neuestes Buch vor dem Hintergrund des Globalisierungsessays zu lesen, obwohl es im siebzehnten Jahrhundert spielt. Baldassare Embriaco, ein Abkömmling genuesischer Einwanderer, lebt als Kuriositätenhändler und Antiquar in der Fremde, dem Städtchen Gibelet im Libanon. Am Ende sagt er einmal, die Händler trügen mehr zum Weltfrieden bei als jeder andere Stand. Die Parallelen zum Essay beschränken sich nicht auf solche Bonmots. Toleranz und die Ablehnung religiöser Eiferei zählen zu den hervorstechenden Charakterzügen des Helden. Gleichwohl schiebt sich zwischen seine Skepsis immer wieder ein Hauch von Glauben, sogar Aberglauben. Baldassares Identität ist aber schon deshalb nicht mörderisch, weil sie sich im Fluß befindet und er selbst nicht zu sagen weiß, worin sie besteht und wohin er gehört. Er ist ein Mann ohne Eigenschaften im kleinen, auf nichts derart fixiert, daß er sich nicht auch auf anderes einlassen könnte - und eben das tut er. Fast möchte man ihn willensschwach nennen, wenn diese Schwäche nicht zugleich eine große Offenheit wäre, ein "Möglichkeitssinn" durchaus im Sinne Musils. Vor dem Anschein allzugroßer Modernität hat Maalouf seinen Helden allerdings bewahrt, indem er ihn, der Name verpflichtet, mit exakt jener Lebensklugheit versehen hat, die Baldassare Castiglione in seinem Brevier über den "Hofmann" empfiehlt.
Eigentlich aber ist "Die Reisen des Herrn Baldassare" ein Werk, das eigens für das Jahr 2000 verfaßt worden ist. Denn es spielt im Jahr 1666, dem Jahr des apokalyptischen Tieres, für welches ehedem das Ende der Zeit vorhergesagt war. Baldassare glaubt so recht nicht daran, aber ausschließen, daß es so kommt, will und kann er nicht. Zu viele unheimliche, unheilverkündende Ereignisse scheinen sich zu vollziehen. Ein wertvolles, verschollen geglaubtes arabisches Werk, dem die Apokalypsegläubigen nachjagen, fällt in seine Hände. Es heißt "Der hundertste Name" und soll den wirkmächtigsten Gottesnamen enthüllen.
Baldassares Händlergeist siegt über seinen Aberglauben, und noch ehe er Gelegenheit findet, das Werk zu begutachten, hat er es für gutes Geld an einen französischen Diplomaten verkauft, der auf dem Weg nach Konstantinopel ist. Schnell bereut er seine Voreiligkeit und reist dem Käufer hinterher, angestiftet von seinem Neffen, einem überzeugten Endzeitjünger. In seiner libanesischen Heimat ist er ohnedies nicht sonderlich verwurzelt, außer seinem Laden hält ihn nicht viel. Marta, eine Jugendfreundin, die in Konstantinopel Auskunft über ihren verschollenen Mann sucht, schließt sich der Reisegruppe an, außerdem ein jüdischer Händler, der im Auftrag seines Vaters Informationen über Sabbatai Zwi, den vorgeblichen jüdischen Messias, einholen soll.
Zwi ist die einzige historische Persönlichkeit, mit der Baldassare tatsächlich näher in Berührung kommt, und in dieser Zurückhaltung gegenüber der Realhistorie läßt sich der Unterschied zu den früheren Büchern Maaloufs am ehesten festmachen. Während in deren Zentrum immer die Großen der Geschichte standen und Weltbewegendes geschah, kündigt sich hier das Bedeutende nur an, lauert am Horizont und treibt das Geschehen voran, ohne daß es selbst geschähe. Baldassare segelt an den Rändern des Weltgeschehens vorbei wie an den Küsten Europas von Kleinasien nach London, ohne mehr zu sein als ein Zeuge mit Fernglas. Wenn er in Smyrna, auf der Suche nach Martas Mann, die Wege des Sabbatai Zwi kreuzt, so wundert er sich wohl zu Recht, daß dessen clowneskes, allen religiösen und weltlichen Gesetzen hohnsprechendes Auftreten eine solche revolutionäre Wirkung entfaltet. Als er später erfährt, daß Zwi zum Islam übergetreten ist, schwankt er jedoch, ob er ihn dafür verachten soll oder ob sein Verhalten gerade auf die Authentizität seiner Sendung hindeutet.
Dem Leser ist das Geschehen um so rätselhafter, als er davon nur auf Augenhöhe Baldassares erfährt, dessen Tagebücher den Inhalt des Romans bilden. Wie Baldassare erwartet man Kriege, Apokalypsen, Erleuchtungen, Schiffskatastrophen, doch das Eigentliche vollzieht sich dort, wo man es nicht erwartet, im Nächsten und Persönlichsten. Die Erwartungen des Lesers werden unterlaufen, aber da es an überraschenden Wendungen nicht mangelt, werden sie nicht wirklich enttäuscht. Scheint das Ziel der Reisen Baldassares das geheimnisvolle Buch zu sein, ist es tatsächlich die Heimkehr nach Genua. Die Versuchung durch das Buch ist nur der Köder, mit dem ihn das Schicksal angelt, so wie die Verheißung eines Historienschmökers und der scheinbar exotische Hintergrund - glücklicherweise malt ihn Maalouf auf keiner Seite "in den Farben von Tausendundeiner Nacht" aus, wie es der Werbespruch auf dem Buchrücken behauptet - den Leser ködert.
Am Ende weiß man nicht einmal, ob der Autor dieses Buch überhaupt so schreiben wollte oder ob es nur ein glücklich verunglückter Unterhaltungsroman ist. Einmal, wo die Wendung zu unglaubhaft scheint, muß man um die Schlüssigkeit des Plots fürchten. Marta und Baldassare lernen sich lieben. Aber als er erfährt, daß Martas Mann noch lebt und sie vermuten muß, daß sie schwanger ist, eilt sie zu ihrem Mann, der als kleiner Gauner auf Chios lebt. Dieser Sinneswandel ist schwer nachvollziehbar und kaum motiviert, eine offene Wunde in der Konstruktion der Geschichte ebensosehr wie im Gemüt des Helden. Als er von seinen Irrfahrten auf der Suche nach dem Buch zurückgekehrt ist, bricht er nach Chios auf, um sie und das Kind aus den Fängen ihres Mannes zu befreien. Was dann geschieht, schließt Baldassares Wunde ebenso wie die des Buches. Nur ein Kondensstreifen Melancholie hat sich heimlich über den Text gelegt, und während die Motive rätselhaft bleiben, ist der erzählerische Balanceakt überraschend geglückt
Spätestens dieses Buch katapultiert Maalouf in die Ränge ernstzunehmender Literatur. Die humane Botschaft wird nicht mehr auf dem Huckepack von Exotik und überdimensionierter Stoffwahl präsentiert, sondern als Strukturprinzip der Erzählung selbst. Dabei liest es sich spannend und leicht, und wenn man es schließlich beiseite legt, wird man unter all den Neuerscheinungen verzweifelt nach einem ähnlichen Roman suchen.
STEFAN WEIDNER
Amin Maalouf: "Die Reisen des Herrn Baldassare". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Ina Kronenberger. Insel Verlag, Frankfurt 2001. 487 S., geb., 49,80 DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Umtriebig: Amin Maalouf sucht den hundertsten Namen Gottes
Bitte mehr solcher Bücher! Sicher, was Maalouf nicht leistet und nie leisten wird, ist das erzählerische Experiment, die sprachliche Artistik, der ganz andere Blick auf die Dinge. Auch nicht das Bilderstürmen, die neuen Ideen oder das Neumischen der literarischen Spielkarten sucht man in seinem Werk vergebens. Bekannt und beliebt gemacht hat den Autor, der 1993 den Prix Goncourt für "Der Felsen des Tanios" erhielt, nicht die Art seines Schreibens, sondern seine Stoffe: der in die Historie versenkte Clash of Civilisations. "Der Mann aus Mesopotamien" zum Beispiel, über das Leben Manis, des Begründers des Manichäismus, der bei Maalouf als friedliebende, religiöse Toleranz predigende Identifikationsfigur erscheint. Oder die Geschichte von "Leo Africanus", die mit solch markigen Worten anhebt, daß man das Buch entweder sofort weiterlesen oder für immer weglegen muß: "Ich, Hassan, Sohn von Mohammed, dem Waagemeister, ich, Johann Leo von Medici, beschnitten von der Hand eines Papstes, werde heute Africanus genannt, doch komme ich nicht aus Afrika noch aus Europa oder Arabien. Ich bin ein Sohn der Straße, meine Heimat ist die Karawane, und mein Leben ist eine Reise voller Überraschungen."
Als Libanese ist Maalouf für solche Geschichten prädestiniert, er hat die blutigen Auseinandersetzungen der Religionen am eigenen Leib erfahren. Nach einem Jahr Bürgerkrieg verließ er 1976 den Libanon und lebt seither in Paris, Französisch ist seine Federsprache. Das Ausmalen glückender interreligiöser Begegnungen in seinen Historienromanen dient dazu, so Maalouf in einem Interview, "Mythen der Versöhnung" zu schaffen. Sein im letzten Jahr erschienener Essay "Mörderische Identitäten" unternimmt es, den Versöhnungsgedanken auf die Gegenwart zu transponieren und die Globalisierung als Chance für die Völkerverständigung zu begreifen: "Wenn man an etwas glaubt, wenn man die nötige Energie besitzt, die nötige Leidenschaft, die nötige Lebenslust, kann man in den Möglichkeiten, die die heutige Welt bietet, die Mittel finden, einige seiner Träume zu verwirklichen."
Die Versuchung ist groß, auch sein neuestes Buch vor dem Hintergrund des Globalisierungsessays zu lesen, obwohl es im siebzehnten Jahrhundert spielt. Baldassare Embriaco, ein Abkömmling genuesischer Einwanderer, lebt als Kuriositätenhändler und Antiquar in der Fremde, dem Städtchen Gibelet im Libanon. Am Ende sagt er einmal, die Händler trügen mehr zum Weltfrieden bei als jeder andere Stand. Die Parallelen zum Essay beschränken sich nicht auf solche Bonmots. Toleranz und die Ablehnung religiöser Eiferei zählen zu den hervorstechenden Charakterzügen des Helden. Gleichwohl schiebt sich zwischen seine Skepsis immer wieder ein Hauch von Glauben, sogar Aberglauben. Baldassares Identität ist aber schon deshalb nicht mörderisch, weil sie sich im Fluß befindet und er selbst nicht zu sagen weiß, worin sie besteht und wohin er gehört. Er ist ein Mann ohne Eigenschaften im kleinen, auf nichts derart fixiert, daß er sich nicht auch auf anderes einlassen könnte - und eben das tut er. Fast möchte man ihn willensschwach nennen, wenn diese Schwäche nicht zugleich eine große Offenheit wäre, ein "Möglichkeitssinn" durchaus im Sinne Musils. Vor dem Anschein allzugroßer Modernität hat Maalouf seinen Helden allerdings bewahrt, indem er ihn, der Name verpflichtet, mit exakt jener Lebensklugheit versehen hat, die Baldassare Castiglione in seinem Brevier über den "Hofmann" empfiehlt.
Eigentlich aber ist "Die Reisen des Herrn Baldassare" ein Werk, das eigens für das Jahr 2000 verfaßt worden ist. Denn es spielt im Jahr 1666, dem Jahr des apokalyptischen Tieres, für welches ehedem das Ende der Zeit vorhergesagt war. Baldassare glaubt so recht nicht daran, aber ausschließen, daß es so kommt, will und kann er nicht. Zu viele unheimliche, unheilverkündende Ereignisse scheinen sich zu vollziehen. Ein wertvolles, verschollen geglaubtes arabisches Werk, dem die Apokalypsegläubigen nachjagen, fällt in seine Hände. Es heißt "Der hundertste Name" und soll den wirkmächtigsten Gottesnamen enthüllen.
Baldassares Händlergeist siegt über seinen Aberglauben, und noch ehe er Gelegenheit findet, das Werk zu begutachten, hat er es für gutes Geld an einen französischen Diplomaten verkauft, der auf dem Weg nach Konstantinopel ist. Schnell bereut er seine Voreiligkeit und reist dem Käufer hinterher, angestiftet von seinem Neffen, einem überzeugten Endzeitjünger. In seiner libanesischen Heimat ist er ohnedies nicht sonderlich verwurzelt, außer seinem Laden hält ihn nicht viel. Marta, eine Jugendfreundin, die in Konstantinopel Auskunft über ihren verschollenen Mann sucht, schließt sich der Reisegruppe an, außerdem ein jüdischer Händler, der im Auftrag seines Vaters Informationen über Sabbatai Zwi, den vorgeblichen jüdischen Messias, einholen soll.
Zwi ist die einzige historische Persönlichkeit, mit der Baldassare tatsächlich näher in Berührung kommt, und in dieser Zurückhaltung gegenüber der Realhistorie läßt sich der Unterschied zu den früheren Büchern Maaloufs am ehesten festmachen. Während in deren Zentrum immer die Großen der Geschichte standen und Weltbewegendes geschah, kündigt sich hier das Bedeutende nur an, lauert am Horizont und treibt das Geschehen voran, ohne daß es selbst geschähe. Baldassare segelt an den Rändern des Weltgeschehens vorbei wie an den Küsten Europas von Kleinasien nach London, ohne mehr zu sein als ein Zeuge mit Fernglas. Wenn er in Smyrna, auf der Suche nach Martas Mann, die Wege des Sabbatai Zwi kreuzt, so wundert er sich wohl zu Recht, daß dessen clowneskes, allen religiösen und weltlichen Gesetzen hohnsprechendes Auftreten eine solche revolutionäre Wirkung entfaltet. Als er später erfährt, daß Zwi zum Islam übergetreten ist, schwankt er jedoch, ob er ihn dafür verachten soll oder ob sein Verhalten gerade auf die Authentizität seiner Sendung hindeutet.
Dem Leser ist das Geschehen um so rätselhafter, als er davon nur auf Augenhöhe Baldassares erfährt, dessen Tagebücher den Inhalt des Romans bilden. Wie Baldassare erwartet man Kriege, Apokalypsen, Erleuchtungen, Schiffskatastrophen, doch das Eigentliche vollzieht sich dort, wo man es nicht erwartet, im Nächsten und Persönlichsten. Die Erwartungen des Lesers werden unterlaufen, aber da es an überraschenden Wendungen nicht mangelt, werden sie nicht wirklich enttäuscht. Scheint das Ziel der Reisen Baldassares das geheimnisvolle Buch zu sein, ist es tatsächlich die Heimkehr nach Genua. Die Versuchung durch das Buch ist nur der Köder, mit dem ihn das Schicksal angelt, so wie die Verheißung eines Historienschmökers und der scheinbar exotische Hintergrund - glücklicherweise malt ihn Maalouf auf keiner Seite "in den Farben von Tausendundeiner Nacht" aus, wie es der Werbespruch auf dem Buchrücken behauptet - den Leser ködert.
Am Ende weiß man nicht einmal, ob der Autor dieses Buch überhaupt so schreiben wollte oder ob es nur ein glücklich verunglückter Unterhaltungsroman ist. Einmal, wo die Wendung zu unglaubhaft scheint, muß man um die Schlüssigkeit des Plots fürchten. Marta und Baldassare lernen sich lieben. Aber als er erfährt, daß Martas Mann noch lebt und sie vermuten muß, daß sie schwanger ist, eilt sie zu ihrem Mann, der als kleiner Gauner auf Chios lebt. Dieser Sinneswandel ist schwer nachvollziehbar und kaum motiviert, eine offene Wunde in der Konstruktion der Geschichte ebensosehr wie im Gemüt des Helden. Als er von seinen Irrfahrten auf der Suche nach dem Buch zurückgekehrt ist, bricht er nach Chios auf, um sie und das Kind aus den Fängen ihres Mannes zu befreien. Was dann geschieht, schließt Baldassares Wunde ebenso wie die des Buches. Nur ein Kondensstreifen Melancholie hat sich heimlich über den Text gelegt, und während die Motive rätselhaft bleiben, ist der erzählerische Balanceakt überraschend geglückt
Spätestens dieses Buch katapultiert Maalouf in die Ränge ernstzunehmender Literatur. Die humane Botschaft wird nicht mehr auf dem Huckepack von Exotik und überdimensionierter Stoffwahl präsentiert, sondern als Strukturprinzip der Erzählung selbst. Dabei liest es sich spannend und leicht, und wenn man es schließlich beiseite legt, wird man unter all den Neuerscheinungen verzweifelt nach einem ähnlichen Roman suchen.
STEFAN WEIDNER
Amin Maalouf: "Die Reisen des Herrn Baldassare". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Ina Kronenberger. Insel Verlag, Frankfurt 2001. 487 S., geb., 49,80 DM.
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