Zacher und Knoll. Der eine wohnt im nahen Altersheim. Der andere lebt allein und glaubt, er sei selbständig. Sie treffen sich täglich. Auf einer Bank im Park. Sie reden miteinander, gegeneinander und aneinander vorbei. Mit Witz und schrägem Humor. Zugespitzt, lakonisch. Zwischen Hellsicht und Wahn. Voller Trauer und voller Verrücktheit. Alltagsgespräche, die sachte aus dem Ruder laufen. Traum und Wirklichkeit vermischen sich, das Normale rutscht ins Groteske, der Mund ist ein Loch im Kopf. Sie lassen nichts anbrennen.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.09.2014Das plappert sich so weg
Thomas Bergmanns Geschichten von "Zacher & Knoll"
"Ich möchte nicht die nächsten zehn Jahre vom Stuhl fallen", sagt Herr Zacher. "Nicht? Sagen Sie bloß, Sie haben was Besseres vor", sagt Herr Knoll. Sehr viel haben die beiden in der Tat nicht vor. Sie treffen sich täglich auf einer Bank im Park. Zwei Alte, die miteinander reden. Es geht auch gegeneinander oder, ziemlich oft, aneinander vorbei. "Das plappert sich so weg", sagt Knoll über Inge, seine Friseuse. Trotz Glatze geht er gern in den Friseursalon, sie schnippelt, hat zarte Finger und redet in einem fort. Also ungefähr so wie die beiden Alten auf der Parkbank. Da plappert es sich auch so weg. Nur anders. Es plappert sich so allerhand weg zwischen den beiden Alten. Zacher schweigt ab und zu, Knoll sogar recht oft. Dann lauscht er in seinen Kopf hinein, in dem es denkt, das Ding in seinem Kopf. Und aus dem es manchmal die allerdenkwürdigsten Sachen ausspuckt.
Thomas Bergmann, Frankfurter Dokumentarfilmer und Autor, hat für sein jüngstes Buch zwei seltsamen Alten in den Mund gelegt, was er dem Leben abgelauscht hat. "Zacher & Knoll" ist eine entzückend verschrobene Sammlung von Miniaturen, deren Tiefsinn sich bisweilen erst entfaltet, wenn das Grinsen, Kichern und Lachen über die scheinbar banalen Begebenheiten sich wieder gelegt hat. Manchmal sind es nur vier, fünf Zeilen, in denen Bergmann rund um seine beiden Alten eine ganze kleine Welt entwirft. Eine Welt, in der Herr Zacher immer noch glaubt, er sei selbständig, und im Geiste täglich im Büro sitzt. Während Herr Knoll im nahe gelegenen Altenheim wohnt, wo ein Mitbewohner wie der alte Peters, der schon vor Jahren das Reden eingestellt hat, immer wieder vom Stuhl kippt. Nicht aus Spaß, wie Zacher vermutet, denn "so direkt normal ist das ja nicht". "Aus Freude. Aus reiner Freude", korrigiert Knoll.
Dass es auf die Feinheiten nicht nur in dieser Angelegenheit ankommt, weiß Thomas Bergmann. Das ganz genaue Beobachten, die schrägen Ideen und die Volten, die wie Umwege aussehen und doch pfeilgerade in den Kern einer Sache treffen, die sind sein Ding seit gut 40 Jahren.
So lange dreht er mit seiner Lebens- und Arbeitsgefährtin Mischka Popp vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilme. Als Frankfurter Pilotfilm GmbH sind die beiden, mittlerweile 70 Jahre alt, auf der Suche nach dem unbekannten Wesen, dem Menschen nebenan. "Kopfleuchten" heißt etwa einer dieser Filme, in dem es um Leute geht, die anders "ticken", weil ihr Gehirn anders strukturiert oder krank ist. "Augenlied" ist ein Film, der uns Sehenden mit dem so bilderlastigen Medium zeigt, wie es ist, blind zu sein. Und in einem Film wie "Murks" über Pfuschereien ist schon vor geraumer Zeit jener trockene Humor zu spüren gewesen, der nun Bergmanns Geschichten prägt: Er macht sich nie über die Figuren lustig, nur mit ihnen.
Popp und Bergmann, ein untrennbares Team, kennen die Höhen und Tiefen, die Gründe und Abgründe des Menschlichen durch die Recherche für ihre Filmprojekte. Diese Mischung aus einem zutiefst menschenfreundlichen Verständnis und dem unschlagbaren Gespür für den Witz jeder noch so trostlos erscheinenden Situation hat Bergmann nun in diese kleinen Geschichten eingeschlossen, die gewissermaßen auch zum Trost geschrieben worden sind: Im vergangenen Jahr hatte Mischka Popp einen schweren Unfall und war monatelang bewegungsunfähig. Bergmann sorgte nicht nur für die körperliche Genesung der Partnerin, sondern schrieb über die beiden bizarren Alten eine galgenhumorige, lebenszugewandte kleine Geschichtensammlung, um sie aufzuheitern. "Ich kannte mal einen, dessen Großvater war Kellner auf der Titanic", sagte Herr Zacher. "Perfekt", sagte Herr Knoll. "Dem ist nichts hinzuzufügen." Ein Glück, dass dieses Erheiterungsbüchlein jetzt auch andere lesen dürfen.
EVA-MARIA MAGEL
Thomas Bergmann, Zacher & Knoll, Verlag C.H. Beck München, 184 Seiten, 16,95 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Thomas Bergmanns Geschichten von "Zacher & Knoll"
"Ich möchte nicht die nächsten zehn Jahre vom Stuhl fallen", sagt Herr Zacher. "Nicht? Sagen Sie bloß, Sie haben was Besseres vor", sagt Herr Knoll. Sehr viel haben die beiden in der Tat nicht vor. Sie treffen sich täglich auf einer Bank im Park. Zwei Alte, die miteinander reden. Es geht auch gegeneinander oder, ziemlich oft, aneinander vorbei. "Das plappert sich so weg", sagt Knoll über Inge, seine Friseuse. Trotz Glatze geht er gern in den Friseursalon, sie schnippelt, hat zarte Finger und redet in einem fort. Also ungefähr so wie die beiden Alten auf der Parkbank. Da plappert es sich auch so weg. Nur anders. Es plappert sich so allerhand weg zwischen den beiden Alten. Zacher schweigt ab und zu, Knoll sogar recht oft. Dann lauscht er in seinen Kopf hinein, in dem es denkt, das Ding in seinem Kopf. Und aus dem es manchmal die allerdenkwürdigsten Sachen ausspuckt.
Thomas Bergmann, Frankfurter Dokumentarfilmer und Autor, hat für sein jüngstes Buch zwei seltsamen Alten in den Mund gelegt, was er dem Leben abgelauscht hat. "Zacher & Knoll" ist eine entzückend verschrobene Sammlung von Miniaturen, deren Tiefsinn sich bisweilen erst entfaltet, wenn das Grinsen, Kichern und Lachen über die scheinbar banalen Begebenheiten sich wieder gelegt hat. Manchmal sind es nur vier, fünf Zeilen, in denen Bergmann rund um seine beiden Alten eine ganze kleine Welt entwirft. Eine Welt, in der Herr Zacher immer noch glaubt, er sei selbständig, und im Geiste täglich im Büro sitzt. Während Herr Knoll im nahe gelegenen Altenheim wohnt, wo ein Mitbewohner wie der alte Peters, der schon vor Jahren das Reden eingestellt hat, immer wieder vom Stuhl kippt. Nicht aus Spaß, wie Zacher vermutet, denn "so direkt normal ist das ja nicht". "Aus Freude. Aus reiner Freude", korrigiert Knoll.
Dass es auf die Feinheiten nicht nur in dieser Angelegenheit ankommt, weiß Thomas Bergmann. Das ganz genaue Beobachten, die schrägen Ideen und die Volten, die wie Umwege aussehen und doch pfeilgerade in den Kern einer Sache treffen, die sind sein Ding seit gut 40 Jahren.
So lange dreht er mit seiner Lebens- und Arbeitsgefährtin Mischka Popp vielfach ausgezeichnete Dokumentarfilme. Als Frankfurter Pilotfilm GmbH sind die beiden, mittlerweile 70 Jahre alt, auf der Suche nach dem unbekannten Wesen, dem Menschen nebenan. "Kopfleuchten" heißt etwa einer dieser Filme, in dem es um Leute geht, die anders "ticken", weil ihr Gehirn anders strukturiert oder krank ist. "Augenlied" ist ein Film, der uns Sehenden mit dem so bilderlastigen Medium zeigt, wie es ist, blind zu sein. Und in einem Film wie "Murks" über Pfuschereien ist schon vor geraumer Zeit jener trockene Humor zu spüren gewesen, der nun Bergmanns Geschichten prägt: Er macht sich nie über die Figuren lustig, nur mit ihnen.
Popp und Bergmann, ein untrennbares Team, kennen die Höhen und Tiefen, die Gründe und Abgründe des Menschlichen durch die Recherche für ihre Filmprojekte. Diese Mischung aus einem zutiefst menschenfreundlichen Verständnis und dem unschlagbaren Gespür für den Witz jeder noch so trostlos erscheinenden Situation hat Bergmann nun in diese kleinen Geschichten eingeschlossen, die gewissermaßen auch zum Trost geschrieben worden sind: Im vergangenen Jahr hatte Mischka Popp einen schweren Unfall und war monatelang bewegungsunfähig. Bergmann sorgte nicht nur für die körperliche Genesung der Partnerin, sondern schrieb über die beiden bizarren Alten eine galgenhumorige, lebenszugewandte kleine Geschichtensammlung, um sie aufzuheitern. "Ich kannte mal einen, dessen Großvater war Kellner auf der Titanic", sagte Herr Zacher. "Perfekt", sagte Herr Knoll. "Dem ist nichts hinzuzufügen." Ein Glück, dass dieses Erheiterungsbüchlein jetzt auch andere lesen dürfen.
EVA-MARIA MAGEL
Thomas Bergmann, Zacher & Knoll, Verlag C.H. Beck München, 184 Seiten, 16,95 Euro.
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