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Lori sucht die Nähe von Eric, der mehrere Menschen getötet hat. Eric ist irritiert, denn Loris unbefangene Zuneigung ist echt. Das bringt ihn aus dem Konzept - denn eigentlich müsste er so ein Mädchen beseitigen ...

Produktbeschreibung
Lori sucht die Nähe von Eric, der mehrere Menschen getötet hat. Eric ist irritiert, denn Loris unbefangene Zuneigung ist echt. Das bringt ihn aus dem Konzept - denn eigentlich müsste er so ein Mädchen beseitigen ...
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.11.2000

Wenn man einen Lustmörder liebt
Eine verhängnisvolle Suche nach Zärtlichkeit: Robert Cormiers verstörender neuer Jugendroman

Die Welt, die Robert Cormier in seinen Büchern zeichnet, ist alles andere als heil: Da tyrannisieren Schülerbanden die neuen Mitschüler ihrer High School mit subtilen Einschüchterungen und brutaler Gewalt ("Der Schokoladenkrieg"), die Entführung eines Schulbusses endet in einem grausigen Inferno ("Auf der Eisenbahnbrücke"), ein Sechzehnjähriger muß sich mit einem Unfall auseinandersetzen, den sein Vater verschuldet hat und bei dem ein vollbesetztes Kino in Flammen aufging ("Nachts, wenn die Schatten fallen").

Auch in Cormiers neuem Roman "Zärtlichkeit" spielt Gewalt eine wichtige Rolle. Eine der beiden Hauptfiguren ist der achtzehnjährige Eric Poole, der für den Mord an seiner Mutter und seinem Stiefvater eine Jugendstrafe absitzt und kurz vor der Entlassung steht. Nur der Polizist Jake Proctor ahnt, daß Eric, der sich vor Gericht erfolgreich als Opfer sadistischer Eltern ausgegeben und so eine milde Strafe bekommen hat, auch für eine Reihe von Lustmorden verantwortlich ist.

Die zweite Hauptperson ist die fünfzehn Jahre alte Lori. Die Tochter einer überforderten alleinerziehenden Kellnerin hat früh gelernt, eigene Wege zu gehen und ihre Obsessionen auszuleben - am Anfang des Buches reißt sie aus, um in einer anderen Stadt einen Rockstar vor seinem Hotel abzufangen und zu küssen, was ihr auch gelingt. Kurz darauf sieht sie im Fernsehen Bilder von der Entlassung Eric Pooles: "Ich bin wieder fixiert, und wie! Dagegen lässt sich nichts machen. Ich weiß, dass ich Eric Poole finden und ihn küssen, meine Lippen auf seine pressen muss. Nur dadurch kann ich diese neue Fixierung beenden." Tatsächlich ist diese Obsession alles andere als zufällig, wie sich im Verlauf des Romans zeigt.

Aus dieser Konstellation erwächst die immense Spannung des Buchs: Der zwanghafte Mörder auf der vorsichtigen Suche nach neuen Opfern, Lori, die darauf aus ist, ihn zu treffen, und schließlich der Polizist Proctor, der beiden folgt, um einen weiteren Mord zu verhindern und Eric neuerlich, diesmal lebenslang, ins Gefängnis zu bringen. Das Geschehen wird abwechselnd aus Loris und aus Erics Perspektive geschildert, gelegentlich kommt auch die des Polizisten hinzu - ein bewährtes Strukturelement des Thrillers, und als solcher funktioniert der Roman vorzüglich.

Doch die wechselnde Perspektive dient offensichtlich auch der psychologischen Vertiefung, indem eine Annäherung an die beiden ziemlich rätselhaften Hauptfiguren unternommen wird. Dies gelingt eher bei Lori, die in der ersten Person erzählt. Sie sucht verzweifelt nach Akzeptanz und Zärtlichkeit: im Flirt oder im offenherzigen Dialog, in der unbedingten Hingabe an Eric. Sogar einen Mordversuch verzeiht sie ihm. Der jugendliche Gewalttäter hingegen erscheint auch am Ende des Romans so undurchschaubar wie am Anfang. Die Ursachen seiner kühlen Gewalttätigkeit erschließen sich auch beim wiederholten Lesen nicht. Die Gedanken des Jungen, der Zärtlichkeit nur im Einklang mit Gewalt verspüren kann, werden zwar im Zusammenhang der Tat geschildert - was ihn aber letztlich dazu treibt, kann Eric selbst nicht beantworten, und auch der Autor versucht sich, von einer Ausnahme abgesehen, klugerweise nicht an Erklärungen, die in diesem perspektivischen Roman nur stören könnten.

Am Ende allerdings ist die Botschaft allzu deutlich: Eric landet wieder im Gefängnis, diesmal für einen Mord, den er nicht begangen hat. Der alte Polizist ahnt den Irrtum, läßt ihn aber geschehen als ausgleichende Gerechtigkeit für die ungesühnten Morde Erics. Der schert sich wenig darum, sitzt in seiner Zelle und zeigt, auf der letzten Seite des Romans, zu seinem eigenen Erstaunen zum erstenmal Gefühle für einen anderen Menschen: Er weint um Lori.

TILMAN SPRECKELSEN.

Robert Cormier: "Zärtlichkeit". Aus dem Amerikanischen von Cornelia Krutz-Arnold. Verlag Sauerländer, Frankfurt / M. 2000, 222 S., geb., 29,95 DM. Ab 12 J.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Tilman Spreckelsen weiß gut Bescheid über den Autor Robert Cormiers: Alle seine Jugendromane haben es mit Gewalt zu tun, mit der sich Jugendliche auseinandersetzen müssen oder die sie selbst begehen. In seinem neuesten Buch trifft der jugendliche Eltern-Mörder Eric nach seiner Entlassung auf die 15jährige Lori, die ihn aus dem Fernsehen kennt und sich vorgenommen hat, ihn zu küssen. Ein Polizist, der weiß, dass Eric auch ein unerkannter Lustmörder ist, folgt den beiden. Eric landet wieder im Gefängnis, für einen Mord, den er nicht begangen hat. Im Perspektivwechsel der drei "funktioniert der Roman vorzüglich" auch wenn sich die Ursachen von Erics Gewalttätigkeit nicht erschließen, so Spreckelsen. Der Schluss ist ihm "zu deutlich" ausgefallen.

© Perlentaucher Medien GmbH"