"Was haben Al Capone, Napoleon und Spaniens Königreich gemeinsam? Nicht höhere Mächte, sondern irdische Steuern wurden ihnen zum Verhängnis. Capone wanderte nicht wegen organisierter Kriminalität, sondern wegen Steuerhinterziehung hinter Gitter, Napoleon wurde von einer Steuer besiegt, und eine Steuer half dabei, das spanische Weltreich zu zerstören. Steuern waren es, die Maria und Josef nach Bethlehem trieben, Steuern waren an der Entstehung des Zölibats beteiligt, und eine Steuer war der Auslöser für die Gründung der Vereinigten Staaten von Amerika. Seit Menschen über Menschen herrschen, besteuern Menschen andere Menschen - mit Folgen von bisweilen historischen Dimensionen."
Hanno Beck
Aloys Prinz
Hanno Beck
Aloys Prinz
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.12.2010Wirtschaftsbücher
Bescheuert
besteuert
Wer es noch nie getan hat, sollte es jetzt tun: sich mit Steuern beschäftigen. Nicht nur, weil unsere Experten gerade wieder über Reformen brüten, sondern auch, weil es tatsächlich Spaß machen kann. „Zahlungsbefehl“ heißt ein neues Buch von Hanno Beck und Aloys Prinz. Beide sind Professoren – Beck für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Pforzheim, Prinz für Finanzwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster – und beide können schreiben, was auf diesem Fachgebiet nicht selbstverständlich ist.
Die Autoren erzählen Historisches, zur Aufklärung und ein bisschen auch zum Trost, denn besser war es früher auch nicht. Es war nicht die Idee von Gerechtigkeit, die Steuersysteme in grauer Vorzeit bestimmt hat, sondern Pragmatismus. Oft angewendet, um Kriege zu finanzieren. Besteuert wurden diejenigen, die sich am wenigsten wehren konnten.
Es wimmelt in dem Buch von Absurditäten, Grausamkeiten und verquerer Logik. Zum Beispiel gab es in Frankreich bis ins 19. Jahrhundert hinein eine Steuer, die von der Anzahl der Öffnungen der Häuser abhing. Und was taten die Franzosen? Sie bauten von da an so wenig Türen und Fenster wie möglich in ihre Häuser. Das Nachsehen hatte beide; dem Staat entgingen Einnahmen, die Hausbewohner saßen im Finstern. Dumm gelaufen.
Jede Steuer zieht ein Ausweichmanöver nach sich – es sei denn, man hat Skrupel. So wurde im zaristischen Russland eine Steuer auf Bärte erhoben, gestaffelt nach Ständen, „unverschämt hoch“: Rubel her oder Bart ab. Da die Bartrasur als Verhöhnung des Gottesbildes im Menschen galt, blieb Gläubigen nichts anderes übrig, als zu zahlen. Peter der Große wollte das Land angeblich so in die Moderne katapultieren – und natürlich Geld einnehmen.
Die Autoren erzählen das, um verständlich zu machen, welche Folgen all die fiskalischen Angriffe hatten. Sie erklären dabei Fachbegriffe, jubeln einem fast unbemerkt Wörter wie Merkmals-, Kopf-, Vermögens-, Körperschafts- und Börsenumsatzsteuer unter. Diskutiert wird das Leistungsfähigkeitsprinzip, die kalte Progression und die „fixe Idee“, dass man für seine Steuern etwas vom Staat zurückhaben will. Beck und Prinz sagen, warum aus dem deutschen Steuersystem ein löchriger Käse wurde und behandeln breit das Thema der modernen Steuerflucht. Schließlich rechnen sie vor, dass eine Luxussteuer den Armen eher schadet, und dass die Inflation „die gefährlichste Steuer der Welt“ ist.
Und wo bleibt der ultimative Lösungsvorschlag, der jedem abverlangt wird, der kritisiert? Für Beck und Prinz ist klar: „Wer mehr Steuergelder haben will, muss der breiten Masse in die Tasche greifen“. Der Königsweg heißt für sie Einkommensteuerreform, und zwar „weniger Einzelfallregelung, weniger Ausnahmen“. Die Frage, ob das dann gerecht ist, beantworten sie in etwa so: die Steuerbelastung würde dann wenigstens nicht mehr davon abhängen, wie klug der Steuerberater ist und an welches Finanzamt man gerät. Die Steuervereinfachung hätte dazu den Vorteil, dass bei den Finanzämtern nicht mehr so viele Einsprüche eingehen – Ende 2009 lagen dort angeblich zehn Millionen davon, unerledigt, versteht sich.
Aber Beck und Prinz haben kaum Hoffnung, dass es zu einer solchen Reform kommt. Schließlich könnten die Politiker dann weniger politische Geschenke an Interessengruppen verteilen. Realistischer ist für die beiden eine Erhöhung der Mehrwertsteuer: „Sie ist einfach zu ergiebig, als dass eine Regierung an ihr vorbeigehen könnte.“
Marianne Körber
Hanno Beck, Aloys Prinz: Zahlungsbefehl. Von Mord-Steuern, Karussell-Geschäften und Millionärs-Oasen. Hanser-Verlag, München 2010. 262 Seiten. 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Bescheuert
besteuert
Wer es noch nie getan hat, sollte es jetzt tun: sich mit Steuern beschäftigen. Nicht nur, weil unsere Experten gerade wieder über Reformen brüten, sondern auch, weil es tatsächlich Spaß machen kann. „Zahlungsbefehl“ heißt ein neues Buch von Hanno Beck und Aloys Prinz. Beide sind Professoren – Beck für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Pforzheim, Prinz für Finanzwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster – und beide können schreiben, was auf diesem Fachgebiet nicht selbstverständlich ist.
Die Autoren erzählen Historisches, zur Aufklärung und ein bisschen auch zum Trost, denn besser war es früher auch nicht. Es war nicht die Idee von Gerechtigkeit, die Steuersysteme in grauer Vorzeit bestimmt hat, sondern Pragmatismus. Oft angewendet, um Kriege zu finanzieren. Besteuert wurden diejenigen, die sich am wenigsten wehren konnten.
Es wimmelt in dem Buch von Absurditäten, Grausamkeiten und verquerer Logik. Zum Beispiel gab es in Frankreich bis ins 19. Jahrhundert hinein eine Steuer, die von der Anzahl der Öffnungen der Häuser abhing. Und was taten die Franzosen? Sie bauten von da an so wenig Türen und Fenster wie möglich in ihre Häuser. Das Nachsehen hatte beide; dem Staat entgingen Einnahmen, die Hausbewohner saßen im Finstern. Dumm gelaufen.
Jede Steuer zieht ein Ausweichmanöver nach sich – es sei denn, man hat Skrupel. So wurde im zaristischen Russland eine Steuer auf Bärte erhoben, gestaffelt nach Ständen, „unverschämt hoch“: Rubel her oder Bart ab. Da die Bartrasur als Verhöhnung des Gottesbildes im Menschen galt, blieb Gläubigen nichts anderes übrig, als zu zahlen. Peter der Große wollte das Land angeblich so in die Moderne katapultieren – und natürlich Geld einnehmen.
Die Autoren erzählen das, um verständlich zu machen, welche Folgen all die fiskalischen Angriffe hatten. Sie erklären dabei Fachbegriffe, jubeln einem fast unbemerkt Wörter wie Merkmals-, Kopf-, Vermögens-, Körperschafts- und Börsenumsatzsteuer unter. Diskutiert wird das Leistungsfähigkeitsprinzip, die kalte Progression und die „fixe Idee“, dass man für seine Steuern etwas vom Staat zurückhaben will. Beck und Prinz sagen, warum aus dem deutschen Steuersystem ein löchriger Käse wurde und behandeln breit das Thema der modernen Steuerflucht. Schließlich rechnen sie vor, dass eine Luxussteuer den Armen eher schadet, und dass die Inflation „die gefährlichste Steuer der Welt“ ist.
Und wo bleibt der ultimative Lösungsvorschlag, der jedem abverlangt wird, der kritisiert? Für Beck und Prinz ist klar: „Wer mehr Steuergelder haben will, muss der breiten Masse in die Tasche greifen“. Der Königsweg heißt für sie Einkommensteuerreform, und zwar „weniger Einzelfallregelung, weniger Ausnahmen“. Die Frage, ob das dann gerecht ist, beantworten sie in etwa so: die Steuerbelastung würde dann wenigstens nicht mehr davon abhängen, wie klug der Steuerberater ist und an welches Finanzamt man gerät. Die Steuervereinfachung hätte dazu den Vorteil, dass bei den Finanzämtern nicht mehr so viele Einsprüche eingehen – Ende 2009 lagen dort angeblich zehn Millionen davon, unerledigt, versteht sich.
Aber Beck und Prinz haben kaum Hoffnung, dass es zu einer solchen Reform kommt. Schließlich könnten die Politiker dann weniger politische Geschenke an Interessengruppen verteilen. Realistischer ist für die beiden eine Erhöhung der Mehrwertsteuer: „Sie ist einfach zu ergiebig, als dass eine Regierung an ihr vorbeigehen könnte.“
Marianne Körber
Hanno Beck, Aloys Prinz: Zahlungsbefehl. Von Mord-Steuern, Karussell-Geschäften und Millionärs-Oasen. Hanser-Verlag, München 2010. 262 Seiten. 14,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de