10 Tage im Februar: Ein Mann verlässt seine Frau, und die Frau geht ins Kino. Denn das Karussell der Liebe hat sie nie wirklich interessiert, sondern immer nur der nächste Film. Wie konnte es da passieren, dass sich ihr Leben zu einem müden Melodrama entwickelt hat? Es gibt nur eine Person, die ihr helfen kann: die große Regisseurin Jane Campion."Die Liebe ist stärker als der Tod, sagt Maupassant. Das Kino ist stärker als die Liebe, sagt Fendel. Ein extravaganter Roman über die Fallstricke hemmungsloser Liebesverkennung." Hanns Zischler"Es gibt diese Bücher, aus denen man den Blick hebt und sieht: Das Irrlichtern der Gefühle darf nie enden. Hier ist eins davon." Peter Glaser
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.02.2017Männer, die die Couch ausbeulen
Und Frauen im Kino: Heike-Melba Fendels Roman "Zehn Tage im Februar"
Wenn man mit einer Filmkritikerin zusammenlebt, dann ist ein gewisses Interesse an ihrem Metier der Liebesbeziehung wahrscheinlich nicht abträglich - sollte man denken. Bei dem Mann, der mit der Ich-Erzählerin des vorliegenden Romans zusammen ist, die nicht nur im Kino, sondern auch zu Hause auf der Couch ziemlich viele Filme anschaut, scheint das entsprechende Interesse allerdings nicht allzu groß zu sein: "Bei ,Jules et Jim' gesellte er sich nach dreißig Minuten zu mir aufs Sofa und fragte, ob Jeanne Moreau Brigitte Bardot sei."
Kein Wunder, dass diese Beziehung gefährdet ist: Das Buch beginnt denn auch mit dem Auszug des Mannes aus der gemeinsamen Wohnung, den er per Zettel ankündigt: "Ziehe für zehn Tage zu Sepp, das ist besser für uns beide." Es sind dies, winke, winke mit dem Zaunpfahl, nicht irgendwelche zehn Tage, sondern die titelgebenden "Zehn Tage im Februar", also jene der Berlinale. In die für die Erzählerin beruflich wichtigste und anstrengendste Zeit des Jahres also fällt ihre private Krise eines Jahrzehnts, wenn nicht des Lebens.
So arg konstruiert dieses Setting auch wirkt, so unterhaltsam mutet zunächst die Erzählung an. In Rückblenden, die bis in eine ulkige Kölner Studentenzeit und zu einem ersten Chaostrip nach Cannes zurückreichen, motiviert die Erzählerin ihr Interesse am Kino oder zumindest an der Filmwelt und dem zugehörigen Glamourjournalismus, und sie schneidet dazwischen die Episoden der Beziehung zu dem Mann, der sie nun verlassen hat.
Dass diese unter keinem guten Stern stand, hätte sie eigentlich schon früh wissen können: Als die beiden nämlich einmal gemeinsam ins Kino gegangen waren und sich Wong Kar-Wais "In the Mood for Love" angeschaut hatten - einen Film, "in dem zwei ebenfalls Unentschlossene zwischen bauschenden Vorhängen zu Nat King Coles Qizás miteinander rangen", am Ende aber doch kein Paar werden -, mussten sie feststellen, dass ihnen dieser Film gar nicht gutgetan hatte: "Nach Wong Kar-Wai herrschte kein Verlangen zwischen uns."
Was tatsächlich das Problem der Beziehung ist, wird im weiteren Verlauf des Romans allerdings nicht wirklich klar. Aus ihrem protokollierten Erleben der "Auszeit" und ihren Rückblicken zeichnet sich immerhin ab, dass die Erzählerin sich womöglich schon immer mehr für Frauen als für Männer interessiert hat. All ihre Überlegungen kommen jedenfalls auf einen Fixpunkt zurück: Und das ist die neuseeländische Regisseurin Jane Campion, die sie bereits vor deren Welterfolg "Das Piano" auf einem Festival in Schottland kennenlernt und die von da an ihr Leben begleitet. Campions Filme prägen ihr Weltbild ("Von den Männern kommt bei Janes Frauen nur das Echo ihrer Handlungen an", heißt es etwa), und die persönliche Begegnung veranlasst sie gar, ihr Leben zu ändern. Die Berlinale von 2013, bei der Campion ihre Serie "Top of the Lake" vorstellte, ist dann jene, während der dieser Roman spielt, der in der abermaligen Begegnung mit Campion bei einem Interview kulminiert.
Die Übereinstimmungen zwischen der Erzählerin des Buches und seiner Autorin Heike-Melba Fendel, die als Agentin und Journalistin arbeitet, sind deutlich erkennbar: Sie reichen bis zur Erwähnung von Zeitungsartikeln, die tatsächlich unter Fendels Namen erschienen sind. Das verleiht dem Buch nicht selten etwas Kokettes, aber das ist nicht sein größtes Problem. Schwerer wiegt, dass der flapsige Erzählton, der mitunter an Hera Linds "Superweib", mitunter an Helen Fieldings "Bridget Jones" erinnert, langsam, aber sicher immer schaler klingt, je ernsthafter darin trotz Ansätzen von Selbstironie doch ein allgemeiner Männerhass durchschimmert. Über den ausgezogenen Mann erfährt man so gut wie nichts, außer dass er sich offenbar mit Ökonomie beschäftigt und das Sofa dauerhaft ausgebeult hat. Und so ganz lustig ist es dann doch nicht, dass die Erzählerin diesen Menschen tatsächlich über das ganze Buch hinweg nur als "der Mann" bezeichnet.
Zurück bleibt ein merkwürdig heterogener Text aus ansatzweise zynischen Lebensklugheiten, Frauenzeitschrifts-Plattitüden, oft länglichen Berliner Alltagsbeobachtungen und meist ziemlich unmotiviert eingestreuten Kurzrezensionen von Filmen, welche die Erzählerin irgendwann einmal gesehen hat. Und eine gewisse Ratlosigkeit, wenn es zum Beispiel über einen davon heißt, dass darin "Asiaten in Zeitlupe und Dauerregen aufeinander losspringen". Dieses Buch ist sich seiner Stilmittel nicht immer sicher.
JAN WIELE.
Heike-Melba Fendel: "Zehn Tage im Februar". Roman.
Blumenbar Verlag, Berlin 2017. 206 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Und Frauen im Kino: Heike-Melba Fendels Roman "Zehn Tage im Februar"
Wenn man mit einer Filmkritikerin zusammenlebt, dann ist ein gewisses Interesse an ihrem Metier der Liebesbeziehung wahrscheinlich nicht abträglich - sollte man denken. Bei dem Mann, der mit der Ich-Erzählerin des vorliegenden Romans zusammen ist, die nicht nur im Kino, sondern auch zu Hause auf der Couch ziemlich viele Filme anschaut, scheint das entsprechende Interesse allerdings nicht allzu groß zu sein: "Bei ,Jules et Jim' gesellte er sich nach dreißig Minuten zu mir aufs Sofa und fragte, ob Jeanne Moreau Brigitte Bardot sei."
Kein Wunder, dass diese Beziehung gefährdet ist: Das Buch beginnt denn auch mit dem Auszug des Mannes aus der gemeinsamen Wohnung, den er per Zettel ankündigt: "Ziehe für zehn Tage zu Sepp, das ist besser für uns beide." Es sind dies, winke, winke mit dem Zaunpfahl, nicht irgendwelche zehn Tage, sondern die titelgebenden "Zehn Tage im Februar", also jene der Berlinale. In die für die Erzählerin beruflich wichtigste und anstrengendste Zeit des Jahres also fällt ihre private Krise eines Jahrzehnts, wenn nicht des Lebens.
So arg konstruiert dieses Setting auch wirkt, so unterhaltsam mutet zunächst die Erzählung an. In Rückblenden, die bis in eine ulkige Kölner Studentenzeit und zu einem ersten Chaostrip nach Cannes zurückreichen, motiviert die Erzählerin ihr Interesse am Kino oder zumindest an der Filmwelt und dem zugehörigen Glamourjournalismus, und sie schneidet dazwischen die Episoden der Beziehung zu dem Mann, der sie nun verlassen hat.
Dass diese unter keinem guten Stern stand, hätte sie eigentlich schon früh wissen können: Als die beiden nämlich einmal gemeinsam ins Kino gegangen waren und sich Wong Kar-Wais "In the Mood for Love" angeschaut hatten - einen Film, "in dem zwei ebenfalls Unentschlossene zwischen bauschenden Vorhängen zu Nat King Coles Qizás miteinander rangen", am Ende aber doch kein Paar werden -, mussten sie feststellen, dass ihnen dieser Film gar nicht gutgetan hatte: "Nach Wong Kar-Wai herrschte kein Verlangen zwischen uns."
Was tatsächlich das Problem der Beziehung ist, wird im weiteren Verlauf des Romans allerdings nicht wirklich klar. Aus ihrem protokollierten Erleben der "Auszeit" und ihren Rückblicken zeichnet sich immerhin ab, dass die Erzählerin sich womöglich schon immer mehr für Frauen als für Männer interessiert hat. All ihre Überlegungen kommen jedenfalls auf einen Fixpunkt zurück: Und das ist die neuseeländische Regisseurin Jane Campion, die sie bereits vor deren Welterfolg "Das Piano" auf einem Festival in Schottland kennenlernt und die von da an ihr Leben begleitet. Campions Filme prägen ihr Weltbild ("Von den Männern kommt bei Janes Frauen nur das Echo ihrer Handlungen an", heißt es etwa), und die persönliche Begegnung veranlasst sie gar, ihr Leben zu ändern. Die Berlinale von 2013, bei der Campion ihre Serie "Top of the Lake" vorstellte, ist dann jene, während der dieser Roman spielt, der in der abermaligen Begegnung mit Campion bei einem Interview kulminiert.
Die Übereinstimmungen zwischen der Erzählerin des Buches und seiner Autorin Heike-Melba Fendel, die als Agentin und Journalistin arbeitet, sind deutlich erkennbar: Sie reichen bis zur Erwähnung von Zeitungsartikeln, die tatsächlich unter Fendels Namen erschienen sind. Das verleiht dem Buch nicht selten etwas Kokettes, aber das ist nicht sein größtes Problem. Schwerer wiegt, dass der flapsige Erzählton, der mitunter an Hera Linds "Superweib", mitunter an Helen Fieldings "Bridget Jones" erinnert, langsam, aber sicher immer schaler klingt, je ernsthafter darin trotz Ansätzen von Selbstironie doch ein allgemeiner Männerhass durchschimmert. Über den ausgezogenen Mann erfährt man so gut wie nichts, außer dass er sich offenbar mit Ökonomie beschäftigt und das Sofa dauerhaft ausgebeult hat. Und so ganz lustig ist es dann doch nicht, dass die Erzählerin diesen Menschen tatsächlich über das ganze Buch hinweg nur als "der Mann" bezeichnet.
Zurück bleibt ein merkwürdig heterogener Text aus ansatzweise zynischen Lebensklugheiten, Frauenzeitschrifts-Plattitüden, oft länglichen Berliner Alltagsbeobachtungen und meist ziemlich unmotiviert eingestreuten Kurzrezensionen von Filmen, welche die Erzählerin irgendwann einmal gesehen hat. Und eine gewisse Ratlosigkeit, wenn es zum Beispiel über einen davon heißt, dass darin "Asiaten in Zeitlupe und Dauerregen aufeinander losspringen". Dieses Buch ist sich seiner Stilmittel nicht immer sicher.
JAN WIELE.
Heike-Melba Fendel: "Zehn Tage im Februar". Roman.
Blumenbar Verlag, Berlin 2017. 206 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.02.2017In der Summe
Ein Februar- und Filmroman
von Heike-Melba Fendel
In den Wogen einer Trennung fühlt sich das Leben sehr provisorisch an, daher passt kein Monat so sehr zu einem Herzen, das in die Klemme geriet, wie der Februar. Abgesehen davon, dass man nie so gut ins Kino gehen kann wie im Februar, und sich Liebesschmerz mit nichts, aber auch gar nichts so gut begegnen lässt wie mit Kinobesuchen. Den Titel des sehr unterhaltsamen Romans von Heike-Melba Fendel „Zehn Tage im Februar“ kann man also ruhig metaphorisch verstehen, auch wenn sich die Rahmenhandlung konkret auf die zehn Tage der Berlinale 2013 bezieht.
Eine Frau, die im Berliner Stadtteil Alt-Tempelhof lebt, eine nicht näher beschriebenen „Firma“ in der Filmbranche betreibt und über Abendroben verfügt, die sie zu Anlässen auf roten Teppichen trägt, findet einen Zettel in ihrem aufwendig sanierten Eigenheim: Ihr Mann ist ausgezogen, für zehn Tage, das sei besser so für beide, und eine Kontaktsperre hat er ebenfalls verhängt. Ein unilaterales Manöver, auf das die Frau reagiert: „Ich lasse mich nicht verlassen.“ Sie schmeißt sich in ihre Robe, schwingt sich auf ihr Fahrrad und rast zur Berlinale-Eröffnung. Auf Seite 35 sitzt die Erzählerin zum ersten Mal im Kino, „Grandmaster“ von Wong Kar-Wai. Sie versteht den Film nicht, aber das wirft sie ihm nicht vor. Sie und Wong Kar-Wai, den sie nur kurz persönlich getroffen hat in ihrer beruflichen Funktion, haben eine lange und komplizierte Geschichte: „Es gebe Tage, an denen schmecke einem kein Wein, hat mir einmal ein Weinhändler gesagt, als ich mich für keine seiner Empfehlungen entscheiden konnte. Es gibt auch Tage, an denen passt einem kein Film.“
Es gibt allerdings im Leben dieser Frau nichts, was annähernd so stark ist wie ihre Beziehung zum Film. Kommt sie an einem Plakat mit dem Gesicht des Schauspielers Tim Robbins vorbei, kann sie nicht anders, als das Foto auf den Mund zu küssen. „Der Mann“, wie sie ihn ausschließlich nennt, macht sie dauernd nur wütend, in seiner Berechenbarkeit und seinem Wunsch nach einer Existenz ohne existenzielle Dramen. Dass die Erzählerin nachts die Kissen schmutzig weint und tagsüber kaum essen kann vor Verlassenheitsgefühlen, erfahren wir eher nebenbei. Die Freundschaften zu anderen Frauen sind nicht zahlreich und oft belastet, meistens durch deren Männerbeziehungen. Filme sind Referenzrahmen und Resonanzraum für all ihre Lebensphasen – insbesondere die Filme der neuseeländischen Regisseurin Jane Campion.
Jedes zweite Kapitel erzählt in Rückblenden, wie der Film schon früh die Macht über die Lebensentscheidungen der Erzählerin übernommen hat. Als junge Studentin in den späten Siebzigerjahren reist sie von Köln nach Berlin, nur um „Der Pate“ im Kino zu sehen. Eine Berliner Zufallsbekanntschaft empfiehlt ihr, nach Cannes zu reisen. Damit ist ihre Welt eröffnet: „Ich hatte noch nie so viele Filme auf einmal gesehen, vier oder fünf an jedem der zehn Tage. Einige mochte ich, viele sagten mir nichts. Aber in der Summe sagten sie mir etwas. Auch die Summe der Menschen, denen ich begegnet war, und alles, was ich mit ihnen erlebt hatte, sagten mir etwas.“
Und so erzählt Heike Melba-Fendel eine Art doppeltes Coming of Age – das intellektuell-kulturelle Erwachen einer jungen Frau und die emotionale Entwirrung einer nicht mehr ganz so jungen Frau, die zu allem außer zum Stillstand bereit ist. Es ist vielleicht nicht der angenehmste Weg, sein Leben Prinzipien zu unterwerfen, von denen man sagen würde, dass es sie doch nur im Kino gibt. Aber, und das ist die Geschichte, die Fendel umstandslos erzählt, es ist eine Möglichkeit. Irgendwann ist auch der Februar vorbei.
MEREDITH HAAF
Heike-Melba Fendel: Zehn Tage im Februar. Roman. Blumenbar Verlag, Berlin 2017. 208 Seiten,
18 Euro. E-Book 13,99 Euro.
Filme sind Resonanzraum für
all ihre Lebensphasen
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein Februar- und Filmroman
von Heike-Melba Fendel
In den Wogen einer Trennung fühlt sich das Leben sehr provisorisch an, daher passt kein Monat so sehr zu einem Herzen, das in die Klemme geriet, wie der Februar. Abgesehen davon, dass man nie so gut ins Kino gehen kann wie im Februar, und sich Liebesschmerz mit nichts, aber auch gar nichts so gut begegnen lässt wie mit Kinobesuchen. Den Titel des sehr unterhaltsamen Romans von Heike-Melba Fendel „Zehn Tage im Februar“ kann man also ruhig metaphorisch verstehen, auch wenn sich die Rahmenhandlung konkret auf die zehn Tage der Berlinale 2013 bezieht.
Eine Frau, die im Berliner Stadtteil Alt-Tempelhof lebt, eine nicht näher beschriebenen „Firma“ in der Filmbranche betreibt und über Abendroben verfügt, die sie zu Anlässen auf roten Teppichen trägt, findet einen Zettel in ihrem aufwendig sanierten Eigenheim: Ihr Mann ist ausgezogen, für zehn Tage, das sei besser so für beide, und eine Kontaktsperre hat er ebenfalls verhängt. Ein unilaterales Manöver, auf das die Frau reagiert: „Ich lasse mich nicht verlassen.“ Sie schmeißt sich in ihre Robe, schwingt sich auf ihr Fahrrad und rast zur Berlinale-Eröffnung. Auf Seite 35 sitzt die Erzählerin zum ersten Mal im Kino, „Grandmaster“ von Wong Kar-Wai. Sie versteht den Film nicht, aber das wirft sie ihm nicht vor. Sie und Wong Kar-Wai, den sie nur kurz persönlich getroffen hat in ihrer beruflichen Funktion, haben eine lange und komplizierte Geschichte: „Es gebe Tage, an denen schmecke einem kein Wein, hat mir einmal ein Weinhändler gesagt, als ich mich für keine seiner Empfehlungen entscheiden konnte. Es gibt auch Tage, an denen passt einem kein Film.“
Es gibt allerdings im Leben dieser Frau nichts, was annähernd so stark ist wie ihre Beziehung zum Film. Kommt sie an einem Plakat mit dem Gesicht des Schauspielers Tim Robbins vorbei, kann sie nicht anders, als das Foto auf den Mund zu küssen. „Der Mann“, wie sie ihn ausschließlich nennt, macht sie dauernd nur wütend, in seiner Berechenbarkeit und seinem Wunsch nach einer Existenz ohne existenzielle Dramen. Dass die Erzählerin nachts die Kissen schmutzig weint und tagsüber kaum essen kann vor Verlassenheitsgefühlen, erfahren wir eher nebenbei. Die Freundschaften zu anderen Frauen sind nicht zahlreich und oft belastet, meistens durch deren Männerbeziehungen. Filme sind Referenzrahmen und Resonanzraum für all ihre Lebensphasen – insbesondere die Filme der neuseeländischen Regisseurin Jane Campion.
Jedes zweite Kapitel erzählt in Rückblenden, wie der Film schon früh die Macht über die Lebensentscheidungen der Erzählerin übernommen hat. Als junge Studentin in den späten Siebzigerjahren reist sie von Köln nach Berlin, nur um „Der Pate“ im Kino zu sehen. Eine Berliner Zufallsbekanntschaft empfiehlt ihr, nach Cannes zu reisen. Damit ist ihre Welt eröffnet: „Ich hatte noch nie so viele Filme auf einmal gesehen, vier oder fünf an jedem der zehn Tage. Einige mochte ich, viele sagten mir nichts. Aber in der Summe sagten sie mir etwas. Auch die Summe der Menschen, denen ich begegnet war, und alles, was ich mit ihnen erlebt hatte, sagten mir etwas.“
Und so erzählt Heike Melba-Fendel eine Art doppeltes Coming of Age – das intellektuell-kulturelle Erwachen einer jungen Frau und die emotionale Entwirrung einer nicht mehr ganz so jungen Frau, die zu allem außer zum Stillstand bereit ist. Es ist vielleicht nicht der angenehmste Weg, sein Leben Prinzipien zu unterwerfen, von denen man sagen würde, dass es sie doch nur im Kino gibt. Aber, und das ist die Geschichte, die Fendel umstandslos erzählt, es ist eine Möglichkeit. Irgendwann ist auch der Februar vorbei.
MEREDITH HAAF
Heike-Melba Fendel: Zehn Tage im Februar. Roman. Blumenbar Verlag, Berlin 2017. 208 Seiten,
18 Euro. E-Book 13,99 Euro.
Filme sind Resonanzraum für
all ihre Lebensphasen
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
» 'Ich nehme das Kino persönlich', lautet ein Schlüsselsatz, der hier elegant und geistreich eingelöst wird. « tip Berlin 20170309