EINE REISE ZU DEN BERÜHMTESTEN KÜNSTLERKOLONIEN - VON BARBIZON BIS MONTE VERITÀ
Elf Künstlerinnen und Schriftsteller, darunter Truman Capote und Arthur Schnitzler, die Tänzerin Charlotte Bara und Alma Mahler-Werfel, führen uns zu den zehn bedeutendsten Künstlerkolonien. Wir tauchen ein in die besondere Atmosphäre von Barbizon, Worpswede, Capri oder Taormina und ziehen mit einer dort lebenden Person dann weiter in die nächste Gegenwelt - bis wir am Schluss auf dem Monte Verità in Ascona angelangen. Der Schweizer Autor und Ausstellungsmacher Andreas Schwab zeigt in einem farbigen Reigen, wie sich fernab der Ballungszentren neue Lebensstile entwickelten, lange bevor sie sich in der Gesellschaft durchzusetzen begannen
Von den 1830er Jahren an bis weit ins 20. Jahrhundert hinein machen sich Menschen in ganz Europa auf, um Lebens- und Arbeitsgemeinschaften fernab der großen Städte in naturnaher, schöner, zuweilen auch wilder Umgebung zu gründen. Das Leben in Barbizon, der Mutter aller Künstlerkolonien, in Capri, Worpswede oder Ascona ist von bewusster Abgrenzung zur bürgerlichen Gesellschaft bestimmt. Die Aussteiger suchen eine Gegenwelt zur Dichte und zum Konkurrenzdruck in den Städten, zum übersteigerten Nationalismus und dem allgegenwärtigen Krisengefühl. Ohne große soziale Kontrolle entwickeln sich neue Lebensstile, die sich erst deutlich später durchzusetzen beginnen, manche von ihnen erst im 21. Jahrhundert. Dazu gehören die Frauenemanzipation und das Spiel mit verschiedenen Geschlechterrollen ebenso wie das offene Ausleben einer freieren Sexualität. Mit der Zeit entsteht ein Netzwerk von Subkulturen, das von Skagen an der Nordspitze Jütlands bis nach Tanger an der marokkanischen Küste, von der Finistère, der äußersten Spitze der Bretagne, bis nach Korfu reicht. Häufig pendeln sogar Künstlerinnen und Künstler von einem Aussteigerort zum andern. Darunter sind regelrechte Stars, aber auch nur Eingeweihten bekannte Malerinnen wie Marianne Stokes oder zu Unrecht vergessene Schriftstellerinnen wie Maria Lazar. Der Schweizer Autor und Ausstellungsmacher Andreas Schwab hat sie zu einem farbigen Reigen arrangiert - bis wir am Ende auf dem Monte Verità angelangen, wo uns der «wilde Denker» Harald Szeemann in Empfang nimmt
Die Suche nach dem wahren Leben - eine Geschichte der Künstlerkolonien
Mit 70 teilweise unbekannten Abbildungen
Eine Reise von Ort zu Ort
Elf Künstlerinnen und Schriftsteller, darunter Truman Capote und Arthur Schnitzler, die Tänzerin Charlotte Bara und Alma Mahler-Werfel, führen uns zu den zehn bedeutendsten Künstlerkolonien. Wir tauchen ein in die besondere Atmosphäre von Barbizon, Worpswede, Capri oder Taormina und ziehen mit einer dort lebenden Person dann weiter in die nächste Gegenwelt - bis wir am Schluss auf dem Monte Verità in Ascona angelangen. Der Schweizer Autor und Ausstellungsmacher Andreas Schwab zeigt in einem farbigen Reigen, wie sich fernab der Ballungszentren neue Lebensstile entwickelten, lange bevor sie sich in der Gesellschaft durchzusetzen begannen
Von den 1830er Jahren an bis weit ins 20. Jahrhundert hinein machen sich Menschen in ganz Europa auf, um Lebens- und Arbeitsgemeinschaften fernab der großen Städte in naturnaher, schöner, zuweilen auch wilder Umgebung zu gründen. Das Leben in Barbizon, der Mutter aller Künstlerkolonien, in Capri, Worpswede oder Ascona ist von bewusster Abgrenzung zur bürgerlichen Gesellschaft bestimmt. Die Aussteiger suchen eine Gegenwelt zur Dichte und zum Konkurrenzdruck in den Städten, zum übersteigerten Nationalismus und dem allgegenwärtigen Krisengefühl. Ohne große soziale Kontrolle entwickeln sich neue Lebensstile, die sich erst deutlich später durchzusetzen beginnen, manche von ihnen erst im 21. Jahrhundert. Dazu gehören die Frauenemanzipation und das Spiel mit verschiedenen Geschlechterrollen ebenso wie das offene Ausleben einer freieren Sexualität. Mit der Zeit entsteht ein Netzwerk von Subkulturen, das von Skagen an der Nordspitze Jütlands bis nach Tanger an der marokkanischen Küste, von der Finistère, der äußersten Spitze der Bretagne, bis nach Korfu reicht. Häufig pendeln sogar Künstlerinnen und Künstler von einem Aussteigerort zum andern. Darunter sind regelrechte Stars, aber auch nur Eingeweihten bekannte Malerinnen wie Marianne Stokes oder zu Unrecht vergessene Schriftstellerinnen wie Maria Lazar. Der Schweizer Autor und Ausstellungsmacher Andreas Schwab hat sie zu einem farbigen Reigen arrangiert - bis wir am Ende auf dem Monte Verità angelangen, wo uns der «wilde Denker» Harald Szeemann in Empfang nimmt
Die Suche nach dem wahren Leben - eine Geschichte der Künstlerkolonien
Mit 70 teilweise unbekannten Abbildungen
Eine Reise von Ort zu Ort
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Katharina Rudolph kommt bei Andreas Schwab und seiner "Kulturgeschichte der Gegenkultur" kaum mit, so schnell wechselt der Autor von einem Aussteiger zum nächsten. Gern hätte Rudolph etwas länger verweilt bei mancher Tänzerin, manchem Komponisten, Schriftsteller, Lebenskünstler in den von Schwab besuchten Künstlerkolonien von Barbizon bis Taormina. Doch der Autor hat es eilig. Wann immer Schwab sich Zeit nimmt und der jeweiligen Atmosphäre nachspürt, kenntnisreich Gemeinsamkeiten der Orte herausarbeitet oder anhand von Briefen und Tagebüchern weniger bekannte Zeitgenossen vorstellt, ist die Rezensentin glücklich.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.10.2021Wilde Ideen in freier Luft
Erholung vom städtischen Leben: Andreas Schwab erkundet die Atmosphären zehn europäischer Künstlerkolonien.
Das ist das leibhaftige Paradies hier", schreibt die spätere Femme fatale Alma Mahler, die da noch Alma Schindler heißt, am 1. April 1899 in ihr Tagebuch. Sie ist gerade auf Capri angekommen. Zusammen mit Mutter, Halbschwester und Stiefvater besucht die Neunzehnjährige die Blaue Grotte, die ihr mit ihrer "himmlische[n]" Farbe und eigenartigen Schönheit erscheint wie ein "Krystallhaus". Am liebsten möchte sie "ewig bleiben". Der nächtliche Blick aus dem Hotelzimmer auf das silbrig glänzende Meer versetzt sie in "Verzückung". Mit ihrer Begeisterung für das kleine Eiland im Golf von Neapel war sie freilich nicht allein. Maler, Schriftsteller, Intellektuelle, Bohemiens, Aussteiger und Lebensreformer machten sich seit dem neunzehnten Jahrhundert auf den Weg zur Zauberinsel Capri.
Wer sich dort im Laufe der Jahre so alles tummelte, das liest man nun im Buch des Schweizer Historikers und Ausstellungsmachers Andreas Schwab: Karl Wilhelm Diefenbach zum Beispiel, Künstler, Nudist und "Kohlrabi-Apostel", wie man ihn nannte, kam 1899 nach Capri, ließ sich später dauerhaft dort nieder und wandte sich, so Schwab, dem Symbolismus zu; Walter Benjamin verliebte sich 1924 bei einem Aufenthalt in die lettische Theaterpädagogin Asja Lacis; Maxim Gorki lebte über fünf Jahre auf Capri, schipperte mit Fischern zur See, lud sie abends zum Essen ein und empfing auch zahlreiche prominente Gäste, etwa Rilke und Rachmaninow; Viktoria von Baden geriet in den Bann des schwedischen Arztes und Exzentrikers Axel Munthe, der die vermögende Patientin - seit 1907 war sie Königin von Schweden - erst auf die Insel lockte, um sie am Ende doch zurück in die alte Heimat zu schicken. "Orte mit einem 'Heilklima' wie Capri wurden für die gesundheitliche Erholung aufgesucht." Jedoch: "Tunlichst sollte in ihnen nicht gestorben werden, weswegen Ärzte moribunde Patientinnen regelmäßig nach Hause schickten." Viktoria starb 1930, kurz nachdem sie die Insel verlassen hatte.
Zehn europäische Künstlerkolonien erkundet Andreas Schwab, und er greift dabei auf Quellen wie Tagebücher, Briefe, Gemälde, Romane und Reisebroschüren zurück. Von Barbizon geht die collagenhafte Reise nach Skagen am nördlichen Zipfel Jütlands, zum Alpendorf Altaussee und nach Capri, über Taormina, Tanger bis hin zum Berg der Wahrheit, dem Monte Verità in Ascona. Keine "umfassende Darstellung der jeweiligen Schauplätze" ist das erklärte Ziel des Autors, sondern das Spürbarmachen ihrer spezifischen Atmosphären. Kenntnisreich folgt Schwab den Spuren von Malerinnen und Malern, Schriftstellern und Schriftstellerinnen, Komponisten, Tänzerinnen sowie Lebenskünstlern, die zwischen Mitte des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einen, ja manchmal auch mehrere jener Orte besuchten, um dort das Heil fernab der städtischen Zivilisation zu suchen. Sie ließen sich von der Schönheit der Natur sowie der Lebensweise der einheimischen Bevölkerung inspirieren und erprobten alternative Lebensentwürfe. Die Künstlerkolonien waren "Tummelplätze für wilde Ideen" und wurden vielfach zu berauschenden Experimentierfeldern der Moderne.
Besonders aufschlussreich sind jene Passagen (von ihnen hätte man sich noch mehr gewünscht), in denen der Autor Gemeinsamkeiten der Künstlerkolonien herausarbeitet. So verewigten sich beispielsweise viele Malerinnen und Maler in den einschlägigen Herbergen von Barbizon über Pont-Aven bis Skagen, indem sie deren Räume dekorierten oder den Gasthofbesitzern Werke überließen. Noch heute kann man den Speisesaal des Brøndums Hotels, Ende des neunzehnten Jahrhunderts wichtiger Anlaufpunkt der Skagen-Künstler, im Skagens Museum, in das er überführt wurde, besichtigen. Der Leser erfährt außerdem, dass einige Aussteigerorte Refugien für Homosexuelle waren. Capri brachte sein einschlägiger Ruf unter anderem die Bezeichnung "Island of Pleasure" ein, und in Taormina, dem "Blüte-Platz der Queerheit", wie Thomas Mann anmerkte, würden noch heute Ansichtskarten mit "eindeutig zweideutigen Motiven verkauft". So fortschrittlich die Künstlerkolonien in vielerlei Hinsicht waren: Die teils zweifelhaften Beziehungen zu einheimischen Jungen, die mancher Aussteiger unterhielt und durch die Idealisierung der antiken Knabenliebe legitimierte, seien kaum "Anschauungsbeispiel für eine erstrebenswerte liberale Grundhaltung". Auch blickten die Stadtflüchtigen oft mit einer Mischung aus Faszination und Snobismus auf die einheimische Landbevölkerung. Zwar wurde sie immer wieder zum Sujet der zugewanderten Künstler, die malerische Darstellung aber folgte sogar an einem Ort wie Barbizon, nur sechzig Kilometer entfernt von Paris, mitunter Mustern, die man aus kolonialen Kontexten kannte.
Woran es dem Buch mangelt, ist ein deutlicher roter Faden. Meist ziehen in schneller Folge Biographie an Biographie, Anekdote an Anekdote, Bildbeschreibung an Bildbeschreibung, Romandeutung an Romandeutung vor dem Leser vorüber. Das wirkt zuweilen ermüdend. Gerade hat man sich in eine Figur hineingedacht, da wird sie schon abgelöst von der nächsten. Ein bisschen weniger Personal wäre da vielleicht mehr gewesen. Überzeugend ist dagegen die Auswahl der vielen Protagonisten. Bewusst setzt der Autor nicht auf große Namen, sondern erzählt auch und vor allem von weniger prominenten Figuren. Zum Beispiel vom seinerzeit sehr bekannten, heute fast vergessenen Psychiater Otto Gross (1877 - 1920), der sich als "Sexualimmoralist" verstand, auf dem Monte Verità den Niedergang des Patriarchats, Anarchie und freie Liebe predigte, großen Einfluss auf viele expressionistische Schriftsteller hatte und aus der Individualanalyse Sigmund Freuds eine umstürzlerische Gesellschaftsanalyse machen wollte: "Ausschweifung ist für ihn Pflicht", jede andere "Pflichterfüllung lehnt er ab". Auch die Aufmerksamkeit für eine solche Figur ist es, die Schwabs Einblick in die Kulturgeschichte der Gegenkultur zu einer anregenden Lektüre macht. KATHARINA RUDOLPH
Andreas Schwab: "Zeit der Aussteiger". Eine Reise zu den Künstlerkolonien von Barbizon bis Monte Verità.
C. H. Beck Verlag, München 2021. 333 S., Abb., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Erholung vom städtischen Leben: Andreas Schwab erkundet die Atmosphären zehn europäischer Künstlerkolonien.
Das ist das leibhaftige Paradies hier", schreibt die spätere Femme fatale Alma Mahler, die da noch Alma Schindler heißt, am 1. April 1899 in ihr Tagebuch. Sie ist gerade auf Capri angekommen. Zusammen mit Mutter, Halbschwester und Stiefvater besucht die Neunzehnjährige die Blaue Grotte, die ihr mit ihrer "himmlische[n]" Farbe und eigenartigen Schönheit erscheint wie ein "Krystallhaus". Am liebsten möchte sie "ewig bleiben". Der nächtliche Blick aus dem Hotelzimmer auf das silbrig glänzende Meer versetzt sie in "Verzückung". Mit ihrer Begeisterung für das kleine Eiland im Golf von Neapel war sie freilich nicht allein. Maler, Schriftsteller, Intellektuelle, Bohemiens, Aussteiger und Lebensreformer machten sich seit dem neunzehnten Jahrhundert auf den Weg zur Zauberinsel Capri.
Wer sich dort im Laufe der Jahre so alles tummelte, das liest man nun im Buch des Schweizer Historikers und Ausstellungsmachers Andreas Schwab: Karl Wilhelm Diefenbach zum Beispiel, Künstler, Nudist und "Kohlrabi-Apostel", wie man ihn nannte, kam 1899 nach Capri, ließ sich später dauerhaft dort nieder und wandte sich, so Schwab, dem Symbolismus zu; Walter Benjamin verliebte sich 1924 bei einem Aufenthalt in die lettische Theaterpädagogin Asja Lacis; Maxim Gorki lebte über fünf Jahre auf Capri, schipperte mit Fischern zur See, lud sie abends zum Essen ein und empfing auch zahlreiche prominente Gäste, etwa Rilke und Rachmaninow; Viktoria von Baden geriet in den Bann des schwedischen Arztes und Exzentrikers Axel Munthe, der die vermögende Patientin - seit 1907 war sie Königin von Schweden - erst auf die Insel lockte, um sie am Ende doch zurück in die alte Heimat zu schicken. "Orte mit einem 'Heilklima' wie Capri wurden für die gesundheitliche Erholung aufgesucht." Jedoch: "Tunlichst sollte in ihnen nicht gestorben werden, weswegen Ärzte moribunde Patientinnen regelmäßig nach Hause schickten." Viktoria starb 1930, kurz nachdem sie die Insel verlassen hatte.
Zehn europäische Künstlerkolonien erkundet Andreas Schwab, und er greift dabei auf Quellen wie Tagebücher, Briefe, Gemälde, Romane und Reisebroschüren zurück. Von Barbizon geht die collagenhafte Reise nach Skagen am nördlichen Zipfel Jütlands, zum Alpendorf Altaussee und nach Capri, über Taormina, Tanger bis hin zum Berg der Wahrheit, dem Monte Verità in Ascona. Keine "umfassende Darstellung der jeweiligen Schauplätze" ist das erklärte Ziel des Autors, sondern das Spürbarmachen ihrer spezifischen Atmosphären. Kenntnisreich folgt Schwab den Spuren von Malerinnen und Malern, Schriftstellern und Schriftstellerinnen, Komponisten, Tänzerinnen sowie Lebenskünstlern, die zwischen Mitte des neunzehnten und Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einen, ja manchmal auch mehrere jener Orte besuchten, um dort das Heil fernab der städtischen Zivilisation zu suchen. Sie ließen sich von der Schönheit der Natur sowie der Lebensweise der einheimischen Bevölkerung inspirieren und erprobten alternative Lebensentwürfe. Die Künstlerkolonien waren "Tummelplätze für wilde Ideen" und wurden vielfach zu berauschenden Experimentierfeldern der Moderne.
Besonders aufschlussreich sind jene Passagen (von ihnen hätte man sich noch mehr gewünscht), in denen der Autor Gemeinsamkeiten der Künstlerkolonien herausarbeitet. So verewigten sich beispielsweise viele Malerinnen und Maler in den einschlägigen Herbergen von Barbizon über Pont-Aven bis Skagen, indem sie deren Räume dekorierten oder den Gasthofbesitzern Werke überließen. Noch heute kann man den Speisesaal des Brøndums Hotels, Ende des neunzehnten Jahrhunderts wichtiger Anlaufpunkt der Skagen-Künstler, im Skagens Museum, in das er überführt wurde, besichtigen. Der Leser erfährt außerdem, dass einige Aussteigerorte Refugien für Homosexuelle waren. Capri brachte sein einschlägiger Ruf unter anderem die Bezeichnung "Island of Pleasure" ein, und in Taormina, dem "Blüte-Platz der Queerheit", wie Thomas Mann anmerkte, würden noch heute Ansichtskarten mit "eindeutig zweideutigen Motiven verkauft". So fortschrittlich die Künstlerkolonien in vielerlei Hinsicht waren: Die teils zweifelhaften Beziehungen zu einheimischen Jungen, die mancher Aussteiger unterhielt und durch die Idealisierung der antiken Knabenliebe legitimierte, seien kaum "Anschauungsbeispiel für eine erstrebenswerte liberale Grundhaltung". Auch blickten die Stadtflüchtigen oft mit einer Mischung aus Faszination und Snobismus auf die einheimische Landbevölkerung. Zwar wurde sie immer wieder zum Sujet der zugewanderten Künstler, die malerische Darstellung aber folgte sogar an einem Ort wie Barbizon, nur sechzig Kilometer entfernt von Paris, mitunter Mustern, die man aus kolonialen Kontexten kannte.
Woran es dem Buch mangelt, ist ein deutlicher roter Faden. Meist ziehen in schneller Folge Biographie an Biographie, Anekdote an Anekdote, Bildbeschreibung an Bildbeschreibung, Romandeutung an Romandeutung vor dem Leser vorüber. Das wirkt zuweilen ermüdend. Gerade hat man sich in eine Figur hineingedacht, da wird sie schon abgelöst von der nächsten. Ein bisschen weniger Personal wäre da vielleicht mehr gewesen. Überzeugend ist dagegen die Auswahl der vielen Protagonisten. Bewusst setzt der Autor nicht auf große Namen, sondern erzählt auch und vor allem von weniger prominenten Figuren. Zum Beispiel vom seinerzeit sehr bekannten, heute fast vergessenen Psychiater Otto Gross (1877 - 1920), der sich als "Sexualimmoralist" verstand, auf dem Monte Verità den Niedergang des Patriarchats, Anarchie und freie Liebe predigte, großen Einfluss auf viele expressionistische Schriftsteller hatte und aus der Individualanalyse Sigmund Freuds eine umstürzlerische Gesellschaftsanalyse machen wollte: "Ausschweifung ist für ihn Pflicht", jede andere "Pflichterfüllung lehnt er ab". Auch die Aufmerksamkeit für eine solche Figur ist es, die Schwabs Einblick in die Kulturgeschichte der Gegenkultur zu einer anregenden Lektüre macht. KATHARINA RUDOLPH
Andreas Schwab: "Zeit der Aussteiger". Eine Reise zu den Künstlerkolonien von Barbizon bis Monte Verità.
C. H. Beck Verlag, München 2021. 333 S., Abb., geb., 26,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"ein() intellektuelle[r] Reiseführer zu einer ganzen Serie (...) Aussteigerorte"
FOCUS, Uwe Wittstock
"Sein umfassendes Wissen verpackt Schwab unaufdringlich in Form von mal freundlichen, öfters ironischen, hin und wieder aber auch kritischen Plaudereien, würzt dazwischen immer wieder mit intimen Details aus dem Zusammenleben der Künstler:innen und weiß von zarten Romanzen, aber auch von dramatischen Affären zu berichten. Ganz besonders zum Flair des Buches tragen natürlich auch die Illustrationen bei."
Flaneurin, Konrad Holzer
"Schwab zeigt, wie man hier Lebensstile ausprobierte, bevor sie mehrheitsfähig wurden."
Neue Zürcher Zeitung Geschichte, Daniel Di Falco
"Zeigt (...) nebenbei, worin die Besonderheit gegenüber heutigen Aussteigertrends besteht." Die WELT, Marianna Lieder
"Eine unterhaltsame Reise durch die bekanntesten Künstlerkolonien des 19. und 20. Jahrhunderts." Frankfurter Neue Presse
"Heftet sich (...) an die Fersen von Jean-François Millet, Alma Mahler-Werfel, Arthur Schnitzler, Truman Capote oder Charlotte Bara. (...) Was er dort vorfindet? Freiheit, Selbstsuche und neue, obendrein ,gesunde' Lebensweisen." Der Standard, Michael Wurmitzer
"In 'Zeit der Aussteiger' unternimmt Andreas Schwab eine unterhaltsame Reise durch die bekanntesten Künstlerkolonien des 19. und 20. Jahrhunderts. Interessant ist sein Ansatz, vor allem dem Einfluss der Frauen in diesen Kolonien nachzuspüren." Kölner Stadt-Anzeiger
"Gut recherchiertes, lebendig geschriebenes Sachbuch." ART, Barbara Hein
"Die Schilderungen der jeweiligen Aufenthalte fügen sich quasi nebenbei zu einer Kulturgeschichte der intellektuellen Beziehungen. Sie sind angereichert mit vielen historischen Aperçus über den «gemeinsamen Kulturraum Europa» mitten in der Hochzeit des Nationalismus an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert - und auch voll von Anekdotischem, das die hehren Ansprüche der Aussteiger bisweilen relativiert." Neue Zürcher Zeitung, Clemens Klünemann
"Der Historiker Andreas Schwab inspiziert Künstlerkolonien. Er vergleicht die Posen der Selbstdarstellung in den sozialen Medien mit jenen der Aussteiger vor über hundert Jahren." Tages-Anzeiger, Berner Zeitung, Alexander Sury
"Launig, recht unterhaltsam (...) anekdotisch reichhaltig unterfüttert." Buchkultur, Alexander Kluy
"Der Autor und Ausstellungsmacher Andreas Schwab hat die alternativen Orte zu einem farbigen Reigen arrangiert."
SRF, Irene Grüter
"Eine unterhaltsame Reise durch die bekanntesten Künstlerkolonien des 19. und 20. Jahrhunderts."
Gießner Allgemeine
"Es ist wirklich hinreißend hier. Wir genießen beide den Frieden und das ruhige Leben auf dem Land."
Marie Krøyer
"Spannende Geschichten, die weit über die Region hinausgehen - Lektüre, die sich für alle lohnt."
Börsenblatt, Matthias Glatthor, Stefan Hauck
FOCUS, Uwe Wittstock
"Sein umfassendes Wissen verpackt Schwab unaufdringlich in Form von mal freundlichen, öfters ironischen, hin und wieder aber auch kritischen Plaudereien, würzt dazwischen immer wieder mit intimen Details aus dem Zusammenleben der Künstler:innen und weiß von zarten Romanzen, aber auch von dramatischen Affären zu berichten. Ganz besonders zum Flair des Buches tragen natürlich auch die Illustrationen bei."
Flaneurin, Konrad Holzer
"Schwab zeigt, wie man hier Lebensstile ausprobierte, bevor sie mehrheitsfähig wurden."
Neue Zürcher Zeitung Geschichte, Daniel Di Falco
"Zeigt (...) nebenbei, worin die Besonderheit gegenüber heutigen Aussteigertrends besteht." Die WELT, Marianna Lieder
"Eine unterhaltsame Reise durch die bekanntesten Künstlerkolonien des 19. und 20. Jahrhunderts." Frankfurter Neue Presse
"Heftet sich (...) an die Fersen von Jean-François Millet, Alma Mahler-Werfel, Arthur Schnitzler, Truman Capote oder Charlotte Bara. (...) Was er dort vorfindet? Freiheit, Selbstsuche und neue, obendrein ,gesunde' Lebensweisen." Der Standard, Michael Wurmitzer
"In 'Zeit der Aussteiger' unternimmt Andreas Schwab eine unterhaltsame Reise durch die bekanntesten Künstlerkolonien des 19. und 20. Jahrhunderts. Interessant ist sein Ansatz, vor allem dem Einfluss der Frauen in diesen Kolonien nachzuspüren." Kölner Stadt-Anzeiger
"Gut recherchiertes, lebendig geschriebenes Sachbuch." ART, Barbara Hein
"Die Schilderungen der jeweiligen Aufenthalte fügen sich quasi nebenbei zu einer Kulturgeschichte der intellektuellen Beziehungen. Sie sind angereichert mit vielen historischen Aperçus über den «gemeinsamen Kulturraum Europa» mitten in der Hochzeit des Nationalismus an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert - und auch voll von Anekdotischem, das die hehren Ansprüche der Aussteiger bisweilen relativiert." Neue Zürcher Zeitung, Clemens Klünemann
"Der Historiker Andreas Schwab inspiziert Künstlerkolonien. Er vergleicht die Posen der Selbstdarstellung in den sozialen Medien mit jenen der Aussteiger vor über hundert Jahren." Tages-Anzeiger, Berner Zeitung, Alexander Sury
"Launig, recht unterhaltsam (...) anekdotisch reichhaltig unterfüttert." Buchkultur, Alexander Kluy
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SRF, Irene Grüter
"Eine unterhaltsame Reise durch die bekanntesten Künstlerkolonien des 19. und 20. Jahrhunderts."
Gießner Allgemeine
"Es ist wirklich hinreißend hier. Wir genießen beide den Frieden und das ruhige Leben auf dem Land."
Marie Krøyer
"Spannende Geschichten, die weit über die Region hinausgehen - Lektüre, die sich für alle lohnt."
Börsenblatt, Matthias Glatthor, Stefan Hauck