Wenn man die besonders in den letzten fiinf Jahrhunderten sehr dynami sche, sich noch immer beschleunigende Entwicklung Europas bzw. der westlichen Welt und die kulturkritische Diskussion der Gegenwart verste hen will, ist es notwendig, auch die Rolle zu erkennen, die dabei das Ver haltnis zum Phanomen Zeit spielt. In vielen Einzelbeobachtungen ist dies gespiirt und nachgewiesen worden, aber bisher fehlt eine zusammenfas sende Darstellung, wie sie hier versucht wird. Der Kulturbereich, den man mit dem konstituierenden Vorspiel im Orient in geschichtlicher Folge als Abendland, Europa oder…mehr
Wenn man die besonders in den letzten fiinf Jahrhunderten sehr dynami sche, sich noch immer beschleunigende Entwicklung Europas bzw. der westlichen Welt und die kulturkritische Diskussion der Gegenwart verste hen will, ist es notwendig, auch die Rolle zu erkennen, die dabei das Ver haltnis zum Phanomen Zeit spielt. In vielen Einzelbeobachtungen ist dies gespiirt und nachgewiesen worden, aber bisher fehlt eine zusammenfas sende Darstellung, wie sie hier versucht wird. Der Kulturbereich, den man mit dem konstituierenden Vorspiel im Orient in geschichtlicher Folge als Abendland, Europa oder moderne westliche Welt bezeichnet, unterscheidet sich von anderen Kulturen durch ein besonders sensibles, scharf ausgepragtes und in standiger Auseinan dersetzung mit Ideen und Realitaten herausgefordertes und gepragtes, sich wandelndes ZeitbewuBtsein. In keiner anderen Kultur hatte und hat Zeit eine vergleichbar wesentliche Bedeutung. Das europaische ZeitbewuBtsein wurde von friihen Lebenserfahrungen im Vorderen Orient, von religiosen Vorstellungen insbesondere des Juden turns und Christentums, von zunehmender Zeitgliederung durch Uhren und Kalender, von der Entwicklung der Naturwissenschaften, von den Be diirfnissen einer stadtischen und arbeitsteiligen Gesellschaft, von den Ei gengesetzlichkeiten der Wirtschaft und von der Entfaltung des Selbstbe wuBtseins der Bildungseliten sowie spater immer groBerer Schichten der Gesellschaft geformt und aktiviert. Das jeweilige ZeitbewuBtsein einer Epoche griindet also nicht in sich selbst, sondern ist einerseits Ausdruck iibernommener Tradition, andererseits auch eigener Lebenserfahrungen, religioser Erlebnisse, wissenschaftlicher Welterkundung, des Selbstbe wuBtseins innerhalb der Geschichte und der jeweiligen Art, den Sinn des Lebens zu deuten.Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
1. Babylonien.- Die erste Hochkultur leitet aus dem Lauf von Mond und Sonne das kalendarisch gegliederte Jahr ab und verwendet die Zeitmessung beim Aufbau einer Zivilisation.- 2. Iran.- Unbegrenzte und begrenzte, zyklische und gerichtete Zeit.- 3. Judentum.- Hoffnung auf die Zukunft macht lineare Zeit zur Grundvorstellung des Lebens.- 4. Ägypten.- Festhalten der Gegenwartsrealität im Strom linearer Zeit - Begründung des abendländischen Kalenders - Wasser- und Sonnenuhren.- 5. Griechenland.- Der Kern zeitlosen Seins in allem Werden - Rhythmus als gesetzhafte Bändigung der Zeit.- 6. Rom.- Räumliche Vorstellungen - Engerer Gegenwartshorizont - Absicherung der Ordnung gegen die Zeit - Nutzung von Tag und Stunden.- 7. Frühes Christentum.- Bestimmung von Mitte, Ende und Anfang geschichtlicher Zeit - Sensibilisierung des linearen Zeitbewußtseins in der angespannten Wachheit eschatologischen Wartens - Ständig auf Zukunft positiv gerichtete Gegenwart.- 8. Frühes Mittelalter.- Verzögerung und langsame Entfaltung von Zeit- und Zukunftsvorstellungen - Das Heil ist gegenwärtig.- 9. Hoch- und Spätmittelalter.- Vom Raumerleben in der Romanik zu den zeitempfindenden Ansätzen in der Gotik und der modernen Zeitgliederung durch Räderuhren.- 10. Renaissance.- Konstituierung der europäischen Neuzeit durch ein neues, selbstbewußtes Verhältnis zum Phänomen Zeit.- 11. Siebzehntes Jahrhundert.- a) Schlechte Erfahrungen mit der Zeit - Rückzug auf den Augenblick.- b) Weitere Arten des Ausweichens vor linearer Zeit von Pessimismus bis zur Vertiefung des Raumerlebnisses.- c) Befreiung von Vergangenheitsdruck durch rationale Entdeckung von Gesetzlichkeit in der Zeit - ein weltanschaulich verzögerter Prozeß.- d) Die neue Philosophie der Zeit gründet imwissenschaftlichen Denken, sie konstituiert unbegrenzte Kontinuität und Linearität.- e) Die Naturwissenschaften nutzen die Kausalität für gerichtete, unwiderrufliche, kumulative Schritte in die Zukunft.- f) Witterung für die Zukunft - Die das Handeln belebende Kraft der Chance.- g) Gewöhnung an die Uhrenzeit, deren Genauigkeit durch die Pendeluhr sprunghaft gesteigert wird.- h) Musik als zeitlicher Ausdruck der Ordnung und vorwärtsdrängender Willensimpulse.- 12. Achtzehntes Jahrhundert.- a) Vorblick. Auf dem Wege zur systematischen Entdeckung der Zeit und ihrer schöpferischen Möglichkeiten.- b) Von in der Fuge gefangener Zeit und der raum-zeitlichen Einheit im Musikerlebnis bis zur Freude am Tempo.- c) Bessere Uhren, vielfache Verwendung, zunehmende Verbreitung.- d) Fromme und ökonomische Nutzung der von Gott zur Verfügung gestellten, vom Menschen gegliederten Zeit.- e) Verhaltene, undeutliche Zeitempfindungen.- f) Chiliasmus im 18. Jahrhundert: Christliche Außenseiter intensivieren das Zukunftserlebnis.- g) Utopien zeigen nicht die bessere Zukunft, aber den alternativen Spielraum.- h) Die Entdeckung des Phänomens der Geschichte und ihrer Epochen.- i) Von zeitlos-systematischen Vorstellungen zur Verzeitlichung des Denkens über die Natur.- k) Die Entstehung des Fortschrittsdenkens.- 1) Das dreifache Zeitexperiment der Französischen Revolution.- 13. Neunzehntes Jahrhundert.- a) Vorblick. Von Goethe und der Romantik bis zum Höhepunkt des Fortschrittsglaubens.- b) Das Zeitbewußtsein in der Epoche der Klassik.- c) Der Protest der Romantik gegen das lineare Zeitbewußtsein.- d) Wissenschaften betonen das Prinzip der Kontinuität.- e) Zeitökonomie: Beschleunigung, intensivere Zeitnutzung, mehr Zeitkontrolle.- f) Das moderne historische Zeitbewußtsein undder Fortschrittsgedanke.- g) Darwinismus und Marxismus - zwei Konzeptionen der kausalen Gesetzlichkeit in Natur und Geschichte.- h) Wandlungen im Lebensstil: Wertung des aktuellen Moments. Unterschiede im Raum verlieren, Differenzen in der Zeit gewinnen an Bedeutung.- i) Zeitmessung und Zeiterlebnis. Leben mit Uhren. Auswirkungen in Literatur, Kunst und Musik.- k) Zwiespältigkeit in Kultur und Zeitbewußtsein. Nietzsches Versuch, zeitliches Werden und zeitloses Sein zu verbinden.- 14. Zwanzigstes Jahrhundert.- a) Vorblick. Höchste Steigerung und Problematisierung des Zeitbewußtseins.- b) Neue Impulse der Wissenschaften für das Zeitdenken.- c) Der Fortschritt als Tatsache, seine ideologische Übersteigerung und die Zweifel an seiner Gültigkeit.- d) Wie Menschen ihre Lebenszeit heute gliedern und messen.- e) »Tempo« als Phänomen des 20. Jahrhunderts. Die Realität, die Begeisterung im »Futurismus« und die kritischen Stimmen.- f) Zeitnutzung durch Leistung in Wirtschaft und Sport.- g) Zeitsensibilität in den modernen Künsten.- h) Bilanz des gegenwärtigen Zeitbewußtseins.- Nachwort.- Anmerkungen.- Namenregister.
1. Babylonien.- Die erste Hochkultur leitet aus dem Lauf von Mond und Sonne das kalendarisch gegliederte Jahr ab und verwendet die Zeitmessung beim Aufbau einer Zivilisation.- 2. Iran.- Unbegrenzte und begrenzte, zyklische und gerichtete Zeit.- 3. Judentum.- Hoffnung auf die Zukunft macht lineare Zeit zur Grundvorstellung des Lebens.- 4. Ägypten.- Festhalten der Gegenwartsrealität im Strom linearer Zeit - Begründung des abendländischen Kalenders - Wasser- und Sonnenuhren.- 5. Griechenland.- Der Kern zeitlosen Seins in allem Werden - Rhythmus als gesetzhafte Bändigung der Zeit.- 6. Rom.- Räumliche Vorstellungen - Engerer Gegenwartshorizont - Absicherung der Ordnung gegen die Zeit - Nutzung von Tag und Stunden.- 7. Frühes Christentum.- Bestimmung von Mitte, Ende und Anfang geschichtlicher Zeit - Sensibilisierung des linearen Zeitbewußtseins in der angespannten Wachheit eschatologischen Wartens - Ständig auf Zukunft positiv gerichtete Gegenwart.- 8. Frühes Mittelalter.- Verzögerung und langsame Entfaltung von Zeit- und Zukunftsvorstellungen - Das Heil ist gegenwärtig.- 9. Hoch- und Spätmittelalter.- Vom Raumerleben in der Romanik zu den zeitempfindenden Ansätzen in der Gotik und der modernen Zeitgliederung durch Räderuhren.- 10. Renaissance.- Konstituierung der europäischen Neuzeit durch ein neues, selbstbewußtes Verhältnis zum Phänomen Zeit.- 11. Siebzehntes Jahrhundert.- a) Schlechte Erfahrungen mit der Zeit - Rückzug auf den Augenblick.- b) Weitere Arten des Ausweichens vor linearer Zeit von Pessimismus bis zur Vertiefung des Raumerlebnisses.- c) Befreiung von Vergangenheitsdruck durch rationale Entdeckung von Gesetzlichkeit in der Zeit - ein weltanschaulich verzögerter Prozeß.- d) Die neue Philosophie der Zeit gründet imwissenschaftlichen Denken, sie konstituiert unbegrenzte Kontinuität und Linearität.- e) Die Naturwissenschaften nutzen die Kausalität für gerichtete, unwiderrufliche, kumulative Schritte in die Zukunft.- f) Witterung für die Zukunft - Die das Handeln belebende Kraft der Chance.- g) Gewöhnung an die Uhrenzeit, deren Genauigkeit durch die Pendeluhr sprunghaft gesteigert wird.- h) Musik als zeitlicher Ausdruck der Ordnung und vorwärtsdrängender Willensimpulse.- 12. Achtzehntes Jahrhundert.- a) Vorblick. Auf dem Wege zur systematischen Entdeckung der Zeit und ihrer schöpferischen Möglichkeiten.- b) Von in der Fuge gefangener Zeit und der raum-zeitlichen Einheit im Musikerlebnis bis zur Freude am Tempo.- c) Bessere Uhren, vielfache Verwendung, zunehmende Verbreitung.- d) Fromme und ökonomische Nutzung der von Gott zur Verfügung gestellten, vom Menschen gegliederten Zeit.- e) Verhaltene, undeutliche Zeitempfindungen.- f) Chiliasmus im 18. Jahrhundert: Christliche Außenseiter intensivieren das Zukunftserlebnis.- g) Utopien zeigen nicht die bessere Zukunft, aber den alternativen Spielraum.- h) Die Entdeckung des Phänomens der Geschichte und ihrer Epochen.- i) Von zeitlos-systematischen Vorstellungen zur Verzeitlichung des Denkens über die Natur.- k) Die Entstehung des Fortschrittsdenkens.- 1) Das dreifache Zeitexperiment der Französischen Revolution.- 13. Neunzehntes Jahrhundert.- a) Vorblick. Von Goethe und der Romantik bis zum Höhepunkt des Fortschrittsglaubens.- b) Das Zeitbewußtsein in der Epoche der Klassik.- c) Der Protest der Romantik gegen das lineare Zeitbewußtsein.- d) Wissenschaften betonen das Prinzip der Kontinuität.- e) Zeitökonomie: Beschleunigung, intensivere Zeitnutzung, mehr Zeitkontrolle.- f) Das moderne historische Zeitbewußtsein undder Fortschrittsgedanke.- g) Darwinismus und Marxismus - zwei Konzeptionen der kausalen Gesetzlichkeit in Natur und Geschichte.- h) Wandlungen im Lebensstil: Wertung des aktuellen Moments. Unterschiede im Raum verlieren, Differenzen in der Zeit gewinnen an Bedeutung.- i) Zeitmessung und Zeiterlebnis. Leben mit Uhren. Auswirkungen in Literatur, Kunst und Musik.- k) Zwiespältigkeit in Kultur und Zeitbewußtsein. Nietzsches Versuch, zeitliches Werden und zeitloses Sein zu verbinden.- 14. Zwanzigstes Jahrhundert.- a) Vorblick. Höchste Steigerung und Problematisierung des Zeitbewußtseins.- b) Neue Impulse der Wissenschaften für das Zeitdenken.- c) Der Fortschritt als Tatsache, seine ideologische Übersteigerung und die Zweifel an seiner Gültigkeit.- d) Wie Menschen ihre Lebenszeit heute gliedern und messen.- e) »Tempo« als Phänomen des 20. Jahrhunderts. Die Realität, die Begeisterung im »Futurismus« und die kritischen Stimmen.- f) Zeitnutzung durch Leistung in Wirtschaft und Sport.- g) Zeitsensibilität in den modernen Künsten.- h) Bilanz des gegenwärtigen Zeitbewußtseins.- Nachwort.- Anmerkungen.- Namenregister.
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