Analyse des Phänomens Zeit
In diesem Buch beschäftigt sich Wissenschaftsautor Stefan Klein aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Phänomen Zeit. Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil geht es um die Entstehung und Beeinflussung der inneren Zeit, im zweiten Teil um die
(sinnvolle) Nutzung der Zeit und im dritten Teil um die Zeit aus dem Blickwinkel der Physik bzw. der…mehrAnalyse des Phänomens Zeit
In diesem Buch beschäftigt sich Wissenschaftsautor Stefan Klein aus unterschiedlichen Perspektiven mit dem Phänomen Zeit. Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil geht es um die Entstehung und Beeinflussung der inneren Zeit, im zweiten Teil um die (sinnvolle) Nutzung der Zeit und im dritten Teil um die Zeit aus dem Blickwinkel der Physik bzw. der Kosmologie.
Autor Klein beschreibt einen Versuch, bei dem es um die Orientierung über die Zeit geht. Ein Forscher lässt sich in einer Höhle einschließen ohne gewohnte Bezugspunkte zum (äußeren) zeitlichen Ablauf. Der persönliche Rhythmus, so das Ergebnis des Experiments, weicht von der äußeren Zeit ab. Die biologische Uhr tickt anders und unabhängig von dieser Körperzeit erzeugt das Bewusstsein sein eigenes Zeitempfinden, die innere Zeit.
Es ist diese innere Zeit, mit der sich Klein nachfolgend beschäftigt. Der Mensch hat keinen eigenen Zeitsinn. „Obwohl das Gehirn Bewegungen auf Hundertstelsekunden genau steuert, fällt es uns schwer, Zeiten zu schätzen und ihre Dauer zu benennen.“ (63) Das Zeitgefühl ergibt sich aus dem Zusammenspiel vieler Schaltungen im Gehirn. Unser Gefühl für Zeitspannen, die länger als ein paar Minuten dauern, ist unpräzise.
„Gehirne entstanden nicht, damit ihre Besitzer möglichst bewusst ihre Umwelt wahrnehmen, sondern als Werkzeuge im Überlebenskampf.“ (109) Diese an Hoimar von Ditfurth erinnernde Aussage erklärt auch, warum wir ein subjektives Zeitempfinden haben. Bei Routinetätigkeiten erlahmt die bewusste Aufmerksamkeit und damit das Zeitgefühl.
Dieser erste Teil des Buches, in dem es um die Entstehung und das Erleben der inneren Zeit geht, ist der interessanteste Teil des Buches. Hier werden Grundlagen geschaffen und aufschlussreiche Versuche beschrieben, z.B. das Experiment des Neuropsychologen Douglas Cunningham zur Verzerrung der Zeit im Bewusstsein. (98)
Im zweiten Teil des Buches beschäftigt sich Klein mit dem zunehmenden Zeittakt und dessen Auswirkungen auf das berufliche und private Umfeld. Er entlarvt Unkonzentriertheit, Stress und Unlust als Zeiträuber. (169) Ablenkung führt zu Konzentrationsschwächen und fehlende Kontrolle über die Zeit führt zu Stress.
Diese Erkenntnisse sind nicht wirklich neu. Die Darstellungen wirken zudem ein wenig schwammig. Das wird spätestens bei der Behandlung des dritten Parameters Unlust deutlich. Statt die Unlust (oder fehlende Motivation) als Zeiträuber zu analysieren, beschreibt Klein familienfreundliche Arbeitszeitmodelle.
Der Blickwinkel der Physik steht im dritten Teil des Buches im Fokus. Wenn es um den Zeitbegriff geht, dürfen Newton und Einstein nicht fehlen. „Zeit hängt davon ab, wie sich ein Beobachter zu dem bewegt, was er sieht“ (249) und „So hat Einstein Schluss gemacht mit der absoluten Zeit, die Newton einst prägte“ (252), sind keine neuen Erkenntnisse. Dennoch sind die Beispiele zur Erläuterung der Relativität anschaulich und damit gelungen.
Die (philosophische) Ausgangsfrage des dritten Teils „Was Zeit ist“ kann Klein nicht beantworten. Dafür reichen die Werkzeuge der Physik, die sich damit beschäftigt, wie die Dinge funktionieren, nicht aus. Auch ist dieser dritte Teil mit 27 Seiten etwas zu kurz geraten. Z.B. könnte die Frage diskutiert werden, ob Raum und Zeit fundamentale Konzepte sind oder aus fundamentaleren Bestandteilen abgeleitet sind.
Das Buch ist (auch) ein Ratgeber. Das wird nicht nur im Epilog deutlich. Dort werden den Lesern Vorschläge unterbreitet, wie sie mit der Zeit umgehen können. Der Epilog erfüllt das, was auf dem Buchdeckel steht. Er ist eine (m.E. nicht notwendige) Gebrauchsanleitung für eine neue Kultur der Zeit. Stefan Klein ist ein qualifizierter Wissenschaftsautor. Von den mittlerweile vier Büchern, die ich von ihm gelesen habe, steht „Zeit“ aber nur an vierter Stelle.