Der Roman ist im Klappentext angekündigt als Liebesroman, was mich anfangs eher zögern ließ, das Buch zu lesen. Ich habe mich aber trotzdem dazu entschlossen und war sehr positiv überrascht, dass die Liebesgeschichte zwischen Adèle und Wilhelm zwar immer im Hintergrund präsent ist, aber doch
insgesamt eine untergeordnete Rolle spielt. Es handelt sich bei diesem Buch viel mehr um einen…mehrDer Roman ist im Klappentext angekündigt als Liebesroman, was mich anfangs eher zögern ließ, das Buch zu lesen. Ich habe mich aber trotzdem dazu entschlossen und war sehr positiv überrascht, dass die Liebesgeschichte zwischen Adèle und Wilhelm zwar immer im Hintergrund präsent ist, aber doch insgesamt eine untergeordnete Rolle spielt. Es handelt sich bei diesem Buch viel mehr um einen Familienroman vor dem Hintergrund des 1. Weltkriegs. Die familiäre Konstellation ist sehr interessant, der Freiherr Richard von Schwemer ist verheiratet mit Helène geborene d’Alsace, eines alten elsässischen Adelsgeschlecht. So verbringen die Kinder der Familie ihre Sommerferien regelmäßig im Elsass und werden so auch mit einer anderen Mentalität konfrontiert.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich. Wilhelm wird anfangs als charakterschwaches Muttersöhnchen dargestellt, das alles tut, um seinem Vater zu gefallen. Er findet aber sehr schnell zu sich und zeigt im Laufe des Romans immer mehr Charakter. Dafür ist seine geliebte Adèle für mich leider konturlos geblieben. Sie taucht immer mal wieder auf, hat aber nicht wirklich die Präsenz, die ihr angesichts der Tatsache, dass sie ja laut Klappentext eine der beiden Hauptfiguren ist, zukommen sollte. Eine sehr interessante Figur hat Karsten Flohr in Wilhelms Schwester Elisabeth geschaffen. Sie ist sehr eigenwillig, nimmt wenig Rücksicht auf Konventionen und engagiert sich in der aufkeimenden Frauenbewegung. Zu Vater Richards’ Entsetzen hat sie an einem Ball, den dieser zu Ehren von Wilhelms Verlobung ausgerichtet hat, einen Hosenanzug getragen. Sie ist aber dennoch sehr familiär und stellt während dem Krieg für ihre jüngeren Geschwister den ruhenden Pol dar.
Hauptsächlich ist das Buch aus Wilhelms Perspektive in der Erzählweise des allwissenden Erzählers dargestellt. Ich fand die Beschreibungen des Lebens als Soldat in den Monaten des ausbrechenden 1. Weltkriegs sehr interessant und habe da recht viel Neues gelernt. Ebenfalls interessant fand ich die Reise nach Togo. Mir war nicht bewusst, dass dieses Land eine so wichtige Kolonie für Deutschland war. Nicht so ganz gut gelungen ist meiner Ansicht nach die Darstellung der Wirren um das Elsass. Das konnte ich nur schwer nachvollziehen und mag vielleicht auch ein Grund sein, warum Adèle so schwach geblieben ist.
Die zeitliche Orientierung hat mir bei der Lektüre teilweise etwas Schwierigkeiten bereitet. Ich ziehe es vor, wenn an Anfang des Kapitels die Zeit vermerkt ist, gerade wenn doch recht zeitliche Zeitsprünge stattfinden.
Um meine zeitlichen Schwierigkeiten etwas zu entwirren, habe ich die historisch relevanten Ereignisse ein bisschen recherchiert. Dabei ist mir auch aufgefallen, dass es durchaus kleiner Ungenauigkeiten gibt. Ich finde, dass der Dramaturgie geschuldete Veränderungen an der Historie durchaus akzeptaber sind, aber in einem Nachwort erklärt gehören. Etwas irritiert haben mich einige Fehler und Namensvertauscher. Das ist aber nichts, was in einer weiteren Ausgabe nicht leicht korrigiert werden könnte.
Mir hat dieses Debüt von Karsten Flohr im Verlaufe des Buches immer besser gefallen. Es zeigt, wie eine Familie aus altem deutschem Adel die Wirren des 1. Weltkriegs erlebt. Ich habe eine mir neue und interessante Sichtweise auf den Ausbruch des 1. Weltkriegs erfahren. Da ich nicht ein besonderer Fan von Liebesromanen bin, war ich eher erleichtert, dass die Liebesgeschichte zwischen Adèle und Wilhelm eher nebensächlich ist.
Ich empfehle das Buch Lesern, die interessiert sind in Familienromanen vor historischem Hintergrund.