In August 2005, as Hurricane Katrina blew in the city of New Orleans has been abandoned by most citizens. But resident Abdulrahman Zeitoun, though his wife and family had gone, refused to leave. For days he traversed an apocalyptic landscape of flooded streets by canoe. But eventually he came to the attention of those 'guarding' this drowned city.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.2011Sie hatten ihn gebrochen
In "Zeitoun" erzählt Dave Eggers die wahre Geschichte eines Mannes, der nach dem Hurrikan "Katrina" wegen des Verdachts auf Terrorismus festgenommen wurde. Sein Buch ist ein Meilenstein im Möglichkeitsraum zwischen Fiktion und Realität.
Nachrichtenbilder über Katastrophen produzieren eine Bandbreite von Emotionen. Einer der gespenstischsten Momente beim Betrachten tritt ein, wenn man sich sekundenweise dabei ertappt, das reale Geschehen mit dem Blick eines routinierten Kinobesuchers erfasst zu haben, der ahnt, was folgt. Der fiktive Film, die Erzählung, scheint der Wirklichkeit einen Schritt voraus. Er bestimmt, wie wir wahrnehmen und was wir erwarten. Von "King Kong" bis "2012" hat sich ein Regelwerk ausgebildet. Es dramatisiert den Stoff weniger, um zu informieren, als vielmehr, um den Betrachter bestmöglich in Spannung zu versetzen. Meistens ist es dabei unerheblich, ob nun Moby Dick Menschen verschlingt, Außerirdische wüten oder die Eiszeit alles mit Stille überzieht.
Eine der wichtigsten Regeln für Filme solcher Art nutzt auch der amerikanische Autor Dave Eggers für seinen Tatsachenroman "Zeitoun" über die Erlebnisse der gleichnamigen Familie während des Hurrikans "Katrina" 2005 in New Orleans: die Regel, mit viel Sanftmut zunächst den Blick auf die Menschen zu richten, die der Sturm später vernichten wird. Und doch wird er diese Regel kunstvoll unterlaufen.
"Zeitoun" beginnt bieder, wie ein klassischer, amerikanischer Mittelstandsroman. Wir begleiten die Familie Zeitoun durch einen normalen Tag: Mutter Kathy, wie sie die vier Kinder zur Schule fährt und danach im Auto für eine halbe Stunde durchatmet, bevor der übliche Stress sie durch weitere, arbeitsame Stunden treibt; Abdulrahman Zeitoun, ihr Mann, "robust, genügsam, bedürfnislos", und Inhaber eines Malerbetriebs, wie er seine Baustellen abfährt und Häuser sturmfest macht. An Stürme hat man sich in der Gegend gewöhnt. Man handelt, berät sich, bleibt pragmatisch, selbst jetzt, mit Herannahen von "Katrina". Das einzig Besondere an dieser Familie ist vielleicht, dass nicht nur Herr Zeitoun, der aus Syrien stammt, wie ein frommer Muslim lebt - auch Kathy, in Amerika aufgewachsen, ist vor fünfzehn Jahren konvertiert. Sie trägt Hijab und muss sich dafür oft rechtfertigen. Vor allem seit dem 11. September fühlt sie wie viele eine neue Aggression im Land. Im nahen Umfeld aber ist die Familie geschätzt und integriert.
Dass dieses Familienporträt bei Dave Eggers nun gerade nicht zum leeren Kunstgriff wird, der - wie im Katastrophenfilm - die Zerstörung der geschilderten Idylle erfahrungsgemäß vorbereiten hilft, ist eine der Überraschungen dieses Textes, der informiert, statt zu unterhalten - und trotzdem fesselt. Der unaufgeregte Beginn erfüllt unsere Erwartungen ohnehin nur bedingt. Denn es ist nicht allein die Naturgewalt, die dieser Familie zusetzt. Eggers erzählt hinter der offensichtlichen Sturmmacht von einer ganz anderen Katastrophe. Er erzählt, wie Menschen den Glauben an das Gute verlieren, aus Ohnmacht gegen das, was die Umwelt in ihnen sehen will. Damit rollt Eggers ein beschämend wahres Kapitel jüngster amerikanischer Vergangenheit auf. Genau deshalb und unter diesem Aspekt ist sein Buch zu lesen.
Als das Wasser kommt, haben Kathy und die Kinder die Stadt schon verlassen. Nur der sture Zeitoun ist geblieben, ein wenig womöglich aus Abenteuerlust - die See hat ihn stets verführt -, aber auch aus dem tiefen Gefühl heraus, dass dies Gottes Wille sei. Dave Eggers erzählt von den Folgen des Sturms aus der außerordentlichen Ruhe seiner Figur heraus. Keine sich dramatisch steigernden Wetterprognosen mehr. Das Unabänderliche ist eingetreten - und die Straßen von New Orleans sind über Nacht eine andere Welt. Hypnotische Stille liegt über der Stadt, die Zeitoun vom Garagendach aus sieht, auf dem er ein Zelt aufgeschlagen hat. Nachts beugt er sich über gerettete Fotos aus Syrien und seiner Vergangenheit. Tagsüber paddelt er mit seinem Kanu über neue Wasseradern und ergründet die veränderten physikalischen Gesetze der Stadt. Er bringt zurückgelassenen Hunde aufgetaute Tiefkühlkost. Er rettet eine alte Frau und macht sich nützlich, wo er kann. Nie im Traum hätte er ermessen, was mit ihm dann bald passiert. Wie Dave Eggers diesen unerschütterlichen Glauben, diesen keineswegs naiven, vielmehr grundehrlichen Charakterzug dieses freiheitsliebenden Mannes erfasst, wie er diesen Amerikaner einbettet in eine mehr und mehr surreale, aus den Fugen geratende Welt, ist meisterhaft.
Die Emsigkeit dieser modernen Noah-Figur im Niemandsland erfährt einen jähen Stopp, als Zeitoun vier bewaffneten Männern gegenübersteht. Sicherlich nicht wegen der Spannung, vielmehr um das Bangen mit allen Nuancen in den Blick zu bekommen, erzählt Dave Eggers jetzt erst längere Zeit von Kathy: Von einem Tag auf den anderen bleibt die Telefonleitung zum verabredeten Zeitpunkt tot. Die Medien berichten von Chaos und Seuchen. Fast gibt sie ihren Mann schon auf. Und als man dann vom Martyrium Zeitouns liest, das Eggers nach genauer Recherche und zahlreichen Interviews mit nüchterner Sachlichkeit ausstellt, ergreift einen der Schatten jener Ohnmacht, die Menschen wie Zeitoun lähmte.
Zufällig ins Visier einer Machtmaschinerie geraten, die in jedem arabisch aussehenden Mann einen Terroristen wittert, der das Chaos nach dem Sturm in New Orleans zur verdeckten Durchführung von Attentaten nutzt, wird Zeitoun mit drei anderen Männern verhaftet. "Sie hatten irgendetwas an sich", wird Monate später der festnehmende Soldat zu Protokoll geben. Einen weiteren Grund braucht es nicht, um eine Kette von Schikanen auszulösen. Nur: Paranoia. Statt die Einsatzkräfte also für Rettungsmaßnahmen zu nutzen, bündelte man sie zu absurden Aktionen. Man verbietet den Gefangenen zu telefonieren. Man pfercht sie auf einem Parkplatz in enge Drahtkäfige. Als "Camp Greyhound" geht dieses eilig errichtete Gefängnis in die von Unterwerfungen nicht gerade arme Geschichte Amerikas ein. Hier landen auch der Plünderung Verdächtigte. Wer trotz Drohung den Zaun berührt, wird mit Pfefferspray drangsaliert. Später verlegt man Zeitoun wie einen Schwerverbrecher in ein Hochsicherheitsgefängnis, verweigert ihm ärztliche Betreuung und Kontakt. Dreiundzwanzig Tage lang ist er von allem abgeschnitten. "Man hatte ihn gebrochen."
Dave Eggers erzählt vom Verlust der Perspektive nach einem sinnlosen Akt der Willkür im Herzen eines scheinbar idyllischen westlichen Staates. Und er scheut sich nicht, diese Geschichte bis zu Ende zu erzählen. Kathy kämpft seit dem Sturm und den Ängsten um ihren Mann mit Aussetzern und tauben Händen - Zeichen eines posttraumatischen Belastungssyndroms. Abdulrahman sieht in seiner Haft in guten Momenten eine Prüfung. Er glaubt und baut und sieht, wie etwas ganz langsam besser wird. Aber nichts ist wie früher. Die Familie steht für unzählige ähnliche Schicksale, wie der Anhang mit den aufgelisteten Hilfsorganisationen nur andeutet. "Zeitoun" ist ein weiterer wichtiger Baustein aus der Textfabrik eines engagierten Autors, der viel in Bewegung bringt. Die Gründung einer Schreibschule für Jugendliche 2002 in einem Brennpunktviertel San Franciscos ("826 Valencia") hat inzwischen sieben weitere nach sich gezogen; der angeschlossene Verlag "McSweeney's" stemmt ungewöhnliche Projekte. Aus einem dieser Projekte, "Voice of Witness", das Stimmen von Zeitzeugen sammelt, um auf Menschenrechtsverstöße aufmerksam zu machen, ist auch Eggers' Buch "Zeitoun" hervorgegangen - ein Meilenstein im Möglichkeitsraum zwischen Fiktion und Realität, weil es erzählerische Mittel nutzt, um Missstände aufzudecken - und trotzdem zum Lesen verführt.
ANJA HIRSCH
Dave Eggers: "Zeitoun".
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2011. 368 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
In "Zeitoun" erzählt Dave Eggers die wahre Geschichte eines Mannes, der nach dem Hurrikan "Katrina" wegen des Verdachts auf Terrorismus festgenommen wurde. Sein Buch ist ein Meilenstein im Möglichkeitsraum zwischen Fiktion und Realität.
Nachrichtenbilder über Katastrophen produzieren eine Bandbreite von Emotionen. Einer der gespenstischsten Momente beim Betrachten tritt ein, wenn man sich sekundenweise dabei ertappt, das reale Geschehen mit dem Blick eines routinierten Kinobesuchers erfasst zu haben, der ahnt, was folgt. Der fiktive Film, die Erzählung, scheint der Wirklichkeit einen Schritt voraus. Er bestimmt, wie wir wahrnehmen und was wir erwarten. Von "King Kong" bis "2012" hat sich ein Regelwerk ausgebildet. Es dramatisiert den Stoff weniger, um zu informieren, als vielmehr, um den Betrachter bestmöglich in Spannung zu versetzen. Meistens ist es dabei unerheblich, ob nun Moby Dick Menschen verschlingt, Außerirdische wüten oder die Eiszeit alles mit Stille überzieht.
Eine der wichtigsten Regeln für Filme solcher Art nutzt auch der amerikanische Autor Dave Eggers für seinen Tatsachenroman "Zeitoun" über die Erlebnisse der gleichnamigen Familie während des Hurrikans "Katrina" 2005 in New Orleans: die Regel, mit viel Sanftmut zunächst den Blick auf die Menschen zu richten, die der Sturm später vernichten wird. Und doch wird er diese Regel kunstvoll unterlaufen.
"Zeitoun" beginnt bieder, wie ein klassischer, amerikanischer Mittelstandsroman. Wir begleiten die Familie Zeitoun durch einen normalen Tag: Mutter Kathy, wie sie die vier Kinder zur Schule fährt und danach im Auto für eine halbe Stunde durchatmet, bevor der übliche Stress sie durch weitere, arbeitsame Stunden treibt; Abdulrahman Zeitoun, ihr Mann, "robust, genügsam, bedürfnislos", und Inhaber eines Malerbetriebs, wie er seine Baustellen abfährt und Häuser sturmfest macht. An Stürme hat man sich in der Gegend gewöhnt. Man handelt, berät sich, bleibt pragmatisch, selbst jetzt, mit Herannahen von "Katrina". Das einzig Besondere an dieser Familie ist vielleicht, dass nicht nur Herr Zeitoun, der aus Syrien stammt, wie ein frommer Muslim lebt - auch Kathy, in Amerika aufgewachsen, ist vor fünfzehn Jahren konvertiert. Sie trägt Hijab und muss sich dafür oft rechtfertigen. Vor allem seit dem 11. September fühlt sie wie viele eine neue Aggression im Land. Im nahen Umfeld aber ist die Familie geschätzt und integriert.
Dass dieses Familienporträt bei Dave Eggers nun gerade nicht zum leeren Kunstgriff wird, der - wie im Katastrophenfilm - die Zerstörung der geschilderten Idylle erfahrungsgemäß vorbereiten hilft, ist eine der Überraschungen dieses Textes, der informiert, statt zu unterhalten - und trotzdem fesselt. Der unaufgeregte Beginn erfüllt unsere Erwartungen ohnehin nur bedingt. Denn es ist nicht allein die Naturgewalt, die dieser Familie zusetzt. Eggers erzählt hinter der offensichtlichen Sturmmacht von einer ganz anderen Katastrophe. Er erzählt, wie Menschen den Glauben an das Gute verlieren, aus Ohnmacht gegen das, was die Umwelt in ihnen sehen will. Damit rollt Eggers ein beschämend wahres Kapitel jüngster amerikanischer Vergangenheit auf. Genau deshalb und unter diesem Aspekt ist sein Buch zu lesen.
Als das Wasser kommt, haben Kathy und die Kinder die Stadt schon verlassen. Nur der sture Zeitoun ist geblieben, ein wenig womöglich aus Abenteuerlust - die See hat ihn stets verführt -, aber auch aus dem tiefen Gefühl heraus, dass dies Gottes Wille sei. Dave Eggers erzählt von den Folgen des Sturms aus der außerordentlichen Ruhe seiner Figur heraus. Keine sich dramatisch steigernden Wetterprognosen mehr. Das Unabänderliche ist eingetreten - und die Straßen von New Orleans sind über Nacht eine andere Welt. Hypnotische Stille liegt über der Stadt, die Zeitoun vom Garagendach aus sieht, auf dem er ein Zelt aufgeschlagen hat. Nachts beugt er sich über gerettete Fotos aus Syrien und seiner Vergangenheit. Tagsüber paddelt er mit seinem Kanu über neue Wasseradern und ergründet die veränderten physikalischen Gesetze der Stadt. Er bringt zurückgelassenen Hunde aufgetaute Tiefkühlkost. Er rettet eine alte Frau und macht sich nützlich, wo er kann. Nie im Traum hätte er ermessen, was mit ihm dann bald passiert. Wie Dave Eggers diesen unerschütterlichen Glauben, diesen keineswegs naiven, vielmehr grundehrlichen Charakterzug dieses freiheitsliebenden Mannes erfasst, wie er diesen Amerikaner einbettet in eine mehr und mehr surreale, aus den Fugen geratende Welt, ist meisterhaft.
Die Emsigkeit dieser modernen Noah-Figur im Niemandsland erfährt einen jähen Stopp, als Zeitoun vier bewaffneten Männern gegenübersteht. Sicherlich nicht wegen der Spannung, vielmehr um das Bangen mit allen Nuancen in den Blick zu bekommen, erzählt Dave Eggers jetzt erst längere Zeit von Kathy: Von einem Tag auf den anderen bleibt die Telefonleitung zum verabredeten Zeitpunkt tot. Die Medien berichten von Chaos und Seuchen. Fast gibt sie ihren Mann schon auf. Und als man dann vom Martyrium Zeitouns liest, das Eggers nach genauer Recherche und zahlreichen Interviews mit nüchterner Sachlichkeit ausstellt, ergreift einen der Schatten jener Ohnmacht, die Menschen wie Zeitoun lähmte.
Zufällig ins Visier einer Machtmaschinerie geraten, die in jedem arabisch aussehenden Mann einen Terroristen wittert, der das Chaos nach dem Sturm in New Orleans zur verdeckten Durchführung von Attentaten nutzt, wird Zeitoun mit drei anderen Männern verhaftet. "Sie hatten irgendetwas an sich", wird Monate später der festnehmende Soldat zu Protokoll geben. Einen weiteren Grund braucht es nicht, um eine Kette von Schikanen auszulösen. Nur: Paranoia. Statt die Einsatzkräfte also für Rettungsmaßnahmen zu nutzen, bündelte man sie zu absurden Aktionen. Man verbietet den Gefangenen zu telefonieren. Man pfercht sie auf einem Parkplatz in enge Drahtkäfige. Als "Camp Greyhound" geht dieses eilig errichtete Gefängnis in die von Unterwerfungen nicht gerade arme Geschichte Amerikas ein. Hier landen auch der Plünderung Verdächtigte. Wer trotz Drohung den Zaun berührt, wird mit Pfefferspray drangsaliert. Später verlegt man Zeitoun wie einen Schwerverbrecher in ein Hochsicherheitsgefängnis, verweigert ihm ärztliche Betreuung und Kontakt. Dreiundzwanzig Tage lang ist er von allem abgeschnitten. "Man hatte ihn gebrochen."
Dave Eggers erzählt vom Verlust der Perspektive nach einem sinnlosen Akt der Willkür im Herzen eines scheinbar idyllischen westlichen Staates. Und er scheut sich nicht, diese Geschichte bis zu Ende zu erzählen. Kathy kämpft seit dem Sturm und den Ängsten um ihren Mann mit Aussetzern und tauben Händen - Zeichen eines posttraumatischen Belastungssyndroms. Abdulrahman sieht in seiner Haft in guten Momenten eine Prüfung. Er glaubt und baut und sieht, wie etwas ganz langsam besser wird. Aber nichts ist wie früher. Die Familie steht für unzählige ähnliche Schicksale, wie der Anhang mit den aufgelisteten Hilfsorganisationen nur andeutet. "Zeitoun" ist ein weiterer wichtiger Baustein aus der Textfabrik eines engagierten Autors, der viel in Bewegung bringt. Die Gründung einer Schreibschule für Jugendliche 2002 in einem Brennpunktviertel San Franciscos ("826 Valencia") hat inzwischen sieben weitere nach sich gezogen; der angeschlossene Verlag "McSweeney's" stemmt ungewöhnliche Projekte. Aus einem dieser Projekte, "Voice of Witness", das Stimmen von Zeitzeugen sammelt, um auf Menschenrechtsverstöße aufmerksam zu machen, ist auch Eggers' Buch "Zeitoun" hervorgegangen - ein Meilenstein im Möglichkeitsraum zwischen Fiktion und Realität, weil es erzählerische Mittel nutzt, um Missstände aufzudecken - und trotzdem zum Lesen verführt.
ANJA HIRSCH
Dave Eggers: "Zeitoun".
Aus dem amerikanischen Englisch von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln 2011. 368 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.03.2011Als die Dämme brachen
Dave Eggers’ grandioser Reportage-Roman „Zeitoun“ über eine Menschenjagd im überschwemmten New Orleans
Nach dem japanischen Tsunami tauchte ein Video auf, das an einem Küstenörtchen eine beschauliche Morgenszene einfing: Auf der anderen Seite der Hafenbucht steht ein Mann in den Felsen, er scheint aufs Meer zu schauen, in neugieriger Erwartung eines Mini-Tsunamis, und winkt, winzig klein, kurz herüber. Das Grauen der Szene entsteht aus der Ahnungslosigkeit des Mannes und dem eigenen Wissen um die Welle, die in wenigen Sekunden ihn selbst und das ganze Dorf hinter ihm verschlingen wird.
Der Anfang von Dave Eggers großem Reportageroman „Zeitoun“ spielt mit genau solch einer Diskrepanz: New Orleans am Morgen des 26. August 2005, eine sechsköpfige Familie wacht auf, der feine Spinnwebaus Traumresten und Frühstückshektik, Geschwisterkabbeleien, Hundegebell und Pausenbroteschmieren, zwischenrein einige Anrufe bei der Mutter, Kathy, die bei „Zeitoun Painting Contractor“, dem Handwerksunternehmen ihres Mannes, Sekretärin, Buchhalterin und Finanzmanagerin in einer Person ist: Ob die Firma angesichts des angekündigten Unwetters Fenster und Türen vernageln, ob man Arbeitsgeräte und Werkzeug vom Grundstück entfernen könne, bevor der Sturm komme. In New Orleans ist man an Unwetter gewöhnt, und so ahnen Kathy und ihr Mann Abdulrahman Zeitoun in ihrem beschaulichen Häuschen nicht, dass diese Anrufe von draußen Vorboten sind für das Monstrum Katrina, das sich zu dem Zeitpunkt weit entfernt, über dem Golf von Mexiko, mit Wasser, Hitze und infernalischer Kraft auflädt. Dass freilich hinter dem Horizont dieser Katastrophe für die Familie eine noch weitaus schlimmere Geschichte lauern soll – das ahnt man selbst als Leser nicht.
Abdulrahman Zeitoun stammt aus Syrien, er kam, nach Jahren zur See, 1988 in die USA, heiratete die zum Islam konvertierte Kathy, bekam mit ihr vier Kinder, baute sich als Handwerker ein Unternehmen auf und ist mit seinem zupackend hilfsbereiten, etwas naiven aber grundoptimistischen und tiefreligiösen Wesen eigentlich ein prototypischer Amerikaner. Würde er nicht der falschen Religion angehören . . . Dave Eggers hörte 2008 die unglaubliche Geschichte dieses Mannes und traf ihn und die Mitglieder seiner Familie über Monate hin immer und immer wieder. Das daraus entstandene und nun auch in Deutschland erschienene Buch „Zeitoun“ ist ein Meilenstein journalistischer Literatur, in seiner Mischung aus minutiöser Großrecherche und erzählerischer Wucht vergleichbar nur mit Werken wie Truman Capotes „In cold blood“ oder Norman Mailers „Gnadenlos“. Und gleichzeitig ist es, ohne dass Eggers je Pathosformeln bemühen, großformatige Sätze oder Symbolbilder durch die Kulissen seiner Geschichte schieben müsste, eine allegorische Erzählung auf den paranoiden Wahn, der Amerika nach dem elften September gefangen nahm.
Die Nachrichten über den Sturm werden immer bedrohlicher, Kathy flieht mit den Kindern ins Landesinnere, ihr Mann aber bleibt in New Orleans. Er will sein eigenes Haus nicht im Stich lassen, und er macht sich auch Sorgen um seine Baustellen. Der Hurrikan wütet eine Nacht lang, aber schon am Abend danach ist alles wieder ruhig, die Regenpfützen trocknen auf der Straße. „Hunderttausende hatte es Richtung Norden getrieben. Wegen ein paar Zentimetern Wasser, das jetzt restlos verschwunden war.“ In der Nacht darauf geht das eigentliche Desaster los, das ja gar nicht so sehr auf den Sturm sondern auf infrastrukturelle Schlamperei zurückzuführen ist: Im Hinterland sind die Dämme gebrochen, das Wasser kommt, grün, klar, leise, unaufhaltsam.
Anfangs ist es eine Art katastrophisches Paradies, durch das Zeitoun in einem Alu-Kanu gleitet, zwei Meter unter sich die Gartenzäune, Autos, Straßen, die Einsamkeit und Stille inmitten der Stadt, ein Desaster von fast schon surrealer Schönheit. Zeitoun treibt an grasenden Pferden auf einem Hügel vorbei, er hört die Autoantennen am Boden seines Kanus entlangkratzen, füttert zurückgelassene Hunde mit Fleisch aus der eigenen Tiefkühltruhe, kümmert sich um ein paar alte Leute, die wie er dageblieben sind, und schaut nach den Häusern, die er gebaut hat. Seine Tage bekommen einen Rhythmus, der einzig von seinem pragmatischen Altruismus diktiert wird, immer wieder rettet er Zurückgebliebenen das Leben und erlebt dabei bizarre Situationen: „Drinnen sah er eine Frau über sich schweben. Sie war mindestens siebzig und sehr beleibt, an die hundert Kilo. Ihr gemustertes Kleid war auf der Wasseroberfläche ausgebreitet wie eine prächtige dahintreibende Blüte. Die Beine hingen frei, sie hielt sich an einem Bücherregal fest.“
Aber so wie das Wasser mit jedem Tag öliger, fauliger, giftiger wird, ändert sich die Stimmung, Tote treiben durchs Wasser, Gerüchte von Plünderungen machen die Runde, und immer mehr martialisch ausstaffierte Soldaten, Polizisten und Söldnerverbände rasen auf schwarzen Motorbooten durch diese Überwasserlandschaft und machen das Katastrophengebiet zur Kriegszone. Schließlich – aber das kann Zeitoun nicht wissen – hat das Heimatschutzministerium nur wenige Wochen vor Katrina gewarnt, Terroristen könnten Naturkatastrophen für Anschläge nutzen. Für diese Soldaten mit ihrem paranoiden Blick ist die Sache klar: Der syrischstämmige Moslem Abdulrahman Zeitoun ist ein Taliban. Das wird ihm erklärt, nachdem er von einem der paramilitärischen Schlauchbootverbände in seinem eigenen Haus gefangen genommen und in ein improvisiertes Gefängnis geworfen wurde, das sofort nach dem Sturm auf dem Bahnhofsgelände der Stadt entstand.
Hier beginnt nun der zweite, der unglaubliche Teil dieses Buches, Nachrichten aus einem rechtsfreien Hinterland, das eher an Weißrussland oder eine der gerade zusammenbrechenden Nahostdiktaturen erinnert als an die Vereinigten Staaten: Zeitoun und die Mitgefangenen werden tagelang gedemütigt, missbraucht, zusammengeschlagen, mit Pfefferspray besprüht und mit Schlafentzug gequält, ohne dass sie irgendeinem Richter vorgeführt werden oder die Chance erhielten, einen einzigen Telefonanruf zu machen. Nach einer Woche Martyrium werden sie in das Gefängnis von Hunt überstellt, wo Zeitoun in einer Einzelzelle verschwindet.
Eggers wird nie polemisch, er verschwindet völlig in der ruhigen Nacherzählung der Fakten und ist doch allgegenwärtig aufgrund seiner immensen erzählerischen Kraft, mit der er die Schönheit der fast schon mythischen Katastrophe genauso einfängt wie die grausam kafkaesken Überraschungsmomente von Zeitouns Odyssee durch den amerikanischen Gefängnisapparat oder die wahnwitzigen Ängste seiner Frau, die einen Monat lang keine Ahnung hat, warum ihr Mann sich plötzlich nicht mehr meldet und irgendwann davon ausgehen muss, dass er gestorben ist.
Kathy Zeitoun ist das größte Opfer dieser Geschichte, sie trägt aus den Wochen der Angst bleibende Schäden davon, Gedächtnislücken, starke Konzentrationsschwächen, Angstattacken, und sie stellt in einem der Gespräche mit Eggers, die Frage, die einem selbst beim Lesen immer wieder kommt: „Ist das alles wirklich geschehen? Ist das in den Vereinigten Staaten geschehen?“ Wie kann es sein, dass ganze Hundertschaften in Motorbooten durch diese Katastrophenlandschaft brausten ohne einen Blick für die tatsächlichen Nöte zu haben, nur auf der Suche nach vermeintlichen Terroristen? Dass Hundertschaften ein Gefängnis errichteten, statt nach Überlebenden zu suchen? Dass dieses Land in seinem brachial geführten Kampf für die Freiheit und Sicherheit seiner Bürger diesen Bürgern ihre Freiheit und Sicherheit genommen hat? Eggers stellt die Fragen nicht selber, sie diffundieren in diesem großen Text wie das schwarze Öl im Wasser von New Orleans und machen aus „Zeitoun“ eines der wichtigsten literarischen Zeugnisse der Bush-Ära. ALEX RÜHLE
DAVE EGGERS: Zeitoun. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Verlag Kiepenheuer &Witsch, Köln 2011. 367 Seiten, 19,95 Euro.
Journalistisches Protokoll eines
Justizskandals und allegorische
Erzählung auf den 9/11-Wahn
„Ist das alles wirklich geschehen?
Ist das in den Vereinigten Staaten
von Amerika geschehen?“
Dave Eggers. Foto: Davide Lanzilao/laif
Anfangs ist es ein katastrophisches Paradies: Ein Mann in seinem Kanu, allein in der menschenleeren Wasserstadt. Aber so wie das Wasser mit jedem Tag öliger wird, ändert sich die Stimmung des Buches . . . Foto: AFP
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Dave Eggers’ grandioser Reportage-Roman „Zeitoun“ über eine Menschenjagd im überschwemmten New Orleans
Nach dem japanischen Tsunami tauchte ein Video auf, das an einem Küstenörtchen eine beschauliche Morgenszene einfing: Auf der anderen Seite der Hafenbucht steht ein Mann in den Felsen, er scheint aufs Meer zu schauen, in neugieriger Erwartung eines Mini-Tsunamis, und winkt, winzig klein, kurz herüber. Das Grauen der Szene entsteht aus der Ahnungslosigkeit des Mannes und dem eigenen Wissen um die Welle, die in wenigen Sekunden ihn selbst und das ganze Dorf hinter ihm verschlingen wird.
Der Anfang von Dave Eggers großem Reportageroman „Zeitoun“ spielt mit genau solch einer Diskrepanz: New Orleans am Morgen des 26. August 2005, eine sechsköpfige Familie wacht auf, der feine Spinnwebaus Traumresten und Frühstückshektik, Geschwisterkabbeleien, Hundegebell und Pausenbroteschmieren, zwischenrein einige Anrufe bei der Mutter, Kathy, die bei „Zeitoun Painting Contractor“, dem Handwerksunternehmen ihres Mannes, Sekretärin, Buchhalterin und Finanzmanagerin in einer Person ist: Ob die Firma angesichts des angekündigten Unwetters Fenster und Türen vernageln, ob man Arbeitsgeräte und Werkzeug vom Grundstück entfernen könne, bevor der Sturm komme. In New Orleans ist man an Unwetter gewöhnt, und so ahnen Kathy und ihr Mann Abdulrahman Zeitoun in ihrem beschaulichen Häuschen nicht, dass diese Anrufe von draußen Vorboten sind für das Monstrum Katrina, das sich zu dem Zeitpunkt weit entfernt, über dem Golf von Mexiko, mit Wasser, Hitze und infernalischer Kraft auflädt. Dass freilich hinter dem Horizont dieser Katastrophe für die Familie eine noch weitaus schlimmere Geschichte lauern soll – das ahnt man selbst als Leser nicht.
Abdulrahman Zeitoun stammt aus Syrien, er kam, nach Jahren zur See, 1988 in die USA, heiratete die zum Islam konvertierte Kathy, bekam mit ihr vier Kinder, baute sich als Handwerker ein Unternehmen auf und ist mit seinem zupackend hilfsbereiten, etwas naiven aber grundoptimistischen und tiefreligiösen Wesen eigentlich ein prototypischer Amerikaner. Würde er nicht der falschen Religion angehören . . . Dave Eggers hörte 2008 die unglaubliche Geschichte dieses Mannes und traf ihn und die Mitglieder seiner Familie über Monate hin immer und immer wieder. Das daraus entstandene und nun auch in Deutschland erschienene Buch „Zeitoun“ ist ein Meilenstein journalistischer Literatur, in seiner Mischung aus minutiöser Großrecherche und erzählerischer Wucht vergleichbar nur mit Werken wie Truman Capotes „In cold blood“ oder Norman Mailers „Gnadenlos“. Und gleichzeitig ist es, ohne dass Eggers je Pathosformeln bemühen, großformatige Sätze oder Symbolbilder durch die Kulissen seiner Geschichte schieben müsste, eine allegorische Erzählung auf den paranoiden Wahn, der Amerika nach dem elften September gefangen nahm.
Die Nachrichten über den Sturm werden immer bedrohlicher, Kathy flieht mit den Kindern ins Landesinnere, ihr Mann aber bleibt in New Orleans. Er will sein eigenes Haus nicht im Stich lassen, und er macht sich auch Sorgen um seine Baustellen. Der Hurrikan wütet eine Nacht lang, aber schon am Abend danach ist alles wieder ruhig, die Regenpfützen trocknen auf der Straße. „Hunderttausende hatte es Richtung Norden getrieben. Wegen ein paar Zentimetern Wasser, das jetzt restlos verschwunden war.“ In der Nacht darauf geht das eigentliche Desaster los, das ja gar nicht so sehr auf den Sturm sondern auf infrastrukturelle Schlamperei zurückzuführen ist: Im Hinterland sind die Dämme gebrochen, das Wasser kommt, grün, klar, leise, unaufhaltsam.
Anfangs ist es eine Art katastrophisches Paradies, durch das Zeitoun in einem Alu-Kanu gleitet, zwei Meter unter sich die Gartenzäune, Autos, Straßen, die Einsamkeit und Stille inmitten der Stadt, ein Desaster von fast schon surrealer Schönheit. Zeitoun treibt an grasenden Pferden auf einem Hügel vorbei, er hört die Autoantennen am Boden seines Kanus entlangkratzen, füttert zurückgelassene Hunde mit Fleisch aus der eigenen Tiefkühltruhe, kümmert sich um ein paar alte Leute, die wie er dageblieben sind, und schaut nach den Häusern, die er gebaut hat. Seine Tage bekommen einen Rhythmus, der einzig von seinem pragmatischen Altruismus diktiert wird, immer wieder rettet er Zurückgebliebenen das Leben und erlebt dabei bizarre Situationen: „Drinnen sah er eine Frau über sich schweben. Sie war mindestens siebzig und sehr beleibt, an die hundert Kilo. Ihr gemustertes Kleid war auf der Wasseroberfläche ausgebreitet wie eine prächtige dahintreibende Blüte. Die Beine hingen frei, sie hielt sich an einem Bücherregal fest.“
Aber so wie das Wasser mit jedem Tag öliger, fauliger, giftiger wird, ändert sich die Stimmung, Tote treiben durchs Wasser, Gerüchte von Plünderungen machen die Runde, und immer mehr martialisch ausstaffierte Soldaten, Polizisten und Söldnerverbände rasen auf schwarzen Motorbooten durch diese Überwasserlandschaft und machen das Katastrophengebiet zur Kriegszone. Schließlich – aber das kann Zeitoun nicht wissen – hat das Heimatschutzministerium nur wenige Wochen vor Katrina gewarnt, Terroristen könnten Naturkatastrophen für Anschläge nutzen. Für diese Soldaten mit ihrem paranoiden Blick ist die Sache klar: Der syrischstämmige Moslem Abdulrahman Zeitoun ist ein Taliban. Das wird ihm erklärt, nachdem er von einem der paramilitärischen Schlauchbootverbände in seinem eigenen Haus gefangen genommen und in ein improvisiertes Gefängnis geworfen wurde, das sofort nach dem Sturm auf dem Bahnhofsgelände der Stadt entstand.
Hier beginnt nun der zweite, der unglaubliche Teil dieses Buches, Nachrichten aus einem rechtsfreien Hinterland, das eher an Weißrussland oder eine der gerade zusammenbrechenden Nahostdiktaturen erinnert als an die Vereinigten Staaten: Zeitoun und die Mitgefangenen werden tagelang gedemütigt, missbraucht, zusammengeschlagen, mit Pfefferspray besprüht und mit Schlafentzug gequält, ohne dass sie irgendeinem Richter vorgeführt werden oder die Chance erhielten, einen einzigen Telefonanruf zu machen. Nach einer Woche Martyrium werden sie in das Gefängnis von Hunt überstellt, wo Zeitoun in einer Einzelzelle verschwindet.
Eggers wird nie polemisch, er verschwindet völlig in der ruhigen Nacherzählung der Fakten und ist doch allgegenwärtig aufgrund seiner immensen erzählerischen Kraft, mit der er die Schönheit der fast schon mythischen Katastrophe genauso einfängt wie die grausam kafkaesken Überraschungsmomente von Zeitouns Odyssee durch den amerikanischen Gefängnisapparat oder die wahnwitzigen Ängste seiner Frau, die einen Monat lang keine Ahnung hat, warum ihr Mann sich plötzlich nicht mehr meldet und irgendwann davon ausgehen muss, dass er gestorben ist.
Kathy Zeitoun ist das größte Opfer dieser Geschichte, sie trägt aus den Wochen der Angst bleibende Schäden davon, Gedächtnislücken, starke Konzentrationsschwächen, Angstattacken, und sie stellt in einem der Gespräche mit Eggers, die Frage, die einem selbst beim Lesen immer wieder kommt: „Ist das alles wirklich geschehen? Ist das in den Vereinigten Staaten geschehen?“ Wie kann es sein, dass ganze Hundertschaften in Motorbooten durch diese Katastrophenlandschaft brausten ohne einen Blick für die tatsächlichen Nöte zu haben, nur auf der Suche nach vermeintlichen Terroristen? Dass Hundertschaften ein Gefängnis errichteten, statt nach Überlebenden zu suchen? Dass dieses Land in seinem brachial geführten Kampf für die Freiheit und Sicherheit seiner Bürger diesen Bürgern ihre Freiheit und Sicherheit genommen hat? Eggers stellt die Fragen nicht selber, sie diffundieren in diesem großen Text wie das schwarze Öl im Wasser von New Orleans und machen aus „Zeitoun“ eines der wichtigsten literarischen Zeugnisse der Bush-Ära. ALEX RÜHLE
DAVE EGGERS: Zeitoun. Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Verlag Kiepenheuer &Witsch, Köln 2011. 367 Seiten, 19,95 Euro.
Journalistisches Protokoll eines
Justizskandals und allegorische
Erzählung auf den 9/11-Wahn
„Ist das alles wirklich geschehen?
Ist das in den Vereinigten Staaten
von Amerika geschehen?“
Dave Eggers. Foto: Davide Lanzilao/laif
Anfangs ist es ein katastrophisches Paradies: Ein Mann in seinem Kanu, allein in der menschenleeren Wasserstadt. Aber so wie das Wasser mit jedem Tag öliger wird, ändert sich die Stimmung des Buches . . . Foto: AFP
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Eggers uses Zeitoun's eyes to report on America's reasonless post-Katrina world. Reminiscent of Gabriel Garcia Marquez's documentaries, this is a true story told with the skills of a master of fiction. Immensely readable Independent