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Natürlich hätte der 15jährige Patrick Koch die Ferien lieber mit seiner Freundin verbracht. Aber weil er als Lügner gilt und ein miserabler Schüler ist, schickt man ihn nach Irland in ein sogenanntes "Abenteuercamp". Dort sollen er und acht andere Jungen auf andere Gedanken gebracht werden. Das werden sie auch, nur nicht im Sinne des sogleich unbeliebten Leiters Kaiser. Ein Junge haut schon in der ersten Woche ab, und die anderen interessieren sich auch nicht groß für das Leben in der Wildnis. Aber was dann geschah, das war mehr als überraschend.

Produktbeschreibung
Natürlich hätte der 15jährige Patrick Koch die Ferien lieber mit seiner Freundin verbracht. Aber weil er als Lügner gilt und ein miserabler Schüler ist, schickt man ihn nach Irland in ein sogenanntes "Abenteuercamp". Dort sollen er und acht andere Jungen auf andere Gedanken gebracht werden. Das werden sie auch, nur nicht im Sinne des sogleich unbeliebten Leiters Kaiser. Ein Junge haut schon in der ersten Woche ab, und die anderen interessieren sich auch nicht groß für das Leben in der Wildnis. Aber was dann geschah, das war mehr als überraschend.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.1998

Lümmel für Elfen
Hansjörg Schertenleibs Erlebnispädagogik für schwierige Jungs

Ein Flugzeug fliegt in eine schwarze Wolke, wird hin und her gerüttelt, es wird dunkel in der Kabine - Hansjörg Schertenleib hat den Anfang seines ersten Jugendbuchs effektvoll inszeniert und darin zugleich Leitmotive des Romans vorweggenommen: das Fliegen und seine Innovationen, der im letzten Augenblick aufgefangene Sturz, dramatische wie komische Kämpfe mit den Elementen. Unter den Passagieren sind neun Jungen im schwer erträglichen Alter von fünfzehnJahren, rotzig, rülpsend, stinksockig, dazu ein Pädagoge, der sich zwischen kumpelhafter Anbiederei, dilettantischer Gruppentherapie und feldwebelhaftem Pfadfindergehabe nicht entscheiden kann, und seine Frau, die einzige vernünftige Person in dieser erlebnispädagogischen Unternehmung.

Die Jungen, alle in schwierigen familiären Situationen, sollen in der irischen Wildnis beim Zelt- und Lagerfeuer-Abenteuer zu sich selbst finden. Zwei Hartgesottene hauen in den ersten Tagen ab. Die anderen können dem Reiz der Pfadfinderromantik auf die Dauer nicht widerstehen, und so genießen sie demonstrativ widerwillig die körperliche Anstrengung beim Zeltbau, das Lernen des Morsealphabets und nachts am Feuer eine heiße Schokolade. Coolsein heißt die Devise; das schließt aber weder kräftigen Appetit noch keimende Freundschaftsgefühle aus.

Patrick, der Ich-Erzähler, trauert um seinen jüngeren Bruder, der während eines Ferienaufenthalts am Meer ertrunken ist. Schertenleib hat eine Sprache für ihn gefunden, in der seine Zerrissenheit zwischen Zärtlichkeit, diffusen Schuldgefühlen und Lebenshunger unsentimentalen Ausdruck findet. Aus Patricks Perspektive werden im Prozeß des Kennenlernens auch die anderen Jungen sichtbar, offenbaren sich ihre Leidenschaften, ihre Stärken und ihre Verletzungen. Dabei erscheint Patrick ganz auf sich selbst bezogen, rotierend um zwei Pole: den Verlust des Bruders und die eifersüchtige Sehnsucht nach seiner Freundin Katja. Doch das hindert ihn nicht, die anderen mit einer Mischung aus Neugier, Mißmut und Zuneigung gewissermaßen aus den Augenwinkeln wahrzunehmen und sich auch in ihr Leben einzumischen, wenn es ihn dazu drängt.

Schertenleib vermeidet bei Patrick psychologische Neunmalklugheit. Auch verzichtet er darauf, seine halbwüchsigen Helden bis ins Detail auszuleuchten, alles zu wissen und zu erklären. Das Ausmaß ihrer Konflikte und der Charakter ihrer Familiensituation bleibt im Halbdunkel. Weder der neugierige Patrick noch ein allwissender Erzähler informieren über mehr, als was halbe Sätze, unwillkürliche Gesten, ein heimlich gelesener Brief, prahlerische oder scheue Lügen verraten. Diese Diskretion ist im Jugendroman nicht selbstverständlich.

Schertenleib durchbricht mehrfach die realistische Darstellung der Abenteuerferien in Irland durch Signale aus einer phantastischen Anderswelt. Zweimal gerät das Auto, in dem Patrick sitzt, in einen seltsam hellen Nebel. Das Radio fällt aus, der Wagen gerät für Sekunden außer Kontrolle, es gibt akustische Halluzinationen. Patrick sieht auf dem Strand ein blitzendes Ding, ähnlich einem schwebenden Zelt oder Haus. Der Autor bereitet durch diese unerklärlichen Zwischenfälle auf den Schluß vor, der den frisch verliebten Patrick mit seiner neuen irischen Freundin für drei Monate in die Anderswelt und Anderszeit der keltischen Elfenmärchen entführt.

Dieser Einbruch des Phantastischen steht unvermittelt quer zur realistisch-psychologischen Schreibweise des Romans. Die Märchentradition wird sechs Seiten vor dem Ende des Romans knapp referiert, ohne daß sie vorher eine Rolle gespielt hätte - als wäre es dem Autor plötzlich eingefallen, daß damit doch etwas anzufangen sei. Die Geschichten von den Aufenthalten im Elfenreich sind suggestiv und bieten eine faszinierende literarische Folie mit hohem symbolischen Potential. Schertenleib hat das gespürt; aber in seiner Unentschiedenheit zwischen Fantasy-Genre und der symbolischen Gestaltung von Pubertätsexil und Liebesentrückung wirkt sein Roman seltsam unfertig. Das interessante Konzept wäre es wert, noch einmal durchdacht und überarbeitet zu werden. GUNDEL MATTENKLOTT

Hansjörg Schertenleib: "Zeitpalast". Carlsen Verlag, Hamburg 1998. 172 S., geb., 26,- DM. Ab 13 J.

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