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»Was ereignet sich nicht alles zu gleicher Zeit, was sowohl diachron wie synchron aus völlig heterogenen Lebenszusammenhängen hervorgeht? Alle Konflikte, Kompromisse und Konsensbildungen lassen sich zeittheoretisch auf Spannungen und Bruchlinien zurückführen, die in verschiedenen Zeitschichten enthalten sind und von ihnen ausgelöst werden können.« Reinhart Koselleck, zahlreich ausgewiesener Fachmann für die Theorie der Geschichte, geht in den Studien dieses Bandes der Frage nach, was sich bei dem, was Dauer, Lang-, Mittel- oder Kurzfristigkeit genannt wird, eigentlich wiederholt, um einmaliges…mehr

Produktbeschreibung
»Was ereignet sich nicht alles zu gleicher Zeit, was sowohl diachron wie synchron aus völlig heterogenen Lebenszusammenhängen hervorgeht? Alle Konflikte, Kompromisse und Konsensbildungen lassen sich zeittheoretisch auf Spannungen und Bruchlinien zurückführen, die in verschiedenen Zeitschichten enthalten sind und von ihnen ausgelöst werden können.« Reinhart Koselleck, zahlreich ausgewiesener Fachmann für die Theorie der Geschichte, geht in den Studien dieses Bandes der Frage nach, was sich bei dem, was Dauer, Lang-, Mittel- oder Kurzfristigkeit genannt wird, eigentlich wiederholt, um einmaliges Handeln zu ermöglichen. Damit legt er in beeindruckender Weise die zeittheoretischen Fluchtlinien frei, die Erkenntnis und Darstellung von Geschichte erst möglich machen.

Autorenporträt
Reinhart Koselleck (1923–2006), Professor in Bochum, Heidelberg und Bielefeld, Mitglied zahlreicher Akademien und Kollegien. Bahnbrechende Studien zur Geschichte der europäischen Aufklärung, zur Theorie der Geschichte und zur Begriffsgeschichte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2000

Da hat der Heidegger wieder mal recht
Wir kennen die Weisheit, wir kennen den Text, nur die Geschichte nicht: Reinhart Kosellecks Aufsätze / Von Gerrit Walther

Seit Jahren gingen Gerüchte um, Reinhart Koselleck schreibe eine große "Historik". Jetzt sind sie geplatzt. Keine systematische Methodenlehre legt der Bielefelder Großmeister moderner Ideengeschichte vor, sondern "nur" seine gesammelten Aufsätze. Der erste Band vereinigt siebzehn zwischen 1972 und 1998 entstandene Studien zur geschichtlichen Zeiterfahrung. Zwei weitere Bände werden die Arbeiten zur Begriffs- und zur Wahrnehmungsgeschichte bündeln. Soll man enttäuscht sein? Ganz kommt man nicht umhin. Nicht, weil man noch einmal schulmäßig komprimiert sehen wollte, was Koselleck längst klar genug in luziden Essays entfaltet hat. Aber gesammelte Werke sind wie Abschiede. Mögen Freunde und Schüler gedrängt haben - wer sich zum Antiquar in eigener Sache macht, hat angefangen, an seiner Kraft zum Neuen zu zweifeln. Ausgerechnet Koselleck, der konzeptuellste Kopf unter den deutschen Historikern, der unermüdliche Ideengeber seiner Zunft. Er, dem die Bielefelder Geschichtswissenschaft wie sonst nur noch Luhmann verdankt, daß man bei ihrem Namen nicht nur an Arbeiter, den Imperialismus, Max Weber und die interdisziplinäre Matrix denkt, sondern an ein international avanciertes Forschungsprogramm. Und jetzt - nur noch ein Klassiker?

Der neue Band zeigt noch einmal, wie alles anfing. Einsam unter erheblich jüngeren Beiträgen findet sich hier auch Kosellecks Manifest "Über die Theoriebedürftigkeit der Geschichtswissenschaft" von 1972, gekürzt nur, wie er lakonisch kommentiert, "um die ,praktischen Folgerungen', die sich auf das - wie üblich nur teilweise realisierte - Reformprogramm der Bielefelder Fakultät für Geschichtswissenschaft bezogen". Die Historie fühle sich inmitten der Sozial- und Naturwissenschaften, des "mittlerweile enthistorisierten" akademischen Betriebs isoliert, erklärte er damals. Sie kenne ihre Aufgabe nicht mehr. Und tatsächlich habe sie, anders als alle anderen Disziplinen, weder einen konkreten Gegenstand noch eine objektive Fachsprache. Alle historischen Begriffe nämlich entstammten selbst konkreten politisch-sozialen Kontexten, seien aufgeladen mit deren Ideologie. Beide Mängel müsse eine moderne Theorie beheben. Denn Geschichte gebe es, und zwar vor aller Reflexion und aller Sprache.

Koselleck argumentiert mit Heidegger, wenn er bestimmt, daß eine historische Theorie nicht die Standards der Schulphilosophie erfüllen, sondern praktisch brauchbare "Formalkriterien historischen Handelns und Erleidens" bereitstellen müsse, "die gleichsam zeitlos quer zur Geschichte dazu dienen, Geschichte aufzuschlüsseln". Er denkt an existentielle "Differenzbestimmungen" wie Hegels "Herr/Knecht"- oder Schmitts "Freund/Feind"-Modell. Denn wie das Leben selbst besteht ihm Geschichte aus zerreißenden Gegensätzen. Deren tragische Spannung kann man nicht aufheben, nur messen. Kosellecks ironische Brillanz lebt aus Burckhardtschem Ernst.

Nur ein Gegenstand gehört der Geschichte allein: die Veränderung in der Zeit. Im Zentrum einer modernen Historik muß daher eine "Theorie der historischen Zeiten" stehen. Sie hat sich zunächst ihrer Sprache zu versichern, die politisch-soziale Herkunft, Entwicklung und Wertigkeit der historischen Begriffe zu klären. Da sie bei diesem Geschäft aber selbst schon von einer Theorie historischer Zeiten geleitet sein muß, liefert Koselleck eine solche gleich mit. Er objektiviert sie aus dem Unbehagen seiner eigenen Gegenwart: Alles gehe immer schneller. Ein romantischer Entwurf: Solange die Menschen im Einklang mit der Natur lebten, Pferde, Wind und Wasser als Energiequellen nutzten, verlief ihnen die Zeit in einem gleichmäßigen, gemächlichen Rhythmus. Seit aber die Technik die Fortbewegung, die Produktionsprozesse und die Wahrnehmung auf eine bis dahin unbekannte Weise revolutionierte, wurde die Zeit "denaturalisiert". Sie begann zu rasen. Das geschah etwa zwischen 1750 und 1850. Weil diese Epoche der Frühindustrialisierung also gleichsam die Mitte zwischen altem und neuem Zeitgefühl bildet, beide optisch teilt und verbindet wie der Sattel das Pferd, gibt Koselleck ihr einen neuen, ebenso sonderbaren wie einprägsamen Namen: "Sattelzeit". Auch die alten politischen Begriffe, so erklärt er, hätten damals neue, immer rascher wechselnde Bedeutungen angenommen.

Geradlinig verlief der Wandel nicht. Weil selbst "wir noch Zeitgenossen haben, die in der Steinzeit leben", gelte es, "die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in unserer Geschichte zu entdecken". Braudels Trias von Ereignissen, mittelfristigen Konjunkturen und longue durée könne dabei helfen. Auch sie aber müsse sich, wie jeder Versuch, Zeit sprachlich zu fassen, räumlicher Metaphern bedienen, die der Historiker niemals mit der Wirklichkeit verwechseln dürfe. Diese nämlich kenne weder lineare Zeitverläufe noch Kausalitäten zwischen Vorher und Nachher, noch gar finale Teleologien. Man müsse Hypothesen finden, "die vergangene Möglichkeiten ins Spiel bringen", und sich darüber klar werden, welche historischen Begründungen "zulässig sind und welche nicht". Koselleck rühmt die "Sehepunkt"-Lehre des Aufklärungshistorikers Chladenius - wer außer ihm kannte 1972 auch nur dessen Namen? - als Modell der Wechselwirkung von Beobachterstandort und Wahrnehmung.

Auch am Marxismus findet er Nützliches, doch stört ihn, daß marxistische Historiker "ihre Aussagen oft als Befehlsempfänger formulieren müssen". Nachahmenswert aber sei ihre dauernde Reflexion auf die gesellschaftliche Praxis: "Wir müssen uns darüber klar werden, welche politischen Implikationen unser Forschungsbereich jeweils hat oder nicht hat, welche Aussageform wir demgemäß entwickeln müssen."

Manches an diesem Text wirkt verjährt. Am Anfang der siebziger Jahre aber war er eine mitreißende Manifestation geistiger Freiheit. Den ideologisch-technischen Jargon der Zeit parodierend, wies Koselleck Ideologen und Techniker seines Fachs in ihre Schranken. Selbstbewußt bestritt er Naturwissenschaftlern und Ökonomen ihre Machtansprüche in geisteswissenschaftlichen Fragen, überführte er alle diejenigen methodischer Naivität, die schon damals für Computer schwärmten und "Bindestrich-Bündnisse" mit Soziologie und Psychoanalyse suchten (das Verhältnis zu einigen Bielefelder Kollegen, heißt es, habe sich seither beschleunigt abgekühlt). Er unterstrich die Eigendynamik des Forschungsprozesses. Das war eine Absage an akademische Erfüllungsgehilfen ministeriell diktierter Plansolls. Gegen die Funktionäre der Achtundsechziger gab Koselleck deren Traum von Wissenschaft theoretische Gestalt. Er entwarf eine experimentelle, ideologiekritische, durch und durch ironische, daher hellsichtige, phantasie- und genußvolle Gelehrsamkeit, die Hypothesen entwirft und durchspielt, sich aber weigert, sie zum Dogma zu machen.

Gewiß: Die Praxis blieb offen. Wohl wußte man seit dem ebenfalls 1972 erschienenen ersten Band der "Geschichtlichen Grundbegriffe", jenes bahnbrechenden, maßgeblich von Koselleck vorangetriebenen "Historischen Lexikons zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland", was er mit "Begriffsgeschichte" meinte. Was er jedoch an die Stelle der alten Zeitmodelle setzen wollte, blieb neblig. "Es bietet sich hier an, mit Hypothesen zu arbeiten, die Konstanten einbringen, an denen variable Größen gemessen werden, was nicht hindert, auch die Konstanten ihrerseits wieder in Abhängigkeit von variablen oder anderen konstanten Größen zu sehen." War das Strategie? Sollte die Zunft lernen, daß gute Theorie keine gängelnden Handlungsanweisungen gibt, sondern Impulse zum Selbstdenken?

Was "Über die Theoriebedürftigkeit der Geschichtswissenschaft" offengelassen worden war, präzisierte 1979 der Essayband "Vergangene Zukunft". Beinahe magisch spielte der Titel mit Heideggers Satz, daß historisches Bewußtsein nicht in der Vergangenheit wurzelt, sondern in jener (tödlichen) Zukunft, die das Subjekt denkend vorwegnehmen muß. Wie eine Versuchsreihe zu der in "Sein und Zeit" aufgestellten Maxime, daß nicht das einzelne Ereignis, sondern "die Wiederholung dem Dasein seine eigene Geschichte erst offenbar" mache, wirkten die darin gesammelten Studien zum Wechselverhältnis von Erfahrungen und Erwartungen, Vergangenheitsverarbeitung und Planung des Kommenden in konkreten historischen Konstellationen.

An Marx und Bismarck, an Hitler und Roosevelt zeigte Koselleck, wie eine beschleunigte Zeiterfahrung die Hoffnungen auf die Zukunft ebenso steigert wie den Glauben an deren Machbarkeit und die Neigung, sie vorauszusagen. Die Wirkungen dieser Prozesse auf die politische Sprache demonstrierte er an Begriffen wie "Neuzeit" oder "Revolution", die historiographische Fruchtbarkeit des Freund-Feind-Modells an den Metamorphosen von Begriffspaaren wie "Hellenen/Barbaren", "Christen/Heiden", "Mensch/Unmensch". All dies illustrierten zahllose Beispiele aus klassischen und abgelegenen Autoren seit der Antike. Staunend bemerkten progressive Kollegen, daß dieser Mitkämpfer gegen dumpfe Traditionalisten all die alten Bücher tatsächlich noch gelesen hatte, mit deren Entsorgung sie ihre Bildungsreform begonnen hatten. Doch weil sein literarischer Glanz auch auf sie abstrahlte, lobten sie ihn - ebenso wie verunsicherte Konservative Koselleck Dank dafür wußten, daß er ihren Kanon rechtfertigte, indem er avancierte Theorien an ihm exemplifizierte.

"Vergangene Zukunft" wurde neben den "Geschichtlichen Grundbegriffen" Kosellecks populärstes Werk. Längst sind "Sattelzeit", "Verzeitlichung" und die "Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen" in aller Munde, entstehen allenthalben Doktorarbeiten über die frühmoderne Beschleunigung von Verkehr und Kommunikation, über historische Räume und die Schicksale politischer Begriffe, leben ganze historische Institute von DFG-Projekten über Erinnerungskultur und Zeiterfahrung.

Fast alle in "Zeitschichten" zusammengefaßten Vorträge und Aufsätze stammen aus den achtziger Jahren, dokumentieren also diesen Siegeszug. So darf es nicht verwundern, daß sie kaum über "Vergangene Zukunft" hinausführen, sondern die dort erörterten Thesen wiederholen, variieren, auffalten, erläutern, verdeutlichen. Wieder erscheint die Neuzeit als verunsichernde Beschleunigungserfahrung. Wieder werden Interdependenzen zwischen generationsspezifischer Erfahrung und historiographischer Methode aufgewiesen - unter anderem mit dem witzigen Ergebnis, daß doch nicht die Sieger, sondern die Besiegten Geschichte schreiben, weil nur sie das Vorausgegangene plausibel erklären müssen. Wieder geht es um die Reichweiten politischer Prognosen und Prophetien (bei Mercier und Schmitt, Hitler und Churchill, vor allem bei Diderot, dessen von Koselleck schon 1979 diskutierte Voraussage der Französischen Revolution hier noch zweimal erörtert wird). Wieder beobachtet man, wie eine wachsende Menge von Akteuren und Einflußfaktoren kurzfristige Prognosen und überhaupt historisches Wissen immer mehr erschwert. Wieder werden mit geistreichen Beispielen die Heideggerschen Fragen von Raum und Zeit, von Schicksal und Wiederholung umkreist. Eine Studie über den Einfluß der Weltkriege auf das soziale Bewußtsein in Deutschland und Frankreich kündigt Kosellecks spätere Forschungen zum politischen Totenkult an.

Wieder geht es schließlich um eine künftige "Historik". Die Aspekte, die der Verfasser dazu in "Historik und Hermeneutik" aufführt, einem Festvortrag zum fünfundachtzigsten Geburtstag seines Lehrers Hans-Georg Gadamer 1985, ähneln denen des Manifests von 1972. Erneut präsentiert er eine Kategorientafel existentialistischer "Differenzbestimmungen", "die auf eine Seinsweise möglicher Geschichten zielen, die so etwas wie Verstehen und Begreifen erst provozieren". Deutlicher aber als dort postuliert er deren Eigenständigkeit gegenüber Sprache und Schriftlichkeit. Anders als etwa ein Jurist, Theologe oder Philologe habe der Historiker zu Texten ein distanziertes Verhältnis. Er benutze sie nicht als Autoritäten, sondern nur, "um aus ihnen eine Wirklichkeit zu eruieren, die hinter den Texten liegt". Sie aber entziehe sich nicht selten "jeder sprachlichen Kompensation oder Ausdeutung" (was Gadamer in einer extemporierten, ebenfalls abgedruckten Antwort sanft relativiert).

Schreibt Koselleck deshalb keine Historik: weil Geschichte letztlich "jedem Verstehen vorausliegt"? Weil er die Kraft der Theorie bezweifelt, der Wirklichkeit Wahrheit abzugewinnen? Jedenfalls setzen gerade die beiden spannendsten Stücke des neuen Bandes Theorie nur dazu ein, andere Theorien zu widerlegen. Während "Erfahrungswandel und Methodenwechsel" (1988) vorführt, daß Themen, Deutung und Darstellung des Historikers letztlich von externen Motiven diktiert werden, bekämpft der jüngste Beitrag ein "Ideologem vom deutschen Sonderweg" und von Deutschland als einer "verspäteten Nation". Virtuos schlüpft Koselleck dazu in alle Rollen des kritischen Faches. Als Philologe zeigt er, wie wenig Plessners berühmtes Buch seinen moralisierenden Titel rechtfertigt. Als Methodiker verwirft er "Verspätung" als historische Kategorie, weil sie "ex post" teleologisiert und "normativ richtet". Als Historiker legt er dar, daß Deutschland zwar später als Frankreich und England zur Nation geworden sei, aber früher als die Völker Ostmitteleuropas. Als politischer Erzieher rühmt er die Toleranz, die seit je aus Deutschlands föderaler Struktur resultiert habe. Als Logiker betont er, daß, wer der deutschen Geschichte Einzigartigkeit zuschreiben wolle - "als sei es nötig, die Ungeheuerlichkeit der Judenvernichtung durch eine ungeheuerliche Geschichte kausal zu begründen" -, diese auch allen anderen Nationen einräumen müsse. Als Moralist warnt er vor der Annahme eines allen Deutschen schicksalhaft vorgezeichneten Sonderwegs, weil sie eben die Täter entlaste, die sie anzuklagen meine. "Das gilt auch für die Thesen Goldhagens."

Koselleck betreibt Theorie, weil er ihr mißtraut. Er beschwört sie mit hinreißender Redekunst, verblüffendem Scharfsinn, stimulierendem Enthusiasmus. Aber er beläßt es bei der Vision. Ein Werk, das sein Programm systematisch auf einen bestimmten historischen Gegenstand wenden würde, hat er nie verfaßt. Nur im Symbol des Fragments offenbart der Bielefelder Romantiker die Ganzheit, von der er träumt. Wie ein Avantgardekünstler zelebriert er Theorie als virtuose Diskursform, als ironische Provokation, als Ritual intellektueller Gemeinschaftsstiftung, als expressiven Gestus, als politische Verheißung, als Stimulans, als Metapher. Doch seine Abstinenz von historiographischer Praxis stärkt seine These, daß Sprache und Geschichte nicht zusammengehen.

Müßte eine "Historik" dann nicht aber eine andere Form haben als die der Theorie? Wäre es nicht konsequent, sie autobiographisch anzulegen - als Erfahrungsbericht über die kleine Sattelzeit zwischen 1940 und 1990, über Heidelberg vor, während und nach 1968, über den Aufbruch Bielefelds, über die Begegnungen, Gespräche und Projekte mit Gadamer, Löwith, Forsthoff und Schmitt? Ließe sich aus einem solchen Werk nicht Besseres und Genaueres über "Vergangene Zukunft", über generationstypische Ungleichzeitigkeiten und Erfahrungshorizonte, über das Fort-, Um- und Neuschreiben der Geschichte lernen als aus jeder Historik? Eine seiner Theorien freilich wäre dann widerlegt: daß nur Verlierer Geschichte schreiben.

Reinhart Koselleck: "Zeitschichten". Studien zur Historik. Mit einem Beitrag von Hans-Georg Gadamer. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2000. 399 S., geb., 48,- DM.

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