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Als Kristýnas Mann Petr mit nur 64 Jahren stirbt, möchte sie den Tod nicht zu sehr dramatisieren. Die Abwesenheit ihres Mannes ist schließlich nichts Neues, hat er doch zu Lebzeiten rund um die Uhr gearbeitet oder mit Freunden gefeiert. Kristýna erstellt eine Tabelle mit Pros und Contras für den lebenden und den toten Petr. Nicht ganz überraschend liegt der tote Petr vier Punkte vor dem lebendigen. Und erst jetzt beginnt sie zu weinen. Der Schriftsteller aus Tschechien eröffnet in seinen Erzählungen ein weites Panorama verschiedener Ausprägungen von Liebe. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass uns Glück und Liebe das Überleben sichern.…mehr

Produktbeschreibung
Als Kristýnas Mann Petr mit nur 64 Jahren stirbt, möchte sie den Tod nicht zu sehr dramatisieren. Die Abwesenheit ihres Mannes ist schließlich nichts Neues, hat er doch zu Lebzeiten rund um die Uhr gearbeitet oder mit Freunden gefeiert. Kristýna erstellt eine Tabelle mit Pros und Contras für den lebenden und den toten Petr. Nicht ganz überraschend liegt der tote Petr vier Punkte vor dem lebendigen. Und erst jetzt beginnt sie zu weinen. Der Schriftsteller aus Tschechien eröffnet in seinen Erzählungen ein weites Panorama verschiedener Ausprägungen von Liebe. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass uns Glück und Liebe das Überleben sichern.
Autorenporträt
Michal Viewegh, geboren 1962 in Prag, arbeitete nach einem abgebrochenen Wirtschaftsstudium als Nachtwächter und studierte anschließend Tschechisch und Pädagogik. Er lebt heute als freier Schriftsteller in Prag, wo er ein Bestsellerautor ist. Bei Deuticke erschienen bisher: Erziehung von Mädchen in Böhmen (1998), Die Liebe eines Vaters (1999), Roman für Frauen (2002), Geschichten über Sex und Ehe (2004), Völkerball (2005), Der Fall untreue Klára (2007), Engel des letzten Tages (2010), Zeitweiliger Orientierungsverlust (2011) und Die Mafia in Prag (2014).

Peter Demetz, 1922 in Prag geboren, flüchtete 1948 in den Westen. Er promovierte sowohl in Prag als auch in Yale, wo er bis zu seiner Emeritierung deutsche und vergleichende Literaturwissenschaft lehrte. Bei Zsolnay erschienen Die Flugschau von Brescia (2002), Böhmen böhmisch (2006), die Erinnerungen Mein Prag (Neuauflage 2019) sowie Diktatoren im Kino (2019).

Eva Profousová, geboren 1963 in Prag, lebt seit 1983 in Hamburg. Sie ist freiberufliche Literaturübersetzerin (Prosa, Theater), Publizistin und hat u.a. Jáchym Topol, Jaroslav Rudis, Tereza Boucková und Radka Denemarková ins Deutsche übertragen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.01.2012

Freier Fall ins Glück

Der tschechische Autor Michal Viewegh erzählt in siebzehn Kurzgeschichten von der Liebe und den vielen Möglichkeiten ihres Scheiterns.

Für literarische Texte eines bestimmten Formats stellt sich die Frage: Miniatur oder Petitesse? Etwa dann, wenn einer wie der Schriftsteller Michal Viewegh in siebzehn Sprints über die Kurzstrecke von der Liebe erzählt. Der in Liebesdingen treffende Titel "Zeitweiliger Orientierungsverlust" weckt Hoffnungen, denn dieser schwindelerregende Verlust kann schließlich höchst freudvoll sein. In den Geschichten des 1962 geborenen Tschechen dominieren allerdings die Irrungen der wenig erhebenden Art. Vieweghs Figuren scheinen nicht für den freien Fall ins Glück geschaffen, nur wenigen seiner Liebenden aus Prag und Umgebung sind berauschende Gefühle beschieden.

Wie nah oder fern die Erfüllung auch scheint, ob in der Kleinstadt-Disco oder am Traumstrand, überall lauern desorientierende Faktoren. Zum Beispiel auf Vilma, die mit ihrem Mann auf eine tropische Insel für Flitterwöchner gereist ist. Wer hier, schon fast in Kythera, nicht glücklich ist, wird es nirgendwo sein. Desto schwerer wiegen die ehelichen Zwistigkeiten, die anheben, und die Erfahrung von Neid im Blick auf das Idyll eines uralten Ehepaars. Völlig verliert Vilma die Contenance unter den Händen einer indischen Masseurin, bei der ihr Mann arglos für sie eine "romantische Relaxmassage für Verliebte" gebucht hat. Entgeistert über ihre erotische Labilität, sucht Vilma bei der freundlichen Greisin Rat, um sich mit ihr an eine Minimaldefinition von Liebe heranzutasten: "Wenn es nicht unerträglich ist." Schließlich einigt man sich auf: "Wenn es nicht lange unerträglich bleibt."

Das ist die bescheidene Eröffnung einer Sammlung von Schmankerln. In den folgenden Stellungskriegen finden manche die Liebe, sofern sie an sie wie "an Wasser in der Wüste glauben". Häufig scheinen die Geschichten einander dabei thesenhaft zu antworten. Etwa wenn die Verkäuferin eines Küchenstudios, die es mit fast jedem verheirateten Kerl in der Stadt getrieben hat, wissen lässt: "Ich sage nur eines: Liebe gibt es nicht." Mitunter verharren die Texte auf diesem holzschnittartigen Erkenntnisniveau. Zuweilen handeln sie durchaus präzise und wendig aber auch davon, wie rätselhaft manche Menschen sind. Der Verliebte, der seine Gefährtin mit einem teuren Diamantring beglücken will, stolpert bei der Verwirklichung seines Vorhabens von einer Irritation in die nächste. Und da es wohl nicht eigentlich um die Frau, sondern um die Liebe zum Abenteuer und die große Gesten der Liebe geht, landet er während des geplanten Verlobungsdinners auf der Damentoilette des Restaurants, um Zärtlichkeiten mit der Kellnerin auszutauschen.

Es scheitern Kupplerinnen, Geschiedene, Seitenspringer. Wie der Verleger, der sich heillos in der Finsternis seines Hotel-Badezimmers verirrt und darüber, als er von der Geliebten ertappt wird, so peinlich berührt ist, dass er die Beziehung zu beenden beschließt. Sein weibliches Pendant ist Helena, die glaubt, ihren Ehemann geschickt zu hintergehen, während dieser glücklich-entspannt der Bedienung seines Lieblingscafés mitteilt, dass seine Frau gerade ihren Liebhaber trifft. Die wenigen Geschichten, in denen Michal Viewegh nicht nur vom Lieben, sondern auch vom Sterben erzählt, sind fraglos die wesentlicheren. Da versucht eine Bäckerswitwe mit Für-und-wider-Liste zu kalkulieren, ob ihr der tote oder der lebende Gatte mehr wert sei, und obwohl der Tote nach Punkten siegt, vermisst sie den Lebenden untröstlich. Vor allem aber wird man noch lange an den Kuss des Sohnes auf die Stirn des toten Vaters in "Der Vater des Schriftstellers" denken, "einer wahren Geschichte", wie es heißt.

Die meisten dieser Storys, die Figuren präsentieren, aber wenig Atmosphäre schaffen, sind mit Witz, ihre Pointen aber mit boulevardeskem Aplomb konstruiert. Und so hat sogar Peter Demetz in seinem maßvollen Nachwort offenbar ein wenig Mühe, dem Autor viel mehr zu attestieren als einen intelligenten Umgang mit Erzählperspektiven. Tatsächlich verliert Viewegh nie die Orientierung, sondern spurtet geradlinig auf seine Erzählziele zu. Zum Sujet und zu dessen hier immer wieder behaupteter Rätselhaftigkeit passt das nicht. Für die Liebe muss man sich Zeit nehmen wie für die Miniatur. Die noch größere Kunst des Schreibens, nicht nur über die Liebe, besteht also darin, mehr zuzulassen als zu wollen.

KIRSTEN VOIGT.

Michal Viewegh: "Zeitweiliger Orientierungsverlust". Liebesgeschichten.

Aus dem Tschechischen von Eva Profousová. Deuticke Verlag, Wien 2011. 192 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Thema der Liebe und der geschickte, aber auch etwas hastige Erzählgestus des Autors - das passt nicht zusammen, meint Kirsten Voigt. Für die Liebe, findet sie, muss man sich Zeit nehmen und auch für die Miniatur, die Michal Viewegh in seinen siebzehn hier versammelten Texten bedient. Dabei halten die Texte durchaus starke Maximen für die Rezensentin bereit, diese Definition etwa: Liebe ist, wenn es nicht unerträglich ist, äh, nein, wenn es nicht lange unerträglich bleibt. Dieser Art von Liebesglück begegnet Voigt beim Lesen der Texte des Öfteren. Manchmal ist die Erkenntnis auch eher schlicht, schreibt sie. Am besten haben ihr die Geschichten gefallen, in denen der Autor außer vom Lieben auch vom Sterben erzählt. Da, scheint sie zu sagen, spart Viewegh sich den boulevardesken Ritt auf die Pointe und schafft ausnahmsweise Atmosphäre.

© Perlentaucher Medien GmbH