32,00 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 2-4 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Eine prominente Reihe literarischer Vergewaltigungsfälle seit dem 17. Jahrhundert wird aus dem Horizont der Rechts- und Kulturgeschichte literaturgeschichtlich analysiert.Vergewaltigung gilt, wie Raub, Mord und Totschlag, seit alters als schweres Verbrechen. Welcher erzwungene Beischlaf allerdings jeweils als Verbrechen zu qualifizieren war und unter welchen Bedingungen diese Tat sanktio-niert werden konnte, erschließt sich erst im Zusammenhang mit den Rechtsnormen einer Zeit. Die Untersuchung von Gesa Dane rekonstruiert die Strafrechtsgeschichte dieses Verbrechens, um vor deren Hintergrund…mehr

Produktbeschreibung
Eine prominente Reihe literarischer Vergewaltigungsfälle seit dem 17. Jahrhundert wird aus dem Horizont der Rechts- und Kulturgeschichte literaturgeschichtlich analysiert.Vergewaltigung gilt, wie Raub, Mord und Totschlag, seit alters als schweres Verbrechen. Welcher erzwungene Beischlaf allerdings jeweils als Verbrechen zu qualifizieren war und unter welchen Bedingungen diese Tat sanktio-niert werden konnte, erschließt sich erst im Zusammenhang mit den Rechtsnormen einer Zeit. Die Untersuchung von Gesa Dane rekonstruiert die Strafrechtsgeschichte dieses Verbrechens, um vor deren Hintergrund literarische Texte vom 17. bis zum 20. Jahrhundert zu deuten. Zwar werden Vergewaltigungen hier aus Dezenzgründen bis weit in das 20. Jahrhundert nicht direkt geschildert, doch gelingt der Verfasserin mithilfe einer umsichtigen kulturhistorischen Spurensuche der Nachweis, daß die Texte selber es nie im Ungewissen lassen, ob es sich nach zeitgenössischen Vorstellungen um erzwungenen Beischlaf oder um Verführung handelt. In dieser Hinsicht werden Texte u.a. von Harsdörffer, Grimmelshausen, Lohenstein, Calderón, Richardson, Lessing, Goethe, Kleist, Hardy, Hahn-Hahn bis hin zu Parei und Duwe neu gedeutet und zum Sprechen gebracht.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Gesa Dane forscht und lehrt an der Freien Universität Berlin. Sie ist Verwalterin des literarischen und wissenschaftlichen Nachlasses von Ruth Klüger.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.2005

Mußt es eben leiden
Gesa Dane klärt über Vergewaltigung in der Literatur auf

Das "Gequieke, das Gekreische" hinter verschlossenen Türen in der "Emilia Galotti" hat schon so manche hitzige Phantasie entfesselt. Nicht minder kühne Spekulationen galten in der "Marquise von O . . ." dem rätselhaften Geschehen, das der berühmteste Gedankenstrich der Weltliteratur ausspart. Das "Weh und Ach" des "Heidenrösleins" haben hingegen Generationen mit unbegreiflicher Gleichgültigkeit zu trällern gelernt - ohne Bestürzung über das lakonisch kommentierte Leiden. Und wie unaufmerksam übergeht nicht mancher Zuschauer das infame Schicksal von weiblichen Figuren, die wie in "Titus Andronicus" oder dem "Fiesko" in Hörweite des Publikums genotzüchtigt werden?

Gesa Dane macht mit ihrer Studie "Zeter und Mordio" dagegen Front. Klar und deutlich beschränkt sie die von vielen Interpreten bisher so ingeniös ausgefüllten Deutungsspielräume, was in der Literatur als Vergewaltigung oder Verführung, was als justitiabler Tatbestand oder unsittliches Verhalten zu gelten hat. Unerwartet ist, daß sie sich dafür auf einen so angegrauten Anwalt wie Jacob Grimm berufen kann: Der behauptete bereits 1841 in einem rechtshistorischen Aufsatz "Über die Notnunft an Frauen", daß sich in einem Gedicht leichter als vor Gericht feststellen lasse, ob eine Frau mit einer sexuellen Handlung "einverstanden war oder gezwungen wurde". Wie schwierig diese Beurteilung letztlich aber ist, verdeutlicht Danes detektivischer Beitrag im Grenzbereich von Literatur und Recht. Es kommt dabei - wie bei jedem ordentlichen Rechtsverfahren - wesentlich auf die Berücksichtigung aller Umstände an. Dane befolgt diesen Grundsatz mit Sorgfalt und sichert so dem lesenden Publikum die Freiheit, selbst zu Gericht zu sitzen.

Grundlegend dafür sind genaue Kenntnisse der Rechtsverhältnisse zum Zeitpunkt und am Ort der jeweiligen literarischen Handlung. Heutige Maßstäbe etwa an den Fall der "Marquise von O . . ." anzulegen wird einer historischen Analyse kaum gerecht. Was nach jetzt gültiger Rechtslage als sexueller Mißbrauch einer widerstandsunfähigen Person eingestuft würde, galt etwa nach dem "Reichsstrafgesetzbuch" von 1871 als Nötigung, da Graf F . . . die Ohnmacht der Marquise nicht selbst herbeigeführt hat. Nach dem "Preußischen Strafgesetzbuch" von 1852 ist hingegen von einem Verbrechen gegen die Sittlichkeit auszugehen. Das "Allgemeine Landrecht" von 1794 spricht von einem fleischlichen Verbrechen.

Davor hätte man dem Grafen F . . . in Kleists Preußen keine Straftat anlasten können, da die Bewußtlosigkeit des Opfers und die Schwangerschaft - die ohne Liebe als physiologisch undenkbar galt - dagegenstanden. In älteren Rechtsordnungen war zudem der Nachweis von Gegenwehr und Hilfeschreien für eine Verurteilung entscheidend, was dem Buchtitel zusätzliche Prägnanz verleiht. Über die rechtliche Situation am Handlungsort Oberitalien berichtet Gesa Dane leider nicht, ist doch nicht auszuschließen, daß Kleist sich zugleich kritisch auf die Rechtssituation vor 1794 und außerhalb Preußens bezieht.

Sonst entgeht der Aufmerksamkeit der Autorin aber kaum etwas. Sie berichtet umfassend über die im Laufe der Zeit sich verändernden Kodifikationen dieses Delikts: Erst galt es als kapitale Verletzung der Ehre, dann des Körpers und der sittlichen Ordnung, schließlich der Seele und der sexuellen Selbstbestimmung der Frau. Heute erhebt das Gesetz den erzwungenen Beischlaf in der Ehe zur Straftat. Solch historisches Wissen fördert Danes umsichtige Spurensuche. Nach Seitenblicken auf die Bibel und die antike Mythologie führt sie von Grimmelshausen, Harsdörffer und Lohenstein über Wagner, Goethe und Kleist bis hin zu Ebner-Eschenbach, Hahn-Hahn oder verschiedenen Autorinnen der Gegenwart. In der jüngsten Epoche einer exhibitionistischen Medienkultur ist dabei die energische Absage an eine allzu hemmungslose Darstellung von Vergewaltigungen, etwa bei Jelinek oder Sarah Kane, überaus wohltuend. Dagegen hebt Dane sensiblere Auseinandersetzungen mit den Traumata der Opfer wie bei Inka Parei positiv ab.

Gegenüber schillernden Theorien bewahrt diese nüchterne und unbestechliche Anwältin vornehm Distanz. Für sie zählt allein die Evidenz der Falldarstellung und der historischen Umstände. Gelegentliche Ausflüge in Bilddeutungen ergänzen die Indiziensuche zur Beantwortung von Grimms Frage, ob eine Frau verführt oder vergewaltigt wurde. In Ludwig Richters Illustration "Heidenröslein" aus der Mitte des 19. Jahrhunderts wird etwa die Selbstverletzung des Jünglings am Rosenstrauch durch zwei dahinter verborgene Gestalten ins Gegenteil verkehrt. Die Frau zeigt ikonographisch gängige Abwehrgesten, die den Betrachter auf den unmißverständlichen Textbefund in Goethes Gedicht hinführen. Kaum zu glauben, wie man dieses Skandalon in dem scheinbar harmlosen, über hundertfünfzigmal vertonten Volkslied ignorieren konnte. Dane läßt die Ausrede der Ambivalenz nun nicht mehr zu. So manchem literarischen Gequieke und Gekreische ist damit die Unschuld genommen.

ALEXANDER KOSENINA

Gesa Dane: ",Zeter und Mordio'". Vergewaltigung in Literatur und Recht. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 312 S., geb., 32,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Thomas Weitin konstatiert zunächst einen Zustand umfassender Verrechtlichung der Gesellschaft, mit dem in den Geisteswissenschaften ein anhaltendes Interesse an rechtsgeschichtlichen Fragestellungen einhergeht. In diesen Kontext sieht er auch Gesa Danes "lesenswerte" Studie zur Rechts- und Literaturgeschichte des Vergewaltigungsdelikts. Wie er ausführt, bildete Vergewaltigung erst seit der Aufklärung einen eigenständigen Tatbestand, während sie davor vor allem als Angriff auf die Ehre der Betroffenen und vor allem ihrer männlichen Angehörigen begriffen wurde. Im literarischen Text ermögliche das Medium Ehre den Zugang zu den psychosozialen Leiden der Opfer und lasse individuelle Verlusterfahrungen über die Tabuisierung des Geschehens hinweg kenntlich werden, was Dane an diversen Texten exemplarisch zeige. Weitin hebt hervor, dass sich die Autorin gegen die diskursanalytische Degradierung literarischer Texte zu bloßen Exempeln vorgängiger Zusammenhänge wendet, um die Eigengesetzlichkeit des Literarischen deutlich zu machen. Einen neuen Ansatz bleibt sie nach Ansicht Weitins aber schuldig.

© Perlentaucher Medien GmbH