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Hunderttausende wurden in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet. In Gang halten mussten diese Todesfabrik hilflose Arbeitssklaven - die jüdischen Häftlinge des Sonderkommandos. Die SS zwang sie, die Opfer in den Auskleideräumen zu erwarten, ihnen zu helfen, damit es schnell ging. Sie mussten nach der Vergasung die Leichen verbrennen, ihnen zuvor die Haare abschneiden und die Goldplomben ausbrechen.
Nur sehr wenige dieser Augenzeugen überlebten; manche konnten in die »Normalität« zurückfinden, viele leiden bis heute unter diesem schweren Trauma.
Den Autoren ist es gelungen,
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Produktbeschreibung
Hunderttausende wurden in den Gaskammern von Auschwitz-Birkenau ermordet. In Gang halten mussten diese Todesfabrik hilflose Arbeitssklaven - die jüdischen Häftlinge des Sonderkommandos. Die SS zwang sie, die Opfer in den Auskleideräumen zu erwarten, ihnen zu helfen, damit es schnell ging. Sie mussten nach der Vergasung die Leichen verbrennen, ihnen zuvor die Haare abschneiden und die Goldplomben ausbrechen.

Nur sehr wenige dieser Augenzeugen überlebten; manche konnten in die »Normalität« zurückfinden, viele leiden bis heute unter diesem schweren Trauma.

Den Autoren ist es gelungen, einige von ihnen zu bewegen, über ihre grauenvollen Erlebnisse zu sprechen. Diese Interviews sind Grundlage des Buches, das zudem viele weitere Zeugnisse und die neuesten Forschungsergebnisse einbezieht und so erstmals die Abwicklung des Massenmords genau darstellt.
Autorenporträt
Friedler, Eric
Eric Friedler, geboren 1971 in Sydney, ist Journalist und Redakteur beim NDR Fernsehen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.03.2003

Dem Tod zur Hand gehen
„Zu Gemütsregungen nicht mehr fähig”: Die erste Studie über das jüdische Sonderkommando in Auschwitz
„Zu irgendwelchen Gemütsregungen war ich nicht mehr fähig, keine Tränen der Freude und auch kein Ausbruch der Begeisterung über die wiedergewonnene Freiheit stellten sich ein.” Als Filip Müller im Frühjahr 1945 befreit wurde, war dies kein Triumph. Nicht für ihn und auch nicht für die wenigen anderen Überlebenden der jüdischen Sonderkommandos von Auschwitz.
Mehr als 2000 Häftlinge und Deportierte hatte die SS in Auschwitz zwischen 1942 und 1945 in der Todeszone der Krematorien als Sklaven eingesetzt: Sie hatten die Deportierten zu empfangen, sie in die „Auskleideräume” zu bringen, ihnen beim Entkleiden zu helfen, sie in Sicherheit zu wiegen. Vor allem aber mussten die Sonderkommandos die Leichen aus den Gaskammern herausholen und zu den Öfen und Verbrennungsgruben transportieren, die Goldzähne ziehen, die Haare scheren, ihre Habseligkeiten und Wertgegenstände sortieren, sie verbrennen, ihre Knochen zerkleinern, ihre Asche fortschaffen. Jeden Tag aufs neue, monatelang, jahrelang.
Immer wieder wurden Kommandos vernichtet und ausgetauscht, kaum mehr als neunzig Gefangene überlebten. So mancher von ihnen fühlte sich nach 1945 als Aussätziger, heimgesucht von einer „Krankheit ohne Namen”. Filip Müller gehörte lange Zeit zu den wenigen, die je darüber berichteten. Literatur über das Sonderkommando gibt es kaum. Neben Müllers Erinnerungen und einem Interviewband von Gideon Greif sind es vor allem die Tagebücher einiger Sonderkommando-Häftlinge, noch während des Krieges im Lager vergraben und vom Museum Auschwitz publiziert.
Eric Friedler, Barbara Siebert und Andreas Kilian haben nun die erste umfassende Darstellung der Geschichte des Jüdischen Sonderkommandos vorgelegt. Den drei Autoren ist es gelungen, viele der noch lebenden Sonderkommando- Häftlinge zu finden. Manche hatten nach vielen Jahren der Einkapselung darauf gewartet, zu sprechen. Das Buch hält die Balance zwischen wissenschaftlicher Darstellung und einer erzählerischen Entfaltung des Geschehens. Minutiös rekonstruieren die Autoren Tagesabläufe und Entwicklungsprozesse des Mordens. Spürbar wird jene gespenstische Apathie, in die sich die Sonderkommando- Häftlinge hineinflüchteten, und zugleich ihr zäher Überlebenswille.
Hinter dem Anschein, zu willenlosen Automaten geworden zu sein, versuchten sie, handelnde Menschen zu bleiben. Handeln, das hieß: das eigene Überleben zu sichern, sich aus den Nahrungsmitteln der ankommenden Deportierten zu bedienen, sich Wertgegenstände und Kontakte zu korrupten SS- Männern zu „organisieren”. Handeln, das hieß auch, eine Widerstandsgruppe aufzubauen, die im Sommer 1944 einen Aufstand im Lager beginnen wollte – einen Aufstand der von jenen Kräften des Häftlingswiderstands außerhalb der Todeszone gebremst und verhindert wurde, die abwarten wollten, bis die Front nah genug sei.
Warten auf die Front
So wurden im Sommer 1944 in Auschwitz die ungarischen Juden ermordet, und in den vergrabenen Aufzeichnungen von Salmen Lewenthal verhallte die Verzweiflung der Sonderkommando-Häftlinge. „Von ihrem Standpunkt aus”, so schrieb Lewenthal 1944 konsterniert über den Lagerwiderstand, „hatten sie recht, desto mehr, als sie sich ja nicht direkt gefährdet fühlten, vernichtet zu werden.” Handeln, das hieß, selbst auf den „geeignetsten” Augenblick zu warten. Das hieß auch, gemeinsam mit einigen Frauen aus dem Lager, die in einer Sprengstofffabrik arbeiten mussten, in winzigen Mengen Sprengstoffe in die Krematorien zu schmuggeln. Handeln, das hieß, immer wieder im Inneren zerrissen zu werden, wenn die Menschen in ankommenden Transporten danach fragten, was ihnen geschehen werde, und ihnen nichts zu sagen – um keine „Unruhe” zu provozieren, und weil man den Menschen nicht im letzten Moment die Illusionen rauben wollte. Und Handeln hieß auch, es ihnen manchmal doch zu sagen, um sie zu ermuntern, den Aufstand zu wagen, vergeblich.
Am 7. Oktober 1944 fand der Aufstand schließlich statt. Der einzige in der Geschichte des Lagers, begonnen in drei der Krematorien in Birkenau, von eben jenen Häftlingen, die als „Automaten” galten, von manchen als Handlanger der Täter verschrien. Friedler, Siebert und Kilian lassen sich nicht dazu verführen, diesen verzweifelten Akt der Gegenwehr unnötig zu heroisieren. Ihre sachliche Schilderung der Ereignisse dieser Tage belässt die Geschichte so widersprüchlich, wie sie sich darstellt.
Als jede Hoffnung darauf zunichte war, mit der zögernden Widerstandsorganisation im Lager einen allgemeinen Aufstand zu Wege zu bringen, als die SS damit begann, eine Selektion unter den Sonderkommando- Häftlingen durchzuführen und sich die Erkenntnis durchsetzte, dass es nichts mehr zu verlieren gab, entlud sich die monatelang gestaute Verzweiflung gegen einen übermächtigen Gegner. Kaum einer der Aufständischen, denen es immerhin gelang, ein Krematorium zu zerstören und ein weiteres zu beschädigen, überlebte. Wenige Monate später gelang es der SS auch vier der Frauen, die an den Vorbereitungen beteiligt waren, zu identifizieren. Nach wochenlanger Folter wurden sie schließlich noch im Januar 1945 hingerichtet.
Das war kein farbrikmäßiger Tod, und es gehört zu den besonderen Verdiensten dieses Buches, dass es mit einigen Mythen aufräumt, die den Diskurs über Auschwitz heute bestimmen. Es zeigt Auschwitz als ein Geschehen, dass sich jeder Eindeutigkeit entzieht. Auschwitz war keine klinische Todesfabrik, sondern ein Ort, an dem die Routine des Todes jeden Tag neu erfunden wurde. Ein Ort, an dem mit dem Töten experimentiert und Zerstörung organisiert wurde, jeden Tag aufs neue. Nebenbei erfährt man etwas von der Selbstverständlichkeit, mit der das Wissen um die Massenvernichtung in weitaus größeren Teilen der deutschen Bevölkerung präsent war, als es für gewöhnlich zu hören ist. Nicht immer funktionierte die Tarnsprache. Da vergaß ein Angestellter der Baufirma „Riedel und Sohn” schon einmal die Rede von der „Sonderbehandlung” und notierte im Nachweis über geleistete Arbeitsstunden auf der Baustelle in Birkenau: „Fußboden betonieren in Gaskammer”.
Das Leben nach dem Überleben, dass die wenigen Davongekommenen des Sonderkommandos nach 1945 leben durften, wird am Ende des Buches nur angedeutet. Und in einem Epilog geben die Autoren zwei Ehefrauen das Wort, die dieses Leben nach dem Überleben geteilt haben. Marika Venezia und Lydia Mandelbaum erzählen von der Unmöglichkeit, je von diesen Erfahrungen Abstand zu gewinnen. Von einem Leben, dass davon bestimmt ist, einmal mitten im Tode existiert zu haben.
HANNO LOEWY
ERIC FRIEDLER, BARBARA SIEBERT, ANDREAS KILIAN: Zeugen aus der Todeszone. Das Jüdische Sonderkommando in Auschwitz. Zu Klampen Verlag, Lüneburg 2002. 416 Seiten, 25 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2003

Quälend exakt

AUSCHWITZ. Der Massenmord an den europäischen Juden war der konsequente, barbarische Endpunkt von Hitlers Rassenwahn. "Auschwitz" ist zum Begriff dafür geworden, obwohl dieses Verbrechen auch an anderen Orten stattfand und in diesem Konzentrationslager die verschiedensten nationalsozialistischen Verbrechen verübt wurden. "Zeugen aus der Todeszone" stellt in quälender Exaktheit den Prozeß der industriellen, nahezu spurlosen Vernichtung menschlichen Lebens aus der Perspektive der unfreiwilligen Erfüllungsgehilfen, des "Sonderkommandos", dar. Diese Gefangenen wurden unter anderem gezwungen, die letzten Habseligkeiten der Todgeweihten einzusammeln, die Gaskammern zu leeren, Goldplomben herauszureißen und die Leichen zu verbrennen. Vom Rest der Gefangenen weitgehend isoliert, waren auch sie dem willkürlichen Terror ihrer korrupten Bewacher ausgesetzt, galten bei der SS aber vor allem als unmittelbare Zeugen der "Endlösung der Judenfrage" als gefährlich. Dennoch überlebten Angehörige des Sonderkommandos und gaben ihre Beobachtungen seit 1945 weiter. Zu ihrer Geschichte gehört auch, daß der Lebensweg nach der Befreiung nachgezeichnet wird und wie die Erinnerung an das Lager diese Menschen bis heute quält. Wie die Mörder nach Entrechtung und Entwürdigung noch die Beraubung, die Tötung und sogar Versuche zur "Verwertung" vornahmen und dabei das System des Massenmordes immer mehr perfektionierten, wird aus der aktuellen Forschungsliteratur zusammengestellt und durch die Aussagen der überlebenden Angehörigen des Sonderkommandos ergänzt. Die Rekonstruktion des unvorstellbaren Grauens gelingt den Autoren. Die Darstellung ging aus Materialien hervor, die für eine Fernsehsendung zusammengetragen wurden. Den nicht unerheblichen Anteil der Autoren an neuen Zeugenbefragungen - und damit ihr eigentliches Verdienst - muß man sich aus den Anmerkungen mühsam heraussuchen. Dieses Buch schildert die unvorstellbare Maßlosigkeit der nationalsozialistischen Untaten in einer Eindringlichkeit, angesichts derer jeder, wie auch immer geartete, NSVergleich in der aktuellen Tagespolitik widerwärtig und geschmacklos ist. (Eric Friedler/Barbara Siebert/Andreas Kilian: Zeugen aus der Todeszone. Das jüdische Sonderkommando in Auschwitz. Verlag zu Klampen, Lüneburg 2002. 412 Seiten, 25,- [Euro].)

KLAUS A. LANKHEIT

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