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"In unserem Jahrhundert sind die Martyrer zurückgekehrt, häufig unbekannt, gleichsam unbekannte Soldaten der großen Sache Gottes (...). Das Zeugnis für Christus bis hin zum Blutvergießen ist gemeinsames Erbe von Katholiken, Orthodoxen, Anglikanern und Protestanten geworden (...). Das ist ein Zeugnis, das nicht vergessen werden darf."
Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben "Tertio millenio adveniente" vom 10. November 1994
Papst Johannes Paul II., der selbst seine Jugendzeit unweit der Schrecken von Ausch-witz verbrachte, hat 1994 den ersten Anstoß gegeben, eine alle
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Produktbeschreibung
"In unserem Jahrhundert sind die Martyrer zurückgekehrt, häufig unbekannt, gleichsam unbekannte Soldaten der großen Sache Gottes (...). Das Zeugnis für Christus bis hin zum Blutvergießen ist gemeinsames Erbe von Katholiken, Orthodoxen, Anglikanern und Protestanten geworden (...). Das ist ein Zeugnis, das nicht vergessen werden darf."

Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben "Tertio millenio adveniente" vom 10. November 1994

Papst Johannes Paul II., der selbst seine Jugendzeit unweit der Schrecken von Ausch-witz verbrachte, hat 1994 den ersten Anstoß gegeben, eine alle Kontinente umfassende Martyrergeschichte des 20. Jahrhunderts auf den Weg zu bringen, die für das Heilige Jahr 2000 bestimmt ist.

Das "Deutsche Martyrologium" versteht sich als Teil dieses großen Gesamtprojekts. In dreijähriger Arbeit haben über 100 Fachleute die Lebensbilder von mehr als 700 katholi-schen Martyrern erarbeitet. Auch nicht-katholische Glaubenszeugen werden nament-lich erwähnt, sofern sie in ökumenischen Gruppen tätig waren.

Wer ist "Martyrer"? Seit dem berühmten Werk des Kanonisten Prospero Lambertini (1675-1758), des späteren Papstes Benedikt XIV., "Über die Seligsprechung der Diener Gottes und die Heiligsprechung der Seligen" gibt es gültige theologische und kanonistische Kriterien zur Bestimmung des Begriffs "Martyrium". Diese Kriterien sind - in ihrer Erweiterung und Spezifizierung - vor allem während des Pontifikats Pauls VI. - noch heute der römi-schen Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungs-verfahren Grundlage und Maßgabe.

Für das Territorium der Deutschen Bischofskonferenz sowie unter Berücksichtigung der Deutschen im Ausland wurde nach sorgfältiger Prüfung eine Ausfächerung in vier Kategorien vorgenommen:
1. die Blutzeugen unter Hitlers Terror
2. die Blutzeugen des Kommunismus
3. das "martyrium puritatis" von Mädchen, Frauen, Ordensschwestern und ihrer Beschützer
4. die Blutzeugen aus den Missionsgebieten

Jeder Beitrag ist, soweit verfügbar, mit einem Photo des betreffenden Martyrers versehen und enthält Quellen- und Literaturhinweise für eine vertiefte Beschäftigung mit seiner Person und seinem Leben.
Zur Einführung und Übersicht:
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 13.03.2000

Im Ertragen stark
In der Arbeit unermüdlich: Das deutsche Märtyrerverzeichnis

Wer ist ein Märtyrer? Die alte Kirche verstand darunter den um seines Glaubens willen getöteten Christen, der die Erlösungstat Christi ungeachtet aller ihm zugefügten Qualen mit höchster Standhaftigkeit bezeugt hat. Der "Märtyrer" ist also Zeuge, sein Opfertod, aus dem legendärer Tradition zufolge der diabolische Hass der Christenverfolger sprach, ist Zeugnis für Christus', Martyrium.

In den Zeiten der römischen Christenverfolgungen kam dem Bekennermut der Blutzeugen für das Selbstverständnis der jungen Gemeinden eine kaum zu überschätzende Bedeutung zu. So ist es durch alle Jahrhunderte geblieben. Als "Zeugen der Wahrheit" genossen die Märtyrer höchste Verehrung; sie wurden als Fürsprecher an Gottes Richterstuhl angerufen, und nicht nur die Gründungsgeschichte Venedigs zeigt, welch ungewöhnliche Wege man einzuschlagen bereit war, um in den Besitz ihrer Gebeine zu gelangen - stellten kostbare Reliquien doch das Gemeinwesen zugleich unter deren wundertätigen Schutz. So errichtete man über den Gräbern der Märtyrer Altäre und Kirchen, die zu den ältesten und ehrwürdigsten der Christenheit gehören.

Der Münsteraner Bischof Clemens August von Galen hat auch die Kirche des zwanzigsten Jahrhunderts eine "Kirche der Märtyrer" genannt. Als er am 9. Februar 1936 im Xantener Dom über dem kurz zuvor entdeckten Grab des heiligen Viktor und seiner Gefährten predigte, spielte er auf die katholischen Opfer der Mordaktion des 30. Juni 1934 an: "Es gibt in deutschen Landen frische Gräber, in denen die Asche solcher ruht, die das katholische Volk für Märtyrer des Glaubens hält, weil ihr Leben ihnen das Zeugnis treuester Pflichterfüllung für Gott und Vaterland, Volk und Kirche ausstellt und das Dunkel, das über ihren Tod gebreitet ist, ängstlich gehütet wird." Es galt, auch die Erinnerung an die Glaubenszeugen unserer Tage wach zu halten.

Nichts anderes dürfte Papst Johannes Paul II. vor Augen gestanden haben, als er in Vorbereitung des Heiligen Jahres 2000 nicht allein zur "Reinigung des Gedächtnisses" aufrief, worunter er die Verfehlungen jener verstand, "die den Namen Christen trugen oder tragen", sondern auch daran erinnerte, dass "in unserem Jahrhundert die Märtyrer zurückgekehrt sind". Er dachte dabei an die Opfer der totalitären Herausforderungen durch Kommunismus und Nationalsozialismus, wie sie ihm aus seiner polnischen, nahe Auschwitz gelegenen Heimat nur allzu gegenwärtig waren, ferner an die Opfer zahlloser Kriege, Bürgerkriege, Stammeskämpfe, Rassenkonflikte oder ethnischer Säuberungen. So rief er die Ortskirchen auf, alles zu unternehmen, "um durch das Anlegen der notwendigen Dokumentation nicht die Erinnerung zu verlieren an diejenigen, die das Martyrium erlitten haben".

Für Deutschland liegt das Ergebnis seit kurzem in zwei stattlichen, aufwendig gestalteten und im Wortsinne gewichtigen Bänden vor. Sie sind in vierjähriger Arbeit unter der verantwortlichen Herausgeberschaft des Kölner Prälaten Helmut Moll mit Unterstützung zahlreicher Beauftragter und einem großen Mitarbeiterstab von immerhin 143 Autoren entstanden und beschreiben auf nahezu 1400 Seiten das Schicksal von mehr als siebenhundert Blutzeugen, Männer wie Frauen, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien, die als Deutsche oder auch so genannte Volksdeutsche einen gewaltsamen Tod erlitten haben.

Erweiterter Martyriumsbegriff

Angesichts einer nicht mehr nur schleichenden, sondern rapide voranschreitenden Entkirchlichung könnte diese hohe Zahl zunächst überraschen. Aber sie erklärt sich bei näherem Blick auf die politischen Umstände einer zweifachen totalitären Bedrückung, auf die zugrunde gelegten Opferkategorien und einen hierbei verwendeten, stark erweiterten Märtyrerbegriff. Moll unterscheidet erstens zwischen Märtyrern aus der Zeit des Nationalsozialismus, mit etwa 330 Personen die mit Abstand größte Gruppe. Die Opfer der stalinistischen Verfolgung, vornehmlich Russlanddeutsche und Donauschwaben, bilden eine zweite, rund 110 Personen umfassende Gruppe. Eine dritte besteht aus so genannten Reinheitsmartyrien (knapp siebzig Personen), worunter zum Beispiel Opfer von Sittlichkeitsverbrechen oder durch Rotarmisten ermordete Ordensfrauen gezählt werden, aber auch Personen, die versucht hatten, sich schützend vor die Frauen zu stellen. Eine vierte, mit etwa 170 Personen gleichwohl die zweitgrößte Gruppe besteht aus Blutzeugen, die in außereuropäischen Missionsgebieten tätig waren.

Ist damit bereits ein großer Einzugsbereich umschrieben, so erlaubt auch der zugrunde gelegte Märtyrerbegriff eine gewisse Großzügigkeit bei der Auswahl der Personen. Denn mit dem entschieden weiter als in der frühen Kirche gefassten Kategoriensystem des italienischen Kanonisten Prospero Lambertini, des späteren Papstes Benedikt XIV. (1740 bis 1758), und dessen Fortschreibung durch Papst Paul VI. (1963 bis 1978) liegt ein Raster zur Bestimmung des Martyriums vor. Die darin geforderten Voraussetzungen des gewaltsamen Todes (Martyrium materialiter) und des Glaubens- oder Kirchenhasses der Verfolger (Martyrium formaliter ex parte tyranni) werden meistens vorgelegen haben. Allerdings ließe sich fragen, ob sich auch die dritte Bedingung, "die bewusste innere Annahme des Willens Gottes trotz Lebensbedrohung" (Martyrium formaliter ex parte victimae), immer zweifelsfrei nachweisen lässt.

Der vornehmlich theologisch-pastorale Anspruch des Sammelwerks wird durch zwei bischöfliche Geleitworte unterstrichen, vor allem aber durch Anlage wie Tenor der "Theologischen Einführung", in welcher der Herausgeber Auskunft über den Hintergrund der Erhebungen, die theologischen Wurzeln des Unternehmens, die Aufnahmekriterien und die Einteilung in die erwähnten Opferkategorien gibt. Der Abschnitt über die Aufnahmekriterien bleibt indessen eigentümlich unbestimmt. Von welchen Gesichtspunkten der Herausgeber sich bei der Auswahl letztlich hat leiten lassen, erfahren wir nicht. Überhaupt lassen Einführung wie Literaturverzeichnis erkennen, dass es dem Herausgeber nicht um systematische Erfassung und Auswertung einschlägiger historischer Forschungsergebnisse zu tun war. Ein so zentral in seinen Argumentationszusammenhang gehörendes Werk wie Heinz Hürtens Studie "Verfolgung, Widerstand und Zeugnis. Kirche im Nationalsozialismus. Fragen eines Historikers" von 1987 oder die 1992 erschienene Gesamtdarstellung des gleichen Verfassers "Deutsche Katholiken 1918-1945" sind schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen worden.

Auch fällt auf, dass aus einer Liste, die die Kirchliche Hauptstelle für Männerseelsorge und Männerarbeit in den deutschen Diözesen bereits 1964 über die Blutzeugen des "Dritten Reiches" veröffentlicht hat, immerhin neunundzwanzig Namen fehlen, darunter als bekannteste die Brüder Berthold und Claus Stauffenberg. Auch den Namen der 1944 im KZ Sachsenhausen umgekommenen Maria Grollmuss sucht man vergeblich. Dafür sind vereinzelt Persönlichkeiten aufgenommen worden, die unzweifelhaft Opfer des NS-Terrors, aber auch nach den weiten Kategorien des Herausgebers keine Blutzeugen waren. In anderen Fällen ließe sich über die Zuordnung zu den "Kategorien" streiten, und der unhistorische Ansatz, auch für die NS-Zeit die heutige Diözesangliederung zugrunde zu legen, führt bei den früheren ostdeutschen Diözesen zu Beispielen unfreiwilliger political correctness.

Begrenztes Zeitbudget

Vielleicht waren solche Versehen bei der knapp bemessenen Entstehungszeit nicht zu vermeiden. Gewichtiger scheint die Frage, ob vom Martyrium im ursprünglichen, engeren Wortsinn nicht nur dann gesprochen werden sollte, wenn jemand nachweisbar wegen seines Glaubens und seines sich hieraus erklärenden Handelns Verfolgung und Tod erlitten hat. Diese Voraussetzung kann, muss aber nicht zwingend bei Mitgliedern einer politischen Widerstandsbewegung wie der im "Dritten Reich" vorgelegen haben. Deren individuelle Motivlage wäre ebenso zu prüfen wie die jeweilige Stoßrichtung der Verfolgungsinstanzen. Wieder anders liegen die Dinge bei der Verfolgung aus rassischen Gründen wie im Falle Edith Steins oder ihrer Schwester Rosa und nochmals anders beim Schicksal der Russlanddeutschen, wo sich der Argwohn gegen eine ethnische Volksgruppe mit Religionsverfolgung auf schwer unterscheidbare Weise verband.

Der Herausgeber umgeht solche Fragen, indem er sie gar nicht erst stellt und sich, wie gezeigt, eines deutlich weiteren Opferbegriffs bedient, der dergleichen Fallstricke nicht bereithält. Ganz ohne (historische) Begründungsversuche geht es indessen nicht ab. So äußert Moll im Falle der nationalsozialistischen Gegnerbekämpfung die unzutreffende Vermutung, "dass etwa die wahren Verhaftungsgründe in den offiziellen Anklagen entweder gar nicht genannt oder aber nur in allgemeinen Formulierungen wie ,Wehrkraftzersetzung', ,Feindbegünstigung' und dgl. angedeutet werden". Und wie beispielsweise der Sexualmord an einer zwölfjährigen Schülerin oder die Vergewaltigung und Ermordung oberschlesischer Nonnen am Ende des Zweiten Weltkrieges theologisch überhöht werden, um ihre Fälle für das genannte Kategoriensystem gleichsam passförmig zu machen, ist aus historischer Sicht kaum nachvollziehbar.

Man muss daran erinnern, dass sich nicht wenige der Opfer gerade während des "Dritten Reiches" von der Kirche sehr allein gelassen gefühlt haben. In Einzelfällen ließe sich sogar darüber streiten, ob Opfer wirklich kurzerhand auf der Habenseite eines "Katholischen Martyrologiums" verbucht werden können.

Wie bei einem Sammelwerk dieses Umfangs nicht anders zu erwarten, fallen die einzelnen biografischen Beiträge unterschiedlich aus. Sie sind abhängig von den zur Verfügung stehenden Quellen, dem Stand der Vorarbeiten, der Eigenart des Falles, der Bedeutung der behandelten Person und natürlich vom jeweiligen Autor. So stehen glänzend gelungene Porträts neben redlichen Bemühungen, aber auch solchen Texten, die eher dem Genre hagiografischer Erbauungsliteratur zuzurechnen sind. Als nützlich erweist sich, dass der Herausgeber einen (weithin) einheitlichen Aufbau mit knappen Lebensdaten, Foto, biografischem Abriss und einem Quellen- und Literaturanhang vorgegeben hat, der dem einschlägig Interessierten vertiefende Nachfragen ermöglicht. Dies dürfte vor allem auch dem zentralen Ziel des Martyrologiums, die Erinnerung an die dargestellten Personen und ihre Schicksale wach zu halten und für den Weg der Kirche ins nächste Jahrtausend fruchtbar zu machen, entgegenkommen. Wie der Verkaufserfolg zeigt, stößt dieses Anliegen auf breite Resonanz.

ULRICH VON HEHL

"Zeugen für Christus". Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts. Hrsg. von Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz. Zwei Bände. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 1999. LIV, 1308 S., Abb., geb., 98,- DM.

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