Mittelmaß und Durchschnittstypus gelten heute als Begriffe mit negativem Image. Im 19. Jahrhundert werden sie jedoch als Idealbilder erfunden und gleichsam durch Techniken des Maßnehmens und Berechnens formalisiert. Erstmals werden nicht nur Unmengen von Daten erhoben, auch gilt die Zahl als Garant von Objektivität schlechthin. Voraussetzung dafür bildet ein Zahlkonzept, das sich von seiner materiellen Grundlage - wie Finger, Zehen, Kerbholz oder Rechenstein - löst und zum abstrakten, universellen Symbol und Kalkül wird.Drei Fallstudien bilden das Rückgrat der Arbeit: Johann Gottfried Schadows künstlerisches Ideal der 'Mittleren Größe', Adolphe Quételets statistisches Theorem des 'Homme moyen' und die Entwicklung erster Konfektionsgrößen. Hier werden repräsentative und häufige Maßzahlen zunächst vom männlichen Körper ermittelt und für den Menschen schlechthin geltend gemacht. Doch gerät diese ideale Norm im entstehenden Konfektionsgewerbe rasch an ihre Grenzen. Das Konzept der 'Normalgrößen' wird auf die Masse ausgeweitet und etwa in Bezug auf den abweichenden und weiblichen Körper abgewertet.Die Versuche, den Körper in das Maß zu übersetzen, sind mithin durch Brüche und Widerständigkeiten gekennzeichnet. In diesem fortwährenden Prozess der Generierung von Normen und Wissen übernimmt das Zahlzeichen die Funktion des Erzeugens, während die Materie als Zeugenschaft entworfen wird. Die Studie entschlüsselt nicht nur die in der Kulturgeschichte der Zahl bereits angelegte symbolische Geschlechterordnung, sondern weist ihre Wirkmächtigkeit im Standardisierungs- und Normalisierungsprozess nach.
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