Am 7. Juni 1972 wurde Gudrun Ensslin, Mitbegründerin der RAF, in Hamburg festgenommen und in der JVA Essen inhaftiert. Sie wurde dort von den anderen Gefangenen isoliert und durfte nach einem BGH-Beschluss vom 12. Juni 1972 Besuche und Briefe nur von Angehörigen bekommen und auch selbst Briefe - außer an die Anwälte - nur an Angehörige schreiben. Ihre Briefe unterlagen der Zensur und wurden häufig beschlagnahmt, zum Beispiel wegen "diffamierender Äußerungen über die Justiz und gegen mich ermittelnde Behörden, Dich von meiner Überzeugung zu überzeugen, die darauf hinzielt, die bestehende freiheitliche demokratische Gesellschaft abzuschaffen" (Brief vom 18.8.1972).
Gudrun Ensslin hat während ihrer Haft in Essen etwa 50 Briefe an ihre Schwester Christiane und ihren Bruder Gottfried geschrieben. Diese Briefe zeichnen ein differenziertes Bild Gudrun Ensslins: als Strafgefangene und politische Kämpferin, aber auch als interessierte, ratgebende und liebevolle Schwester. Es geht um Privates, Politisches und Familiäres, um Bücherwünsche und Bedürfnisse des Alltags, um marxistische Theorie und Praxis und um die Schikanen von Anstaltsleitung und Justiz. Eine Einleitung und Erläuterungen von Christiane und Gottfried Ensslin ergänzen die Briefsammlung. Im April 1974 wird Gudrun Ensslin nach einer Zwischenstation im Toten Trakt der Haftanstalt in Köln-Ossendorf, in einer Zelle neben Ulrike Meinhof, in den Hochsicherheitstrakt der Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim verlegt. Dort beginnt im Mai 1975 der "Baader-Meinhof-Prozess". Im April 1977 werden alle Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig. Am 18. Oktober 1977 wird Gudrun Ensslin tot in ihrer Zelle aufgefunden.
Gudrun Ensslin hat während ihrer Haft in Essen etwa 50 Briefe an ihre Schwester Christiane und ihren Bruder Gottfried geschrieben. Diese Briefe zeichnen ein differenziertes Bild Gudrun Ensslins: als Strafgefangene und politische Kämpferin, aber auch als interessierte, ratgebende und liebevolle Schwester. Es geht um Privates, Politisches und Familiäres, um Bücherwünsche und Bedürfnisse des Alltags, um marxistische Theorie und Praxis und um die Schikanen von Anstaltsleitung und Justiz. Eine Einleitung und Erläuterungen von Christiane und Gottfried Ensslin ergänzen die Briefsammlung. Im April 1974 wird Gudrun Ensslin nach einer Zwischenstation im Toten Trakt der Haftanstalt in Köln-Ossendorf, in einer Zelle neben Ulrike Meinhof, in den Hochsicherheitstrakt der Vollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim verlegt. Dort beginnt im Mai 1975 der "Baader-Meinhof-Prozess". Im April 1977 werden alle Angeklagten zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil wurde nicht rechtskräftig. Am 18. Oktober 1977 wird Gudrun Ensslin tot in ihrer Zelle aufgefunden.
Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
Gudrun Ensslin war doch eher - und anders als es das "Baader-Meinhof-Label" suggeriert - die zentrale Figur des RAF-Gründertrios, behauptet Gerd Koenen, selbst Autor eines Buches, das Gudrun Ensslin ins Visier nimmt ("Vesper, Ensslin, Baader"). Aus den Gefängnisbriefen an ihre Geschwister werde Gudrun Ensslins Charisma und Familieninstinkt deutlich, die auch den Findungsprozess der Gruppe vorantreiben halfen; man höre aber auch bereits die existenzialistische Kassibersprache der späten Haftjahre heraus, so Koenen. Bestimmte Muster ließen sich nun bis in den frühen Tagebuchaufzeichnungen und Briefe der 60er Jahre zurückverfolgen. Die Lektüre der Briefe veranlasst Koenen zu der Feststellung, mit der "Allerweltsformel vom protestantischen Rigorismus" sei "wenig gewonnen". Ensslin ziehe "alle Register", argumentiere mit Marx und Fanon, Schiller und Kierkegaard, erzeuge einen suggestiven Sound, dem sich selbst Leser von heute nur schwer entziehen könnten. Das Predigen konnte Ensslin wohl trotzdem nicht ganz lassen, gesteht Koenen, denn die Zielrichtung ihrer Briefe an die beiden Geschwister sei gewesen, sie für den bewaffneten Kampf zu gewinnen. Diesen Bruch mit ihrer "bürgerlichen Existenz" haben Christine und Gottfried Ensslin nie vollzogen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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