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Produktdetails
  • Verlag: Societäts-Verlag
  • 1998.
  • Seitenzahl: 376
  • Deutsch
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 656g
  • ISBN-13: 9783797306876
  • ISBN-10: 3797306873
  • Artikelnr.: 07697255
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.12.1999

Unerschrocken auch bei heiklen Themen

Paul Arnsberg hat bis in die jüngste Zeit die große Tradition des Frankfurter Judentums repräsentiert wie kaum ein anderer Bürger der Stadt am Main. Schon vor dem Krieg war der Jurist aktiv in diversen jüdischen und zionistischen Organisationen. Unter anderem nahm er als Frankfurter Delegierter 1927 am Zionistischen Weltkongress in Basel teil, war außerdem von 1929 bis 1933 Mitglied der Gemeindevertretung der Israelitischen Gemeinde Frankfurt. Als einer von wenigen Frankfurter Juden kehrte er, der von den Nationalsozialisten 1933 aus dem Staatsdienst entlassen worden war und nach Palästina emigrieren konnte, in seine Heimatstadt zurück, allerdings erst 1958.

Verdienste hat sich Arnsberg als langjähriges Mitglied des Gemeinderats der neu gegründeten Jüdischen Gemeinde erworben, mehr noch vermutlich aber als Publizist und als Geschichtsschreiber der Frankfurter jüdischen Gemeinschaft. Arnsberg war einer der letzten, die eine geistige Brücke zu bauen vermochten zwischen dem Frankfurter Judentum der Vorkriegszeit und der nach dem Krieg gegründeten Jüdischen Gemeinde. In dieser gab es nämlich kaum eine Verbundenheit mit der alten Frankfurter Tradition, weil die meisten ihrer Mitglieder nach dem Krieg als Deportierte oder Flüchtlinge aus Osteuropa an den Main gekommen waren.

100 Jahre alt wäre Paul Arnsberg in diesem Monat geworden, hätte ihn nicht im Dezember 1978 der Tod ereilt. Der Publizist und Historiker Arnsberg lebt jedoch weiter - in seinen Schriften. Etwa 50 Artikel aus Arnsbergs Feder sind in einem beim Societäts-Verlag erschienen Band gesammelt, den die Kirchheim'sche Stiftung mit Unterstützung der Speyer'schen Hochschulstiftung herausgegeben hat. Das Buch "Zivilcourage zum Widerstand" gibt einen Eindruck vom breit gestreuten Interesse Arnsbergs: Der 1963 mit dem "Theodor-Wolff-Preis für hervorragende journalistische Leistungen" ausgezeichnete Publizist befasste sich mit so verschiedenen Themen wie der Praxis der Untersuchungshaft in der Bundesrepublik, der Hetze und Langeweile als Leiden unserer Zeit oder Israels Wandlung seit dem Sechstagekrieg. Der Band belegt aber auch Arnsbergs unerschrockene Herangehensweise an eher heikle Themen wie die Übernahme belasteter Richter in die Justiz der Bundesrepublik Deutschland oder das viele Jahre durch den Holocaust schwer belastete Verhältnis zwischen Israel und Deutschland.

Es ist kein Zufall, dass eine Stiftung dieses Buch ermöglicht hat. War es doch Arnsberg, der die Initiative zur Wiederbelebung mehrerer jüdischer Stiftungen gegeben hatte. Seine Frau Rosl, die Grand Dame der Frankfurter Gemeinde, der dieser Band zum 90. Geburtstag geschenkt wurde, führt übrigens Arnsbergs Engagement fort. Die Neugründung alter Wohltätigkeitseinrichtungen konnte Arnsberg nur anstoßen, weil er die Frankfurter Geschichte kannte, die bekanntlich reich ist an Stifterpersönlichkeiten und Stiftungsleistungen.

Der stolzen Vergangenheit der Freien Reichsstadt Frankfurt und ihrer jüdischen Bevölkerungsschicht, aber auch Versäumnissen wie dem Fehlen eines Börne-Denkmals galt häufig die Aufmerksamkeit des Publizisten Arnsberg, der schon in der Weimarer Zeit Redakteur des "Jüdischen Wochenblatts" in Frankfurt sowie freier Mitarbeiter der "Frankfurter Zeitung" gewesen war, nach dem Krieg in Israel die liberal-demokratische Wochenzeitung "Emeth" (Wahrheit) gegründet und geleitet hatte und nach seiner Rückkehr nach Frankfurt unter anderem in der F.A.Z., dem "Rheinischen Merkur" und dem "Jewish Observer" veröffentlichte.

Ein halbes Jahrhundert deutsch-jüdisches Verhältnis ist in Arnsbergs Artikeln nachzuerleben. Und wenn es um die Frankfurter Judenschaft geht, reicht des Autors Blick zuweilen auch ein ganzes Jahrtausend zurück. "Zivilcourage zum Widerstand" ist also nicht die schlechteste Lektüre am Beginn des Jahres 2000.

HANS RIEBSAMEN

Paul Arnsberg: Zivilcourage zum Widerstand. Beiträge zum Verhältnis von Deutschen, Juden, Israelis. Frankfurt 1998. Societäts-Verlag, 49,80 Mark.

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