Jolos Geisterfahrt durch die GerontokratieEigentlich betreibt er Ahnenforschung für seinen großen Roman Die Lohmers, Verfall einer Familie. Doch nebenbei entdeckt Jolo ein Land, das seine letzten Kinder frisst. Er kapiert: Das Methusalem-Komplott ist gar keine Schreckensvision, sondern längst Realität.Nach einem Jahr Jugend-Feldforschung ist Johannes Lohmer reif fürs Sanatorium. Brav feiert er mit Frau, Hund und Schwiegermutter Weihnachten es wird fürchterlich. Der deprimierte Ex-Popautor fragt sich: Wer bin ich, wo komme ich her, warum hänge ich mich an fremder Leute Familien und habe keine eigene? Er beginnt Dokumente zu wälzen, besucht die letzten lebenden Verwandten und erfährt: Die Lohmers waren eigentlich immer tolle Hechte, ob Nazi-General oder Widerstandsheld. Der Ur-Lohmer war so was wie der erste Popautor und mit dem preußischen Dandy Graf Pückler ist Jolo irgendwie auch verwandt. Seinem Verlag erzählt er, er schreibe einen Roman à la Buddenbrooks.Aus Jolos Recherche wird ein Ahnen-Trip, der seine Lebensgeister weckt. Er berauscht sich an den Vorfahren, hat eine Affäre und sogar wieder Sex mit der Ehefrau. Nur eines stört: das Gerontoland, durch das ihn die Familienforschung führt. Unterwegs sieht er iPod-Opas, Schlager-Mumien und Punk-Grufties, er kommt durch jugendbefreite Zonen, beobachtet den Tanz der Polit-Vampire und wird Zeuge, wie die Rentnerdemokratie ihre letzten Kinder frisst. Als er erlebt, wie die Weltjugend den Papst feiert und in Deutschland der ewige Stillstand ausbricht, öffnet ihm ein Kinofilm die Augen: Ahnenforschung ist nirgendwo so schön wie im Land der lebenden Toten, das von alt gewordenen Babyboomern angeführt wird, die nichts davon wissen (wollen), dass sie alt sind so wie Zombies nicht wissen, dass sie tot sind.
"Der geniale, der einmalige Herr Lottmann, die deutsche Antwort auf Robert de Niros 'Taxi Driver': verantwortungslos, trotzig, unerwachsen." Süddeutsche Zeitung
"Joachim Lottmann schreibt seine unverwechselbare Lottmannprosa ... so unglaublich lässig." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
"Wenn es ein Pendant zu Houellebecq in Deutschland gibt, ohne dessen gesamten Weltekel gleich mitzuschultern, dann ist es Lottmann." Der Spiegel
"Lottmanns ironische Wirklichkeitssimulationen machen einfach Spaß." Literaturen
Die Presse über "Die Jugend von heute":
"Das Buch der Saison." die tageszeitung
"Lottmanns Meisterstück und scharfsinnige Vision." Welt am Sonntag"
Ein süßer Höllentrip in große Emotionen und die Gegenwart." MAX
"Joachim Lottmann schreibt seine unverwechselbare Lottmannprosa ... so unglaublich lässig." Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
"Wenn es ein Pendant zu Houellebecq in Deutschland gibt, ohne dessen gesamten Weltekel gleich mitzuschultern, dann ist es Lottmann." Der Spiegel
"Lottmanns ironische Wirklichkeitssimulationen machen einfach Spaß." Literaturen
Die Presse über "Die Jugend von heute":
"Das Buch der Saison." die tageszeitung
"Lottmanns Meisterstück und scharfsinnige Vision." Welt am Sonntag"
Ein süßer Höllentrip in große Emotionen und die Gegenwart." MAX
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.05.2006Trau keinem unter fünfzig
Joachim Lottmann kuschelt mit der Jugend von heute
Joachim Lottmanns Comeback als "Jugendbuch-Starautor" war zu fulminant, als daß seine kulturethnologische Feldstudie "Die Jugend von heute" ohne Fortsetzung hätte bleiben können. Schreib doch mal was über deine Familie, forderte der Verleger vom Paten der Popliteratur, so eine Art Trash-"Buddenbrooks" für die reifere Jugend, und Lottmann läßt sich nie zweimal bitten. Angeblich lagern in den Schubladen des schreibfreudigen Schwadroneurs noch etliche unveröffentlichte Romane; die alten Reportagen des neuen "Spiegel"-Autors harren auch noch einer Resteverwertung, und außerdem kann es Lottmanns Stammbaum ja wirklich mit dem der Mann-Dynastie aufnehmen. Der Vater war quasi der "Beckham der Hamburger FDP", blond und draufgängerisch, die Mutter eine zickig-romantische Kreuzung aus Ava Gardner und Verona Feldbusch, Großvater ein hanseatischer Kaufmann von altem Schrot. Zu Lottmanns (genauer: Johannes Lohmers) Ahnen gehören ferner ein Vizeflottenchef im Dritten Reich, im Brockhaus namhafte Hofchirurgen, Physiker und Chemiker, ein von Fürst Pückler geschwängertes Milchmädchen und sogar ein Hofnarr des Mainzer Kurfürsten. Stoff genug jedenfalls für eine postironische Familienserie; an der flotten Schreibe und Chuzpe des Borderline-Journalisten fehlt es Lottmann ja nicht.
"Alles neu erfinden, alles umlügen, daß sich die Balken biegen, aber so verblüffend intim, daß jeder es glaubt": so reitet er frohgemut durch Deutschland, ein Land der lebenden Leichen, auf schmalem Grat zwischen Genie und Peinlichkeit, hellwacher empirischer Beobachtung und öden Klischees, witzigen Bonmots und kabarettistischem Geblödel. Die Botschaft ist ganz die alte: Kinder, was seid ihr doch für eine verschnarchte Sippschaft! Die Jugend von heute, so der durch extensive Feldforschung erhärtete, in WDR-Talkshows verteidigte und jetzt dutzendfach wiedergekäute Befund, unterwirft sich wehr- und willenlos dem "Geschmacksfaschismus" kregler Punk-Omas, iPod-Opas und jener "neuen Alten", die weder das Zepter der kulturellen Hegemonie noch den Löffel abgeben wollen. So dürfen Vicky Leandros und Wim Wenders, Peter Maffay und Peter Zadek, Madonna und Thomas Gottschalk ungestraft die ewig jungen Rocker geben; die Jungen, zufrieden, überhaupt mitspielen zu dürfen, wollen ja nur "kuscheln statt bohnern" und kuschen, statt zu rebellieren. Nur auf Altkanzler Schröder, Rudi Dutschkes Sohn Marek, Lohmers Ziehvater Rainer Langhans und - seit einem Damaskuserlebnis beim Weltjugendtag in Köln - auf den Papst läßt Lottmann nichts kommen; für alle anderen gilt: "Trau keinem unter fünfzig". Die Pointe dabei ist, daß der Jugendvertreter, der für seine Annäherungsversuche gern die Maske des gutmütigen "Onkels Jolo" und intellektuelle Kinderschokolade benutzt, selber auf die Fünfzig zugeht. Aber Logik ist ein geriatrisches Phänomen, Widersprüche halten jung.
Den Jugendkult einer alternden Gesellschaft familiär vertraulich zu überbieten und gleichzeitig zu unterlaufen ist ein feiner Trick, und Sottisen und Insider-Klatsch über eingerostete Edelfedern und frühverrentete Hipster liest man immer gern. Die episch-genealogischen Verästelungen seiner Familiensaga verliert der Ahnenforscher dagegen rasch aus den Augen, und das ist auch gut so: "So ein Stammbaum ist langweiliger, als man sich ihn vorstellt." Lottmann kuschelt lieber mit Karline, der erschreckend klugen Derrida-Schülerin, oder grabscht unter den Augen Benedikts nach brasilianischen Jesus-Groupies.
Im letzten Drittel des ausufernden Dokumentarromans verliert Lottmann vollends den Faden und plündert wahllos seine Notizen aus dem Bundestagswahlkampf 2005, als er sich auf ZDF-Sommerpartys und in Zeitungsartikeln als leidenschaftlicher Schröderist outete. Endlose Erfolgsmeldungen über seinen tollen Feriensex mit "der Barbi", seiner dominanten Frau, stützen die These "Was Frauen den Männern antun, ist der eigentliche Irak-Krieg unserer Epoche", verprellen aber auch die geduldigsten Freunde von Onkel Jolos wahren Märchen.
Unter seinesgleichen soll der "Vater der Popliteratur" als ganz gefährlicher Hund gelten; angeblich haben alte Freunde eine "Fatwa" gegen den Renegaten verhängt. In Wahrheit ist er natürlich, trotz seiner Lust an schnoddrigen Bosheiten und politischer Inkorrektheit, so sanft- und gutmütig wie Lizzy, der Hund, der ihm den Platz in Barbis Bett streitig macht. Man hat Lottmann schon einen "Roger Willemsen auf Speed" genannt; aber viel eher ist er ein Harald Schmidt auf Valium, ein jugendfreier, notorisch gutgelaunter Bruder von Michel Houellebecq und schlimmer Großvetter von Peter Hahne. Vermutlich wird der "staatlich anerkannte Jugendforscher" noch als alter Mann Clubs, Castingshows und Weltjugendtage inspizieren, die Finger immer am schwachen Puls der Schein- und Untoten. Als Seismograph und Geschmackspolizist einer vergreisenden Republik, als tragikomischer Parzival auf der Suche nach einer jugendlichen Unschuld, die er nie gehabt hat und nirgends finden wird, ist er stets einsatzbereit.
Joachim Lottmann: "Zombie Nation". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006. 398 S., br., 9,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Joachim Lottmann kuschelt mit der Jugend von heute
Joachim Lottmanns Comeback als "Jugendbuch-Starautor" war zu fulminant, als daß seine kulturethnologische Feldstudie "Die Jugend von heute" ohne Fortsetzung hätte bleiben können. Schreib doch mal was über deine Familie, forderte der Verleger vom Paten der Popliteratur, so eine Art Trash-"Buddenbrooks" für die reifere Jugend, und Lottmann läßt sich nie zweimal bitten. Angeblich lagern in den Schubladen des schreibfreudigen Schwadroneurs noch etliche unveröffentlichte Romane; die alten Reportagen des neuen "Spiegel"-Autors harren auch noch einer Resteverwertung, und außerdem kann es Lottmanns Stammbaum ja wirklich mit dem der Mann-Dynastie aufnehmen. Der Vater war quasi der "Beckham der Hamburger FDP", blond und draufgängerisch, die Mutter eine zickig-romantische Kreuzung aus Ava Gardner und Verona Feldbusch, Großvater ein hanseatischer Kaufmann von altem Schrot. Zu Lottmanns (genauer: Johannes Lohmers) Ahnen gehören ferner ein Vizeflottenchef im Dritten Reich, im Brockhaus namhafte Hofchirurgen, Physiker und Chemiker, ein von Fürst Pückler geschwängertes Milchmädchen und sogar ein Hofnarr des Mainzer Kurfürsten. Stoff genug jedenfalls für eine postironische Familienserie; an der flotten Schreibe und Chuzpe des Borderline-Journalisten fehlt es Lottmann ja nicht.
"Alles neu erfinden, alles umlügen, daß sich die Balken biegen, aber so verblüffend intim, daß jeder es glaubt": so reitet er frohgemut durch Deutschland, ein Land der lebenden Leichen, auf schmalem Grat zwischen Genie und Peinlichkeit, hellwacher empirischer Beobachtung und öden Klischees, witzigen Bonmots und kabarettistischem Geblödel. Die Botschaft ist ganz die alte: Kinder, was seid ihr doch für eine verschnarchte Sippschaft! Die Jugend von heute, so der durch extensive Feldforschung erhärtete, in WDR-Talkshows verteidigte und jetzt dutzendfach wiedergekäute Befund, unterwirft sich wehr- und willenlos dem "Geschmacksfaschismus" kregler Punk-Omas, iPod-Opas und jener "neuen Alten", die weder das Zepter der kulturellen Hegemonie noch den Löffel abgeben wollen. So dürfen Vicky Leandros und Wim Wenders, Peter Maffay und Peter Zadek, Madonna und Thomas Gottschalk ungestraft die ewig jungen Rocker geben; die Jungen, zufrieden, überhaupt mitspielen zu dürfen, wollen ja nur "kuscheln statt bohnern" und kuschen, statt zu rebellieren. Nur auf Altkanzler Schröder, Rudi Dutschkes Sohn Marek, Lohmers Ziehvater Rainer Langhans und - seit einem Damaskuserlebnis beim Weltjugendtag in Köln - auf den Papst läßt Lottmann nichts kommen; für alle anderen gilt: "Trau keinem unter fünfzig". Die Pointe dabei ist, daß der Jugendvertreter, der für seine Annäherungsversuche gern die Maske des gutmütigen "Onkels Jolo" und intellektuelle Kinderschokolade benutzt, selber auf die Fünfzig zugeht. Aber Logik ist ein geriatrisches Phänomen, Widersprüche halten jung.
Den Jugendkult einer alternden Gesellschaft familiär vertraulich zu überbieten und gleichzeitig zu unterlaufen ist ein feiner Trick, und Sottisen und Insider-Klatsch über eingerostete Edelfedern und frühverrentete Hipster liest man immer gern. Die episch-genealogischen Verästelungen seiner Familiensaga verliert der Ahnenforscher dagegen rasch aus den Augen, und das ist auch gut so: "So ein Stammbaum ist langweiliger, als man sich ihn vorstellt." Lottmann kuschelt lieber mit Karline, der erschreckend klugen Derrida-Schülerin, oder grabscht unter den Augen Benedikts nach brasilianischen Jesus-Groupies.
Im letzten Drittel des ausufernden Dokumentarromans verliert Lottmann vollends den Faden und plündert wahllos seine Notizen aus dem Bundestagswahlkampf 2005, als er sich auf ZDF-Sommerpartys und in Zeitungsartikeln als leidenschaftlicher Schröderist outete. Endlose Erfolgsmeldungen über seinen tollen Feriensex mit "der Barbi", seiner dominanten Frau, stützen die These "Was Frauen den Männern antun, ist der eigentliche Irak-Krieg unserer Epoche", verprellen aber auch die geduldigsten Freunde von Onkel Jolos wahren Märchen.
Unter seinesgleichen soll der "Vater der Popliteratur" als ganz gefährlicher Hund gelten; angeblich haben alte Freunde eine "Fatwa" gegen den Renegaten verhängt. In Wahrheit ist er natürlich, trotz seiner Lust an schnoddrigen Bosheiten und politischer Inkorrektheit, so sanft- und gutmütig wie Lizzy, der Hund, der ihm den Platz in Barbis Bett streitig macht. Man hat Lottmann schon einen "Roger Willemsen auf Speed" genannt; aber viel eher ist er ein Harald Schmidt auf Valium, ein jugendfreier, notorisch gutgelaunter Bruder von Michel Houellebecq und schlimmer Großvetter von Peter Hahne. Vermutlich wird der "staatlich anerkannte Jugendforscher" noch als alter Mann Clubs, Castingshows und Weltjugendtage inspizieren, die Finger immer am schwachen Puls der Schein- und Untoten. Als Seismograph und Geschmackspolizist einer vergreisenden Republik, als tragikomischer Parzival auf der Suche nach einer jugendlichen Unschuld, die er nie gehabt hat und nirgends finden wird, ist er stets einsatzbereit.
Joachim Lottmann: "Zombie Nation". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006. 398 S., br., 9,95 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Eine gute Portion Häme schüttet Rezensent Martin Halter über Joachim Lottmann und seinen neuen Roman aus. Lottman selbst tituliert er als einen "Harald Schmidt auf Valium", als "tragikomischen Parzival" und "Geschmackspolizisten einer vergreisenden Gesellschaft". Der literarische Wert dieser "Trash-Buddenbrooks" hält sich für den Rezensenten in deutlichen Grenzen. Trotzdem wird beträchtlicher Lektürespaß zu Protokoll gegeben: Schließlich lese man Klatsch über "eingerostete Edelfedern" immer gern. Respekt erntet der Veteran der Popliteratur allerdings dafür, dass er den Jugendkult unserer Gesellschaft gleichzeitig überbieten und unterlaufen kann. Die epischen Wucherungen dieser Familiengeschichte hat der Rezensent dagegen schnell aus den Augen verloren. Auch die Botschaft des Romans ("Trau keinem unter fünfzig!") fand er nicht wirklich innovativ.
© Perlentaucher Medien GmbH
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