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Hannah: eine Frau wie eine Vital-Infusion
Hannah Jona ist 77 Jahre alt, Witwe, und ihre Augen sind so blau, dass man sie schnell für ein bisschen exzentrisch hält. Sie lebt in einem der schönen alten zweistöckigen Jerusalemer Häuser, ihre drei Töchter wohnen ebenfalls dort, jede unverheiratet, jede mit eigener Karriere und Wohnung. Johanna, eine Pflegerin aus Rumänien, sorgt sich, dass Hannahs Doppelleben entdeckt werden könnte. Was wird geschehen, wenn herauskommt, dass Hannah, die tagsüber im Rollstuhl sitzt (nicht zuletzt, um sich die Immobilienhaie vom Hals zu halten, die ihr das…mehr

Produktbeschreibung
Hannah: eine Frau wie eine Vital-Infusion

Hannah Jona ist 77 Jahre alt, Witwe, und ihre Augen sind so blau, dass man sie schnell für ein bisschen exzentrisch hält. Sie lebt in einem der schönen alten zweistöckigen Jerusalemer Häuser, ihre drei Töchter wohnen ebenfalls dort, jede unverheiratet, jede mit eigener Karriere und Wohnung. Johanna, eine Pflegerin aus Rumänien, sorgt sich, dass Hannahs Doppelleben entdeckt werden könnte. Was wird geschehen, wenn herauskommt, dass Hannah, die tagsüber im Rollstuhl sitzt (nicht zuletzt, um sich die Immobilienhaie vom Hals zu halten, die ihr das wertvolle Haus abluchsen wollen), sich nachts mit hochhackigen Schuhen in Bars herumtreibt, Männer trifft und sich betrinkt? Hannahs Töchter teilen die Sehnsucht der Mutter nach Leben und Liebe und respektieren ihren Versuch, der Tyrannei der Zeit die Stirn zu bieten - jede geht anders mit Hannahs Kapriolen um. In diese skurrile Menage kommt Rafi, ein junger Mann, der vorgibt, Dichter zu sein,und ein Apartment mieten möchte. Tatsächlich gehört er zu jenen Real-Estate-Zockern, die Hannah um ihr Haus bringen wollen...
Autorenporträt
Magén, Mira
Mira Magén, Anfang der fünfziger Jahre in Kfar Saba (Israel) geboren, blieb der orthodoxen, ostjüdisch geprägten Welt ihrer Kindheit bis heute verbunden, die Stationen ihrer Biographie verraten jedoch eine Revolte: Studium der Psychologie und Soziologie, Ehe und Kinder, alle fünf Jahre ein anderer Beruf - Lehrerin, Sekretärin, Krankenschwester und schließlich Schriftstellerin. Magén zählt neben Zeruya Shalev zu den bedeutendsten Autorinnen ihres Landes. Ihr Werk, das Romane und Erzählungen umfasst, wurde u.a. mit dem Preis des Premierministers 2005 ausgezeichnet. Mira Magén lebt in Jerusalem und hält viel beachtete Poetik-Vorlesungen, derzeit an der Hebräischen Universität Jerusalem.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.03.2017

Selbst ist der Mensch
Die israelische Schriftstellerin Mira Magén erzählt in ihrem jüngsten Roman „Zu blaue Augen“
vom Suchen und Finden des Glücks im Privaten. Zur Lesung kommt sie nach München
VON EVA-ELISABETH FISCHER
Am Ende ist keine der handelnden Personen mehr dieselbe. Weder der schlaffe, irgendwie religiöse Rafi, der sich im Jerusalemer Haus von Hannah Jona einnistet, um es ihr im Auftrag eines Immobilienhais abzuluchsen, noch die alte Dame selbst, auch nicht ihre drei erwachsenen Töchter. Die Alte ist angeblich nicht mehr ganz richtig im Kopf, weshalb eine rumänische Pflegerin sie versorgt und beschützt. Diese Johanna ist es auch, die mit ihrem Hokuspokus das Leben aller und dabei auch ihr eigenes in Bewegung bringt und in neue Bahnen lenkt. Und dabei den Leser von Mira Magéns hinreißendem Roman „Zu blaue Augen“ (dtv) erst einmal auf die falsche Fährte schickt.
Johanna nämlich hängt zur Abwehr des bösen Blicks rote Blusen vors Haus. Und ihr 77-jähriger Schützling schneidet sich unvermittelt das Haupthaar ab, färbt es rabenschwarz, trinkt in Bars und macht die Kerle an. Auf seinen ersten Seiten also lässt sich das in Israel höchst erfolgreiche Buch an wie das Epos um eine unwürdige Greisin und ihren Clan, erzählt mit den Mitteln des magischen Realismus.
Fehlalarm. Die israelische Schriftstellerin, die bis heute zu ihrer ostjüdisch geprägten, orthodoxen Herkunft steht, die Psychologie und Soziologie studiert und unter anderem als Lehrerin und als Krankenschwester gearbeitet hat, weiß nur zu genau, dass Menschen erst einmal sichtbare Tatsachen schaffen, um tiefgründigere Veränderungen einzuleiten. Wenn sich Frauen, egal welchen Alters, die Haare abschneiden, tun sie das entweder aus Liebeskummer und/oder um ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Hannahs zweiälteste, Simona, Ärztin in einem Sterbehospiz, deren Mann im letzten Krebsstadium dahinsiecht, legt nicht selbst Hand an, sondern geht immerhin zum Friseur für ihren punkigen Kurzhaarschnitt.
Liebeskummer? Nicht wirklich. Denn die Frauen und Männern in dieser Geschichte haben keine Liebe, aber eine Sehnsucht danach. Der immer gleiche Alltag hat sie abgestumpft. Sie funktionieren als Gewohnheitstiere, leben aber nicht. Aber sie schaffen den Um- und den Aufbruch. Sie nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand und erschaffen sich im Privaten neu. Und erleben vielleicht sogar eine Liebe. Simona wird sich mit dem eingefrorenen Samen ihres Mannes schwängern lassen. Jardena, die Ältere, lässt sich versetzen und zieht mit ihrer Tochter ebenso aus und um wie Orna, die Jüngste der drei. Mutter Hannah findet ihre Liebe in Bruno, einem Holocaust-Überlebenden in einem Altenheim – zwei mit zu blauen Augen. Sie erblüht wie die just gepflanzten Gartenblumen in ihrem vormals verwahrlosten Hof. Ob der plötzlich listig-findige Rafi seine Vermieterin am Ende übers Ohr haut, wird natürlich nicht verraten.
Soviel aber schon, dass all diese allzu menschlichen Menschen mit ihren Macken und Nöten so lebendig werden, dass sie nicht nur im existenziell dauergebeutelten Israel als handfeste Mutmacher taugen. „Hannah Jona hielt die Augen geschlossen, sie lauschte dem Plätschern des Glücks in sich und betastete ihre hageren Rippen, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumte und dass das alles wirklich geschehen war.“ Mira Magén, die Frau, die diesen schönen Satz niederschrieb, will man doch kennenlernen. Das geht, am kommenden Montag im Ruffini.
Mira Magén: Zu blaue Augen; Montag, 27. März, 20 Uhr, Café Ruffini, Orffstr. 22
Mira Magén hat in ihren Roman offenbar viel von ihrer eigenen Lebenswirklichkeit einfließen lassen.
Foto: Tamir Lahav-Radlmesser
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"Nichts ist schöner als die Liebesgeschichte, die Mira Magén in ihrem Roman 'Zu blaue Augen' für ihre 77-jährige Heldin Hannah Jonah erfindet."
Sigrid Brinkmann, Deutschlandradio Kultur, Buchkritik 02.03.2017