Millionen Jahre war der Mensch nur zu Fuß unterwegs und 1900 Jahre fast nur zu Fuß; heutzutage aber bewegt er sich kaum noch so fort - Zeit für eine Kulturgeschichte der Mobilität aus Fußgängerperspektive. Johann-Günther König zeichnet die Geschichte dieser Fortbewegungsart nach, beginnt mit dem aufrechten Gang, schreitet aus über die Völkerwanderungszeit und macht beim Spazierengehen oder Wandern nicht halt. Immer geht es dabei auch um die Frage, welche Auswirkungen das Gehen auf den Alltag der Menschen hat. König hält es dabei für gut möglich, dass die große Zeit des homo sapiens als Fußgänger in Kürze wiederkommt, denn das Öl geht zur Neige ...
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Zu Fuß ist dieser Band von Andreas Mayer nicht zu durchqueren, meint Ludger Lütkehaus. Das liegt an Mayers "stupender" Gelehrsamkeit, die Historisches und Epistemologisches zum Thema Gehen und zu seiner Geschichte im 19. Jahrhundert versammelt. Auf manches physiologische Detail etwa hätte der Rezensent verzichten können. Nicht verzichten hingegen möchte er auf die spannenden Kapitel, in denen der Autor mittels Spaziergängern, Reisenden und exerzierenden Soldaten eine praktische Wissenschaft vom Gehen entwirft, den Körper als Maschine beleuchtet oder die Kutsche als Ablösung der körperlichen Beweglichkeit.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.07.2014Vergnüglicher Gang durch die Jahrhunderte
Noch vor zwei Jahrzehnten hätte man für dieses Buch keinen Verleger gefunden. Dem kollektiven Bewusstsein galt die Fortbewegung auf zwei Beinen als Relikt einer düsteren menschlichen Vorgeschichte, für die sich nicht einmal die Verkehrshistoriker interessierten. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Jeder zweite Deutsche bekennt sich inzwischen wieder zum freizeitmäßigen Zufußgehen, dem Wandern. Nachdem die Bestseller zum Thema geschrieben und gelesen sind, will man jetzt mehr wissen über das archaische Schrittwechseln, mit dem der Stubenhocker des digitalen Zeitalters wieder Boden unter die Füße zu bekommen hofft. Johann-Günther König befriedigt dieses neue Erkenntnisinteresse mit kulturwissenschaftlicher Präzision und einer stilistischen Leichtigkeit, die den Gang durch die Jahrhunderte zu einem Vergnügen macht. Man erfährt nicht nur Erstaunliches über die Alltagsmobilität unserer Ahnen und Urahnen, auch der industriegesellschaftliche Wandel vom Fußgänger zum Pendler wird nachgezeichnet - und sein moderner Absturz zum schwächsten aller Verkehrsteilnehmer. Am Schluss bleiben keine Fragen mehr offen, nicht einmal die, wie die menschliche "Bipedie" funktioniert. Der Leser hat begriffen, was ihm unter dem Diktat der Fortschrittspropheten ausgeredet worden war: dass der hochkomplizierte Balanceakt, bei dem wir uns nach vorne fallen lassen und zugleich wieder abfangen, eine technische Meisterleistung ist, gegen die gehalten, die rollende Fortbewegung eines Automobils geradezu primitiv erscheint - und dass es ein schwerer Fehler wäre, ohne Not auf das zu verzichten, was uns als Leibwesen seit Jahrhunderttausenden auszeichnet: Schritt für Schritt vorwärtszuschreiten.
fitz
"Zu Fuß - Eine Geschichte des Gehens" von Johann-Günther König. Reclam, Stuttgart 2014. 240 Seiten, Broschiert, 11,50 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Noch vor zwei Jahrzehnten hätte man für dieses Buch keinen Verleger gefunden. Dem kollektiven Bewusstsein galt die Fortbewegung auf zwei Beinen als Relikt einer düsteren menschlichen Vorgeschichte, für die sich nicht einmal die Verkehrshistoriker interessierten. Doch die Zeiten haben sich gewandelt. Jeder zweite Deutsche bekennt sich inzwischen wieder zum freizeitmäßigen Zufußgehen, dem Wandern. Nachdem die Bestseller zum Thema geschrieben und gelesen sind, will man jetzt mehr wissen über das archaische Schrittwechseln, mit dem der Stubenhocker des digitalen Zeitalters wieder Boden unter die Füße zu bekommen hofft. Johann-Günther König befriedigt dieses neue Erkenntnisinteresse mit kulturwissenschaftlicher Präzision und einer stilistischen Leichtigkeit, die den Gang durch die Jahrhunderte zu einem Vergnügen macht. Man erfährt nicht nur Erstaunliches über die Alltagsmobilität unserer Ahnen und Urahnen, auch der industriegesellschaftliche Wandel vom Fußgänger zum Pendler wird nachgezeichnet - und sein moderner Absturz zum schwächsten aller Verkehrsteilnehmer. Am Schluss bleiben keine Fragen mehr offen, nicht einmal die, wie die menschliche "Bipedie" funktioniert. Der Leser hat begriffen, was ihm unter dem Diktat der Fortschrittspropheten ausgeredet worden war: dass der hochkomplizierte Balanceakt, bei dem wir uns nach vorne fallen lassen und zugleich wieder abfangen, eine technische Meisterleistung ist, gegen die gehalten, die rollende Fortbewegung eines Automobils geradezu primitiv erscheint - und dass es ein schwerer Fehler wäre, ohne Not auf das zu verzichten, was uns als Leibwesen seit Jahrhunderttausenden auszeichnet: Schritt für Schritt vorwärtszuschreiten.
fitz
"Zu Fuß - Eine Geschichte des Gehens" von Johann-Günther König. Reclam, Stuttgart 2014. 240 Seiten, Broschiert, 11,50 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main