Es ist Ihnen gelungen, Zierkürbisse zu züchten, die im Dunkeln leuchten, das ist ein Verkaufshit zu Halloween. mit 1.000 Kürbissen erzielen Sie einen Gewinn von sage und schreibe 25 Euro pro Stück. Frage: Sollten Sie, wenn Sie Ihren Gewinn erhöhen wollen, noch mehr Kürbisse anbauen? Die überraschende Antwort auf diese und andere Fragen verrät Björn Frank ganz nebenbei in seinen spritzigen, kenntnisreichen und eleganten biografischen Miniaturen über die großen Ökonomen von Cantillon bis Bentham, von Keynes (dessen letzte fromme Lektüre einfach nicht zu seinem schillernden Leben passte) bis Schumpeter und all den anderen. Wer glaubte, es bei dieser Spezies mit drögen Geldvermehrern zu tun zu haben, wird eines Besseren belehrt. Es sind tragische, berührende, manchmal komische Lebensgeschichten, die oft genug mit einem erstaunlich passenden Tod enden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2019Uneindeutigkeit sichert die nachhaltige Wirkung
Björn Frank erzählt aus dem Leben von Ökonomen und macht dabei einige ihrer Einsichten publik
Die Ökonomie ist keine historische Wissenschaft. Ökonomischer Wandel und ökonomische Theorien haben zwar eine Zeitdimension, doch steht diese weder im Vordergrund, noch ist sie im strengen Sinne als historische Zeit relevant, jedenfalls nicht in der Ökonomie selbst. Bei Ökonomen und ihrem Werk hingegen ist das ganz anders, und insofern ist der Essay von Björn Frank über das Leben und Sterben großer Ökonomen eine überaus lehrreiche und unterhaltsame Mischung biographischer Details, ökonomischer Befunde und der Zeitumstände, durch die viele Aspekte der Werke erst transparent werden.
Der Band wendet sich nicht vorrangig an Ökonomen, ist aber auch für sie erhellend: Ohne eine zeitliche Einordnung bleibt vieles abstrakt, unanschaulich, ja auch wenig plausibel. Und vor allem zeigt sich: Viele der später hochformalisierten ökonomischen Einsichten verdanken sich ursprünglich der Alltagsklugheit wirtschaftlicher Akteure, sei es etwa bezüglich der sozialen Folgen der Geldmengenausweitung (Cantillon) oder angesichts des Problems der Erwartungsbildung bezüglich der Preisbildung auf Kapitalmärkten (Keynes).
Björn Frank gelingt durch seine Miniaturen, die den Tod der ausgewählten Protagonisten als Angelpunkt nehmen - darunter der vielleicht vorgetäuschte Tod Richard Cantillons, die Selbstmumifizierung Jeremy Benthams, der Suizid Friedrich Lists, die Erschießung von Alexander W. Tschajanow während der stalinistischen Säuberungen, der Krebstod John von Neumanns - eine Fülle überraschender, zum Teil skurriler, zum Teil seriöser Bemerkungen, denen auch eine ironische Note nicht fehlt.
Eine repräsentative Zusammenstellung sind die zwölf biographischen Skizzen, die abschließend um einige kursorische Bemerkungen zu Henri de Saint-Simon, Alexander Hamilton, Elizabeth B. Schumpeter, Karl Marx und Rosa Luxemburg ergänzt werden, freilich nicht. Viele Ökonomen sind schließlich erstaunlich alt geworden und ganz unspektakulär gestorben; dafür ist in Franks Buch Ronald H. Coase ein guter Vertreter, aber auch David Landes oder Douglass C. North könnte man nennen, von Milton Friedman und Paul Samuelson, die es immerhin auf 94 Lebensjahre brachten, zu schweigen.
Johann Heinrich von Thünen beschäftigte sich, für einen Landwirt nicht verwunderlich, mit dem Problem der wirtschaftlichen Nutzung des Bodens und fand hierauf zunächst alltagspraktische Antworten, die ihrerseits aber den Grundstoff für verallgemeinerbare Aussagen über Marktnähe und Marktferne, Transportkosten und Arbeitsintensität abgaben, die schließlich ihren Niederschlag im Marginalismus wie in der ökonomischen Regionaltheorie fanden und bis heute von großer Relevanz sind. Nicht überall sind solche Zusammenhänge so offensichtlich. Dass Richard Cantillon als Bankier aber eine ziemlich genaue Vorstellung davon hatte, welche Folgen eine Ausdehnung der Geldmenge haben musste, der keine entsprechende Erweiterung des Güterangebots entsprach, ist einleuchtend. Zumal Cantillon sich in den schwierigen Jahren der sogenannten South Sea Bubble und der anschließenden Krise in den 1720er und 1730er Jahren überaus geschickt verhielt - bis hin zum möglicherweise vorgetäuschten Tod im Feuer, mit dem er seine Gläubiger schlagartig loswurde.
John Maynard Keynes ist nicht nur, aber auch darüber zu verstehen, dass er im elitären Bloomsbury-Kreis der "Anlageberater" war, der über die zukünftige Preisbildung auf den Aktienmärkten begründet Auskunft geben musste - und sich entsprechende Gedanken zur Erwartungsbildung machte. Bei anderen, Joseph Schumpeter etwa oder dem erwähnten Ronald Coase, findet Frank zwar keine so erheiternden oder aufklärenden biographischen Zugänge. Aber skizziert ist doch Schumpeters Karriere vom akademischen Wunderkind über den gescheiterten Finanzminister und Banker zum fleißigen Professor, der Vorträge auch deshalb hält, um Schulden zurückzahlen zu können. Für ihn wie auch für Keynes gilt, worauf Frank hinweist: eine gewisse Unabgeschlossenheit und Uneindeutigkeit des Werks, das für Heerscharen zukünftiger Interpreten ein gefundenes Fressen sein sollte.
Letztere scheinen für die Ausstrahlung eines Werkes ohnehin vorteilhaft zu sein. Eindeutigkeit ist offensichtlich etwas, das den Keim des Veraltens unmittelbar in sich trägt. Mangelnde Klarheit hat auch Karl Marx davor geschützt, frühzeitig zum alten Eisen geworfen zu werfen, selbst wenn sich Engels nachdrücklich um Eindeutigkeit bemühte. Geholfen hat das wenig, in der Geschichte der Rezeption von Marx ist die Zahl der Interpretationen, Revisionen und Reaktualisierungen und natürlich auch der Kritiken bis in die Gegenwart Legion.
Nicht alle haben es auf derartige Hinterlassenschaften gebracht, doch auch die von Keynes oder Schumpeter ausgelösten Debatten können sich bis zum heutigen Tage sehen lassen. Frank ebnet durch seine leichte, aber keineswegs leichthändige Art der Auseinandersetzung mit den Bizarrerien, aber auch Stärken der von ihm porträtierten Ökonomen den Weg zu einer Fülle an ökonomischen und darüber hinaus weisenden Einsichten.
WERNER PLUMPE
Björn Frank: "Zu Keynes passt das nicht". Vom Leben und Sterben großer Ökonomen.
Berenberg Verlag, Berlin 2019. 152 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Björn Frank erzählt aus dem Leben von Ökonomen und macht dabei einige ihrer Einsichten publik
Die Ökonomie ist keine historische Wissenschaft. Ökonomischer Wandel und ökonomische Theorien haben zwar eine Zeitdimension, doch steht diese weder im Vordergrund, noch ist sie im strengen Sinne als historische Zeit relevant, jedenfalls nicht in der Ökonomie selbst. Bei Ökonomen und ihrem Werk hingegen ist das ganz anders, und insofern ist der Essay von Björn Frank über das Leben und Sterben großer Ökonomen eine überaus lehrreiche und unterhaltsame Mischung biographischer Details, ökonomischer Befunde und der Zeitumstände, durch die viele Aspekte der Werke erst transparent werden.
Der Band wendet sich nicht vorrangig an Ökonomen, ist aber auch für sie erhellend: Ohne eine zeitliche Einordnung bleibt vieles abstrakt, unanschaulich, ja auch wenig plausibel. Und vor allem zeigt sich: Viele der später hochformalisierten ökonomischen Einsichten verdanken sich ursprünglich der Alltagsklugheit wirtschaftlicher Akteure, sei es etwa bezüglich der sozialen Folgen der Geldmengenausweitung (Cantillon) oder angesichts des Problems der Erwartungsbildung bezüglich der Preisbildung auf Kapitalmärkten (Keynes).
Björn Frank gelingt durch seine Miniaturen, die den Tod der ausgewählten Protagonisten als Angelpunkt nehmen - darunter der vielleicht vorgetäuschte Tod Richard Cantillons, die Selbstmumifizierung Jeremy Benthams, der Suizid Friedrich Lists, die Erschießung von Alexander W. Tschajanow während der stalinistischen Säuberungen, der Krebstod John von Neumanns - eine Fülle überraschender, zum Teil skurriler, zum Teil seriöser Bemerkungen, denen auch eine ironische Note nicht fehlt.
Eine repräsentative Zusammenstellung sind die zwölf biographischen Skizzen, die abschließend um einige kursorische Bemerkungen zu Henri de Saint-Simon, Alexander Hamilton, Elizabeth B. Schumpeter, Karl Marx und Rosa Luxemburg ergänzt werden, freilich nicht. Viele Ökonomen sind schließlich erstaunlich alt geworden und ganz unspektakulär gestorben; dafür ist in Franks Buch Ronald H. Coase ein guter Vertreter, aber auch David Landes oder Douglass C. North könnte man nennen, von Milton Friedman und Paul Samuelson, die es immerhin auf 94 Lebensjahre brachten, zu schweigen.
Johann Heinrich von Thünen beschäftigte sich, für einen Landwirt nicht verwunderlich, mit dem Problem der wirtschaftlichen Nutzung des Bodens und fand hierauf zunächst alltagspraktische Antworten, die ihrerseits aber den Grundstoff für verallgemeinerbare Aussagen über Marktnähe und Marktferne, Transportkosten und Arbeitsintensität abgaben, die schließlich ihren Niederschlag im Marginalismus wie in der ökonomischen Regionaltheorie fanden und bis heute von großer Relevanz sind. Nicht überall sind solche Zusammenhänge so offensichtlich. Dass Richard Cantillon als Bankier aber eine ziemlich genaue Vorstellung davon hatte, welche Folgen eine Ausdehnung der Geldmenge haben musste, der keine entsprechende Erweiterung des Güterangebots entsprach, ist einleuchtend. Zumal Cantillon sich in den schwierigen Jahren der sogenannten South Sea Bubble und der anschließenden Krise in den 1720er und 1730er Jahren überaus geschickt verhielt - bis hin zum möglicherweise vorgetäuschten Tod im Feuer, mit dem er seine Gläubiger schlagartig loswurde.
John Maynard Keynes ist nicht nur, aber auch darüber zu verstehen, dass er im elitären Bloomsbury-Kreis der "Anlageberater" war, der über die zukünftige Preisbildung auf den Aktienmärkten begründet Auskunft geben musste - und sich entsprechende Gedanken zur Erwartungsbildung machte. Bei anderen, Joseph Schumpeter etwa oder dem erwähnten Ronald Coase, findet Frank zwar keine so erheiternden oder aufklärenden biographischen Zugänge. Aber skizziert ist doch Schumpeters Karriere vom akademischen Wunderkind über den gescheiterten Finanzminister und Banker zum fleißigen Professor, der Vorträge auch deshalb hält, um Schulden zurückzahlen zu können. Für ihn wie auch für Keynes gilt, worauf Frank hinweist: eine gewisse Unabgeschlossenheit und Uneindeutigkeit des Werks, das für Heerscharen zukünftiger Interpreten ein gefundenes Fressen sein sollte.
Letztere scheinen für die Ausstrahlung eines Werkes ohnehin vorteilhaft zu sein. Eindeutigkeit ist offensichtlich etwas, das den Keim des Veraltens unmittelbar in sich trägt. Mangelnde Klarheit hat auch Karl Marx davor geschützt, frühzeitig zum alten Eisen geworfen zu werfen, selbst wenn sich Engels nachdrücklich um Eindeutigkeit bemühte. Geholfen hat das wenig, in der Geschichte der Rezeption von Marx ist die Zahl der Interpretationen, Revisionen und Reaktualisierungen und natürlich auch der Kritiken bis in die Gegenwart Legion.
Nicht alle haben es auf derartige Hinterlassenschaften gebracht, doch auch die von Keynes oder Schumpeter ausgelösten Debatten können sich bis zum heutigen Tage sehen lassen. Frank ebnet durch seine leichte, aber keineswegs leichthändige Art der Auseinandersetzung mit den Bizarrerien, aber auch Stärken der von ihm porträtierten Ökonomen den Weg zu einer Fülle an ökonomischen und darüber hinaus weisenden Einsichten.
WERNER PLUMPE
Björn Frank: "Zu Keynes passt das nicht". Vom Leben und Sterben großer Ökonomen.
Berenberg Verlag, Berlin 2019. 152 S., geb., 22,- [Euro].
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