»Zufall ist im Grunde die Ohrfeige, die dir sagt: Du meinst, du hättest die Kontrolle in deinem Leben? Nein,
hast du nicht.« Ranga Yogeshwar
Wie entscheidend sind die Zufälle des Lebens? Reinhold Beckmann befragte dazu herausragende Menschen aus Kultur, Politik, Wirtschaft und Sport. Sie erzählen ihre sehr persönliche Geschichte und geben Auskunft, wie der Zufall ihr Leben prägte - oder eben auch nicht.
Ein Querschnitt prominenter Menschen unserer Zeit, Frauen von Hildegard Hamm-Brücher über Ursula von der Leyen, Sahra Wagenknecht bis Cornelia Funke und Magdalena Neuner und Männer von Roman Herzog, Martin Walser, Jürgen Grossmann bis Campino - sie alle erzählen von den Zufällen, die ihnen in ihrem Leben begegneten. Ihre Erfahrungen sind nicht nur sehr unterschiedlich, sondern die Protagonisten beurteilen auch sehr verschieden, was Zufall eigentlich ist. Von »Zufall ist das, was der liebe Gott eigentlich wollte« (Jens Lehmann) bis »Die Natur besteht nur aus unbeherrschbarem Chaos, darin gibt es keine Zufälle, sondern nur Naturgesetze« (Reinhold Messner). Flankiert werden die Texte von hochwertigen Fotos von Paul Ripke.
hast du nicht.« Ranga Yogeshwar
Wie entscheidend sind die Zufälle des Lebens? Reinhold Beckmann befragte dazu herausragende Menschen aus Kultur, Politik, Wirtschaft und Sport. Sie erzählen ihre sehr persönliche Geschichte und geben Auskunft, wie der Zufall ihr Leben prägte - oder eben auch nicht.
Ein Querschnitt prominenter Menschen unserer Zeit, Frauen von Hildegard Hamm-Brücher über Ursula von der Leyen, Sahra Wagenknecht bis Cornelia Funke und Magdalena Neuner und Männer von Roman Herzog, Martin Walser, Jürgen Grossmann bis Campino - sie alle erzählen von den Zufällen, die ihnen in ihrem Leben begegneten. Ihre Erfahrungen sind nicht nur sehr unterschiedlich, sondern die Protagonisten beurteilen auch sehr verschieden, was Zufall eigentlich ist. Von »Zufall ist das, was der liebe Gott eigentlich wollte« (Jens Lehmann) bis »Die Natur besteht nur aus unbeherrschbarem Chaos, darin gibt es keine Zufälle, sondern nur Naturgesetze« (Reinhold Messner). Flankiert werden die Texte von hochwertigen Fotos von Paul Ripke.
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Dem Menschenfischer und Einfühlsamkeitsprofi Reinhold Beckmann verdankt Edo Reents ein paar hübsche Erkenntnisse zum Thema Lebensplanung. So weiß er nach der Lektüre zum Beispiel, dass Angela Merkel unter Kontrollzwang leidet, Reinhold Messner ein Leistungsethiker und Roman Herzog ein Faulpelz ist. Im Ganzen stellt der Rezensent eine beunruhigende Demut im Umgang mit dem eigenen Lebenslauf fest, ob gottgläubig oder schicksalsergeben. Von Zielstrebigkeit, meint er, zeugen die wenigsten der im Band zu ihrer Biografie befragten.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.11.2013Der Zufall ist das, was der liebe Gott mit einem vorhat
Das Buch zur Themenwoche des Glücks: Reinhold Beckmann versammelt und deutet prominente Biographien
Hat nicht jedes Leben, in einem tieferen Sinne, etwas Unwahrscheinliches, zuweilen sogar Unglaubliches? In Porträts, persönlichen Würdigungen ist oft zu lesen, diesem oder jenem sei es nicht an der Wiege gesungen worden, dieses und jenes, Bundeskanzler oder Formel-1-Weltmeister zu werden. Aber bei wem ist dergleichen ganz am Anfang schon absehbar oder auch nur denkbar?
Die Zeiten fester biographischer Vorherbestimmung sind, außer in Königshäusern und anderen Familienbetrieben, weitgehend vorbei, und die sicherlich gutgemeinten, respektvollen Floskeln hängen noch resthaft einem dynastischen Denken an. So drückt sich in ihnen ein ganz grundsätzliches Unverständnis für Lebensläufe als solche aus: Die wesentlichen Dinge, Ereignisse, Entscheidungen lassen sich oft gar nicht "erklären". Deswegen wiegeln Leute, die Karriere gemacht oder zumindest Bekanntheit erlangt haben, meistens auch ab, wenn sie nach dem Geheimnis ihres Erfolgs gefragt werden. Manches kommt eben, man weiß nicht, wie, eben so, oft ohne eigenes Zutun.
"Zufall?", fragt schon im Titel der Fernseh-Talkmaster und Sportreporter Reinhold Beckmann in seiner "Spurensuche in außergewöhnlichen Biographien". Die meisten Prominenten, die hier aus ihrem Leben erzählen oder erzählen lassen, neigen der Ansicht zu: teilweise, ja. Der Rest ist dann "Schicksal" (gewissermaßen der große, ernste Bruder des Zufalls), Fügung, Talent und Fleiß. Es gibt da nur ein, zwei Ausreißer, die dann doch eine gewisse Zielstrebigkeit für sich reklamieren: die Wintersportlerin Magdalena Neuner, die Olympiasiegerin geradezu als ihren "Berufswunsch" angibt, und die Politikerin Sahra Wagenknecht ("Ich will etwas, ich habe eine bestimmte Überzeugung, also muss ich etwas dafür tun."). Bei den übrigen herrschen - je oller, desto doller - eine gewisse Ergebenheit, ein gewisses Vertrauen vor, ob nun in Gott, eigene Instinkte oder darauf, dass der Zufall es schon irgendwie gut mit einem meinen wird. Roman Herzog, auch nach der Schule noch "ein notorischer Faulpelz und trotzdem einsame Spitze", behauptet ganz offen, nie konkrete Ziele gehabt zu haben, es hätten sich "immer wieder neue Möglichkeiten aufgetan".
Es fällt auf, dass sich die mittlere Generation zwischen vierzig und fünfzig geradezu demütig gibt: Dem Punkrock-Sänger Campino wurden "die Entscheidungen meistens aus der Hand genommen", Torwart Jens Lehmann bringt seinen Glauben ins Spiel: "Zufall ist das, was der liebe Gott eigentlich wollte." Und die Entertainerin Ina Müller sagt, man könne sich Erfolg "nicht vornehmen". Und wenn doch? Bezeichnenderweise halten sich Manager für die Zielstrebigsten und veranschlagen ihren Eigenanteil hoch. Bahn-Chef Grube macht seinen Fleiß geltend, aus dem sich dann alles weitere geradezu zwangsläufig ergeben habe; Jürgen Großmann plante einfach das Scheitern nie ein. Das tat wohl auch der Bergsteiger Reinhold Messner nie, ein Leistungsethiker, der sich anfangs in seine Laufbahn hineingeschummelt hat und heute, mit bald siebzig, Goethe als spirituelles Vorbild reklamiert: für einen Pantheismus, dem Gott sich auch oder vielleicht gerade mittels der Naturgesetze offenbart. Die härteste Nuss ist Angela Merkel. Als Kind eine "Bewegungsidiotin", habe sie aus ihrem Handicap die Konsequenz gezogen, jeden Schritt weitsichtig zu planen und nichts dem Zufall zu überlassen; sie glaube schon aus einer Art Kontrollzwang nicht an Zufall, sondern an die Wahrheit des Binären, entweder null oder eins.
Es wäre von diesem Band zu viel erwartet, legte man Wert auf philosophische Stringenz; dafür ist das ausgewählte Personal ja gar nicht ausgebildet. Reinhold Beckmann erweist sich hier aber wieder als Menschenfischer mit professioneller Zugewandtheit und Einfühlsamkeit. Man sollte seine Zufallsbekanntschaften noch in dieser "Glücks"-Woche konsultieren.
EDO REENTS
Reinhold Beckmann und Sabine Paul: "Zufall!?" Eine Spurensuche in außergewöhnlichen Biographien.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013. 304 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Das Buch zur Themenwoche des Glücks: Reinhold Beckmann versammelt und deutet prominente Biographien
Hat nicht jedes Leben, in einem tieferen Sinne, etwas Unwahrscheinliches, zuweilen sogar Unglaubliches? In Porträts, persönlichen Würdigungen ist oft zu lesen, diesem oder jenem sei es nicht an der Wiege gesungen worden, dieses und jenes, Bundeskanzler oder Formel-1-Weltmeister zu werden. Aber bei wem ist dergleichen ganz am Anfang schon absehbar oder auch nur denkbar?
Die Zeiten fester biographischer Vorherbestimmung sind, außer in Königshäusern und anderen Familienbetrieben, weitgehend vorbei, und die sicherlich gutgemeinten, respektvollen Floskeln hängen noch resthaft einem dynastischen Denken an. So drückt sich in ihnen ein ganz grundsätzliches Unverständnis für Lebensläufe als solche aus: Die wesentlichen Dinge, Ereignisse, Entscheidungen lassen sich oft gar nicht "erklären". Deswegen wiegeln Leute, die Karriere gemacht oder zumindest Bekanntheit erlangt haben, meistens auch ab, wenn sie nach dem Geheimnis ihres Erfolgs gefragt werden. Manches kommt eben, man weiß nicht, wie, eben so, oft ohne eigenes Zutun.
"Zufall?", fragt schon im Titel der Fernseh-Talkmaster und Sportreporter Reinhold Beckmann in seiner "Spurensuche in außergewöhnlichen Biographien". Die meisten Prominenten, die hier aus ihrem Leben erzählen oder erzählen lassen, neigen der Ansicht zu: teilweise, ja. Der Rest ist dann "Schicksal" (gewissermaßen der große, ernste Bruder des Zufalls), Fügung, Talent und Fleiß. Es gibt da nur ein, zwei Ausreißer, die dann doch eine gewisse Zielstrebigkeit für sich reklamieren: die Wintersportlerin Magdalena Neuner, die Olympiasiegerin geradezu als ihren "Berufswunsch" angibt, und die Politikerin Sahra Wagenknecht ("Ich will etwas, ich habe eine bestimmte Überzeugung, also muss ich etwas dafür tun."). Bei den übrigen herrschen - je oller, desto doller - eine gewisse Ergebenheit, ein gewisses Vertrauen vor, ob nun in Gott, eigene Instinkte oder darauf, dass der Zufall es schon irgendwie gut mit einem meinen wird. Roman Herzog, auch nach der Schule noch "ein notorischer Faulpelz und trotzdem einsame Spitze", behauptet ganz offen, nie konkrete Ziele gehabt zu haben, es hätten sich "immer wieder neue Möglichkeiten aufgetan".
Es fällt auf, dass sich die mittlere Generation zwischen vierzig und fünfzig geradezu demütig gibt: Dem Punkrock-Sänger Campino wurden "die Entscheidungen meistens aus der Hand genommen", Torwart Jens Lehmann bringt seinen Glauben ins Spiel: "Zufall ist das, was der liebe Gott eigentlich wollte." Und die Entertainerin Ina Müller sagt, man könne sich Erfolg "nicht vornehmen". Und wenn doch? Bezeichnenderweise halten sich Manager für die Zielstrebigsten und veranschlagen ihren Eigenanteil hoch. Bahn-Chef Grube macht seinen Fleiß geltend, aus dem sich dann alles weitere geradezu zwangsläufig ergeben habe; Jürgen Großmann plante einfach das Scheitern nie ein. Das tat wohl auch der Bergsteiger Reinhold Messner nie, ein Leistungsethiker, der sich anfangs in seine Laufbahn hineingeschummelt hat und heute, mit bald siebzig, Goethe als spirituelles Vorbild reklamiert: für einen Pantheismus, dem Gott sich auch oder vielleicht gerade mittels der Naturgesetze offenbart. Die härteste Nuss ist Angela Merkel. Als Kind eine "Bewegungsidiotin", habe sie aus ihrem Handicap die Konsequenz gezogen, jeden Schritt weitsichtig zu planen und nichts dem Zufall zu überlassen; sie glaube schon aus einer Art Kontrollzwang nicht an Zufall, sondern an die Wahrheit des Binären, entweder null oder eins.
Es wäre von diesem Band zu viel erwartet, legte man Wert auf philosophische Stringenz; dafür ist das ausgewählte Personal ja gar nicht ausgebildet. Reinhold Beckmann erweist sich hier aber wieder als Menschenfischer mit professioneller Zugewandtheit und Einfühlsamkeit. Man sollte seine Zufallsbekanntschaften noch in dieser "Glücks"-Woche konsultieren.
EDO REENTS
Reinhold Beckmann und Sabine Paul: "Zufall!?" Eine Spurensuche in außergewöhnlichen Biographien.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013. 304 S., geb., 19,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»Flüssig und gut geschriebene Collage (zumeist) deutscher Lebensläufe.« Thomas Andre Hamburger Abendblatt, 16.11.2013