In Thomas Manns literarischen Texten wird zwar kein Vampirismus im engeren Sinne ausagiert, allerdings finden sich darin typische Elemente dieses vielseitigen Motivs, das sich aus dem neuzeitlichen Aberglauben heraus durch die Abstraktion auf das Moment der Energieabsorption zu einer in unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhängen virulenten Metapher für parasitäre Verhaltensweisen von Menschen oder Institutionen entwickelte und in der Literatur seit dem 18. Jahrhundert vor allem anderes kodiert oder diskursiviert, etwa im Zusammenhang mit Religion, Sexualität, Ethnizität, Geschlecht, Ökonomie oder Kunst. - Ausgehend von Spuren in Manns Werk, die den Rückschluss auf eine Vertrautheit mit der Idee des Vampirismus erlauben, werden ausgewählte Erzählungen auf Blut oder Blutsubstitute, 'untote' Existenzen, 'lebende Tote' oder Wiedergänger, entropische Vorgänge der Chaotisierung u. a. m. untersucht. Dabei dient der Vampirismus als Analyse- und Interpretationsinstrumentarium, das anwendbar ist auf Figuren, Figurenkonstellationen sowie Prozesse der Absorption physischer, psychischer, emotionaler, finanzieller, moralischer oder semantischer Energien. So ergeben sich Zugänge zu bisher wenig behandelten Erzählungen und neue Perspektiven auf schon viel interpretierte.