Um den erfundenen Ort Gilead hat Marilynne Robinson eine Erzählwelt geschaffen, die Roman für Roman weiterwächst. Gilead ist keine Idylle, sondern eine Stadt, die für den Leser zum Mittelpunkt eines ganzen Kosmos wird.
In »Zuhause« kehrt Glory Boughton nach Gilead zurück, um ihren sterbenden Vater zu pflegen. Kurz darauf findet auch ihr Bruder Jack nach 20 Jahren heim, der Bad Boy der Familie, der zu viel trinkt und zu wenig tut. Jack eckt bei allen an - und doch ist er der Liebling des Vaters. Allmählich knüpft er ein enges Band zu seiner Schwester, hütet aber weiter ein großes Geheimnis - einen Konflikt aus dem dunklen Amerika, in dem Hautfarbe und Leidenschaft Hass gebären.
»Zuhause« ist ein auf leise, präzise Art schonungsloses Buch, in dem Marilynne Robinson die Kontraste ihrer Welt um den fiktiven Ort Gilead noch eindringlicher zeichnet. Sie erzählt mit großer Meisterschaft von Scham und Würde, von Gnade und Vergebung, und wieder gelingt es ihr, dem Trostein Zuhause zu geben.
»Eine unserer größten lebenden Romanautorinnen.«
Bryan Appleyard, Sunday Times
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
In »Zuhause« kehrt Glory Boughton nach Gilead zurück, um ihren sterbenden Vater zu pflegen. Kurz darauf findet auch ihr Bruder Jack nach 20 Jahren heim, der Bad Boy der Familie, der zu viel trinkt und zu wenig tut. Jack eckt bei allen an - und doch ist er der Liebling des Vaters. Allmählich knüpft er ein enges Band zu seiner Schwester, hütet aber weiter ein großes Geheimnis - einen Konflikt aus dem dunklen Amerika, in dem Hautfarbe und Leidenschaft Hass gebären.
»Zuhause« ist ein auf leise, präzise Art schonungsloses Buch, in dem Marilynne Robinson die Kontraste ihrer Welt um den fiktiven Ort Gilead noch eindringlicher zeichnet. Sie erzählt mit großer Meisterschaft von Scham und Würde, von Gnade und Vergebung, und wieder gelingt es ihr, dem Trostein Zuhause zu geben.
»Eine unserer größten lebenden Romanautorinnen.«
Bryan Appleyard, Sunday Times
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.01.2019Alles in allem war es ein guter Tag
Religiös, aber nicht rührselig: Das Mittelstück von Marilynne Robinsons hochgelobter "Iowa"-Trilogie wird auf Deutsch nachgereicht.
Schuld und Scheitern, Demut und Gnade, Sühne und Fürsorge, Pietät und Moral. Groß sind die Schlagworte, auf denen Marilynne Robinson ihre Romane sät. Da ist es nicht verwunderlich, dass das größte Wort, um das herum in diesem Buch alles rankt, worauf es wurzelt und wächst, beginnt und endet, auch auf seinem Umschlag steht: "Zuhause".
"Home", 2008 veröffentlicht, ist der zweite Teil von Robinsons populärreligiöser Trilogie über zwei befreundete Pastorenfamilien im ländlichen Iowa, die in den Vereinigten Staaten längst gefeiert wurde, in Deutschland hingegen erst mit dem Erscheinen des dritten Teils, "Lila" (2014), adäquat Beachtung fand. 2016 wurde auch "Gilead", der mit dem Pulitzerpreis gekrönte Auftakt (2004), von Uda Strätling neu übersetzt. Doch nicht zuletzt, weil Ort (das fiktive Gilead), Zeitpunkt (die fünfziger Jahre) und der enge Kreis der Protagonisten dieselben bleiben, ist die Lesereihenfolge einerlei. Denn die Perspektive wechselt. Bestand "Gilead" aus den Erinnerungen des alten Reverend John Ames, einem Lebensresümee in Form eines langen Briefes an seinen kleinen Sohn, beleuchtete "Lila" schließlich den wunderlichen Weg der Titelheldin, Ames' zweiter Ehefrau: Ein Findelkind, das in die Prostitution geriet, findet an die Seite eines bedächtigen siebzig Jahre alten Geistlichen.
"Zuhause" widmete Robinson der kinderreichen Familie von Reverend Robert Boughton, Ames' "Alter Ego". Die Situation, kurz vor dessen Ableben, ist spannend gewählt: Glory, die fromme Jüngste von acht Geschwistern, kehrt achtundreißigjährig nach einer Trennung heim. Jack, schon aus "Gilead" als sündiger Außenseiter bekannt und heute 43 Jahre alt, hat die Familie seit zwanzig Jahren nicht zu Gesicht bekommen, nicht einmal zur Beerdigung der Mutter. Spät erfährt der Leser, was den damals gerade aus dem Gefängnis Entlassenen hinderte: die Last der Scham des Gescheiterten. Sie begleitet Jack durch den Roman, Hand in Hand mit der Furcht, Verworfenheit, Selbstverdruss und Schande seien seine Prädestination, und der Hoffnung auf Selbstvergebung und Segen.
"Es war womöglich der traurigste Tag in ihrem Leben, einer der traurigsten in seinem. Und doch war es, alles in allem, kein schlechter Tag." Wie Glory findet auch Jack vorübergehend einen täglich sich erneuernden Lebenssinn in der Pflege des sterbenden Vaters - und genau hier beginnt das, was Robinsons Erzählung zum Blühen bringt. Denn die vermeintliche Pflicht ist Selbstzweck: durch die Rückkehr der beiden einsamen Kinder in ihre Familie; durch die traurige, verzweifelte Sehnsucht beider Geschwister, im Haus ihrer Kindheit einen Neuanfang zu finden. Tatsächlich wird diese Erwartung von der grenzenlosen (aber nicht bedingungslosen) Güte ihres Vaters erfüllt: In der doppelten Funktion des irdischen wie himmlischen Vaters, aufgesucht in Zeiten von Kummer, Krankheit, Beschwernis und Erschöpfung, betont der Reverend die lebenslange elterliche Verantwortung. "Mein Leben wurde zu deinem Leben, als zündete man eine Kerze an der anderen an."
Sätze wie diese - rührend und von biblischer Tiefe - prägen Robinsons Sprache. Dass sie (bis auf das Ende) bei aller Religiosität nicht ins Rührselige abstürzen, verdankt die 1943 geborene Amerikanerin vor allem ihrem weltlichen Sujet: "Gilead als Stoff und Schauplatz nostalgischer Erinnerungen", die einerseits das Leben formen und in Vertrautheit immer eine Zuflucht als Ausflucht bilden, andererseits jedoch, sobald sie zu Gegenwart und Zukunft werden, auch die bedrohliche Gestalt des Stillstands annehmen können.
"Dann neigte er den Kopf zur Seite, Geste des Bedauerns und der Vergebung in einem." Marilynne Robinson ist eine sensibel beobachtende Erzählerin. Und sie verzichtet nicht auf Kommentare. Zum einen ist ihre weibliche Perspektive unüberlesbar, zum anderen verfügt ihr Roman zwischen Christlichkeit, Sklaverei und Marxismus über wohldosierten zeitpolitischen Diskussionsstoff und fein eingestreute distanzierende Ironie, die zu Ernüchterungen führt: "Sie nennen es alle ihr Zuhause, aber niemand bleibt."
Anders als Tracy Letts Theaterstück "August - Osage County" (deutsch "Eine Familie"), das 2007 individuelle Nöte im Familienkonflikt temperamentvoll eskalieren ließ, ist "Zuhause" ein introvertiert schwelender, leiser Roman. Um weiterlesen zu wollen, bedarf es keiner Sensationslust, aber einer Anteilnahme am melancholisch lächelnden Ringen um Lebensglück.
TERESA GRENZMANN
Marilynne Robinson: "Zuhause". Roman.
Aus dem Englischen von Uda Strätling. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2018. 432 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Religiös, aber nicht rührselig: Das Mittelstück von Marilynne Robinsons hochgelobter "Iowa"-Trilogie wird auf Deutsch nachgereicht.
Schuld und Scheitern, Demut und Gnade, Sühne und Fürsorge, Pietät und Moral. Groß sind die Schlagworte, auf denen Marilynne Robinson ihre Romane sät. Da ist es nicht verwunderlich, dass das größte Wort, um das herum in diesem Buch alles rankt, worauf es wurzelt und wächst, beginnt und endet, auch auf seinem Umschlag steht: "Zuhause".
"Home", 2008 veröffentlicht, ist der zweite Teil von Robinsons populärreligiöser Trilogie über zwei befreundete Pastorenfamilien im ländlichen Iowa, die in den Vereinigten Staaten längst gefeiert wurde, in Deutschland hingegen erst mit dem Erscheinen des dritten Teils, "Lila" (2014), adäquat Beachtung fand. 2016 wurde auch "Gilead", der mit dem Pulitzerpreis gekrönte Auftakt (2004), von Uda Strätling neu übersetzt. Doch nicht zuletzt, weil Ort (das fiktive Gilead), Zeitpunkt (die fünfziger Jahre) und der enge Kreis der Protagonisten dieselben bleiben, ist die Lesereihenfolge einerlei. Denn die Perspektive wechselt. Bestand "Gilead" aus den Erinnerungen des alten Reverend John Ames, einem Lebensresümee in Form eines langen Briefes an seinen kleinen Sohn, beleuchtete "Lila" schließlich den wunderlichen Weg der Titelheldin, Ames' zweiter Ehefrau: Ein Findelkind, das in die Prostitution geriet, findet an die Seite eines bedächtigen siebzig Jahre alten Geistlichen.
"Zuhause" widmete Robinson der kinderreichen Familie von Reverend Robert Boughton, Ames' "Alter Ego". Die Situation, kurz vor dessen Ableben, ist spannend gewählt: Glory, die fromme Jüngste von acht Geschwistern, kehrt achtundreißigjährig nach einer Trennung heim. Jack, schon aus "Gilead" als sündiger Außenseiter bekannt und heute 43 Jahre alt, hat die Familie seit zwanzig Jahren nicht zu Gesicht bekommen, nicht einmal zur Beerdigung der Mutter. Spät erfährt der Leser, was den damals gerade aus dem Gefängnis Entlassenen hinderte: die Last der Scham des Gescheiterten. Sie begleitet Jack durch den Roman, Hand in Hand mit der Furcht, Verworfenheit, Selbstverdruss und Schande seien seine Prädestination, und der Hoffnung auf Selbstvergebung und Segen.
"Es war womöglich der traurigste Tag in ihrem Leben, einer der traurigsten in seinem. Und doch war es, alles in allem, kein schlechter Tag." Wie Glory findet auch Jack vorübergehend einen täglich sich erneuernden Lebenssinn in der Pflege des sterbenden Vaters - und genau hier beginnt das, was Robinsons Erzählung zum Blühen bringt. Denn die vermeintliche Pflicht ist Selbstzweck: durch die Rückkehr der beiden einsamen Kinder in ihre Familie; durch die traurige, verzweifelte Sehnsucht beider Geschwister, im Haus ihrer Kindheit einen Neuanfang zu finden. Tatsächlich wird diese Erwartung von der grenzenlosen (aber nicht bedingungslosen) Güte ihres Vaters erfüllt: In der doppelten Funktion des irdischen wie himmlischen Vaters, aufgesucht in Zeiten von Kummer, Krankheit, Beschwernis und Erschöpfung, betont der Reverend die lebenslange elterliche Verantwortung. "Mein Leben wurde zu deinem Leben, als zündete man eine Kerze an der anderen an."
Sätze wie diese - rührend und von biblischer Tiefe - prägen Robinsons Sprache. Dass sie (bis auf das Ende) bei aller Religiosität nicht ins Rührselige abstürzen, verdankt die 1943 geborene Amerikanerin vor allem ihrem weltlichen Sujet: "Gilead als Stoff und Schauplatz nostalgischer Erinnerungen", die einerseits das Leben formen und in Vertrautheit immer eine Zuflucht als Ausflucht bilden, andererseits jedoch, sobald sie zu Gegenwart und Zukunft werden, auch die bedrohliche Gestalt des Stillstands annehmen können.
"Dann neigte er den Kopf zur Seite, Geste des Bedauerns und der Vergebung in einem." Marilynne Robinson ist eine sensibel beobachtende Erzählerin. Und sie verzichtet nicht auf Kommentare. Zum einen ist ihre weibliche Perspektive unüberlesbar, zum anderen verfügt ihr Roman zwischen Christlichkeit, Sklaverei und Marxismus über wohldosierten zeitpolitischen Diskussionsstoff und fein eingestreute distanzierende Ironie, die zu Ernüchterungen führt: "Sie nennen es alle ihr Zuhause, aber niemand bleibt."
Anders als Tracy Letts Theaterstück "August - Osage County" (deutsch "Eine Familie"), das 2007 individuelle Nöte im Familienkonflikt temperamentvoll eskalieren ließ, ist "Zuhause" ein introvertiert schwelender, leiser Roman. Um weiterlesen zu wollen, bedarf es keiner Sensationslust, aber einer Anteilnahme am melancholisch lächelnden Ringen um Lebensglück.
TERESA GRENZMANN
Marilynne Robinson: "Zuhause". Roman.
Aus dem Englischen von Uda Strätling. Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2018. 432 S., geb., 22,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
eine sensibel beobachtende Erzählerin [...] ein introvertiert schwelender, leiser Roman. Teresa Grenzmann Frankfurter Allgemeine Zeitung 20190109