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Zehn Jahre nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten gehen die Uhren im Osten Deutschlands noch immer anders. Woran das liegt, was daran schön, was daran ärgerlich ist, darüber schreibt der sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reinhard Höppner in diesem Buch: ein Buch gegen Vorurteile, gegen das heute vorherrschende DDR-Bild, in dem sich die 'gelernten DDR-Bürger' nicht weiederfinden. Die Suche nach Schuldigen verstellt den Blick auf die Wahrheit. Höppner wendet sich gegen die Selbstgerechtigkeit der Sieger. Sein Motto lautet: das Trennende aussprechen, um es zu überwinden.

Produktbeschreibung
Zehn Jahre nach der Vereinigung der beiden deutschen Staaten gehen die Uhren im Osten Deutschlands noch immer anders. Woran das liegt, was daran schön, was daran ärgerlich ist, darüber schreibt der sachsen-anhaltische Ministerpräsident Reinhard Höppner in diesem Buch: ein Buch gegen Vorurteile, gegen das heute vorherrschende DDR-Bild, in dem sich die 'gelernten DDR-Bürger' nicht weiederfinden. Die Suche nach Schuldigen verstellt den Blick auf die Wahrheit. Höppner wendet sich gegen die Selbstgerechtigkeit der Sieger. Sein Motto lautet: das Trennende aussprechen, um es zu überwinden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2000

Knurrende Gedankenhunde
Ministerpräsident Höppner über die Gemütslage der Ostdeutschen

Reinhard Höppner: Zukunft gibt es nur gemeinsam. Ein Solidaritätsbeitrag zur Deutschen Einheit. Karl Blessing Verlag, München 2000. 255 Seiten, 29,90 Mark.

Reinhard Höppner, der Philosoph unter den deutschen Ministerpräsidenten, hat uns schon viel zu denken gegeben: als Zeitmesser, bei dem die ostdeutschen Uhren anders gehen, als Fragesteller ("Ab wieviel Unrecht ist ein Staat ein Unrechtsstaat?"), als Konstrukteur einer Koalition, die sich Minderheitsregierung nennt. Nun sollen wir uns mit einem "Solidaritätsbeitrag" aus seiner Feder auseinander setzen. Der Untertitel weckt ein ganzes Rudel schlafender Gedankenhunde. Bei dem Appell, wir sollten "ehrlich miteinander umgehen" und "auch Unbequemes aussprechen", fangen sie an zu knurren. Was haben sie denn nur?

Höppner will Feindbilder zerstören und Unterschiede bewusst machen, die trennend zwischen Ost- und Westdeutschen stehen. Und wenn er sich dafür entschuldigt, dass es ein bisschen "provokant" zugehen könnte, so muss man ihn erst einmal zu Wort kommen lassen. Sein Buch ist in drei große Abschnitte unterteilt. Im ersten beschreibt er, wie er als Ostdeutscher vierzig Jahre DDR erlebt hat, im zweiten, warum die Kluft zwischen Ost und West vor allem in den folgenden zehn Jahren entstanden ist und weshalb sich Ostdeutsche noch immer als "Deutsche zweiter Klasse" fühlen. Im dritten breitet er aus, wie er sich die gemeinsame Zukunft unter nur noch erstklassigen Deutschen (nebst erstklassigen Ausländern, versteht sich) vorstellt. Alle 25 Kapitel kommen als Erklärstücke daher; als Antworten auf 25 Wie- und Warum-Fragen, die irritierte Einheitsdeutsche so umtreiben. "Warum sich Ostdeutsche heimatlos fühlen", heißt das erste Kapitel, das zweite "Wie die Geschichte von Jahrhunderten auf die Gegenwart wirkt" und so weiter. Manche Antworten bleiben im Stadium hin- und hergewendeter Fragen stecken.

Mit der Ausflucht, dass man darüber noch einmal diskutieren müsste, macht sich Höppner dann aus dem Staub. Zum Beispiel: "Dass der Kapitalismus die Zukunftsprobleme auch nicht in den Griff bekommt. Darüber muss in der Tat offen geredet werden." Na denn los, möchte man dem Autor zurufen, doch da ist er schon beim nächsten Thema. Statt sich damit aufzuhalten, wie man den Kapitalismus verbessern könnte, dem es nur um die Maximierung von Profit und Einkommen gehe, steuert Höppner langsam, aber zielstrebig auf seine Lieblingsidee zu. "Wenn der Sozialismus in seiner ursprünglichen Form die Suche nach einem gerechten Zusammenleben der Menschen und die Suche nach einer Welt war, in der die Menschen glücklich leben können, dann ist diese Suche . . . noch lange nicht erledigt." Bei der Frage, welchen Sozialismus er denn an der Endstation seiner Sehnsucht zu finden hofft, gerät er arg ins Schwimmen. "Die wesentlichen Fragen begleiten uns, und irgendwann sind sie nicht mehr wichtig. Das Leben hat sie beantwortet." Da drücken sich die Genossen von der PDS wenigstens etwas klarer aus.

Von gleicher Güte ist Höppners Solidaritätsbeitrag zur deutschen Einheit. Über alle Kapitel hinweg streut er Salz in die Wunde der Teilung, die "noch nicht ausgeheilt ist, auch bei mir nicht". Durch Mark und Bein geht der Schmerz, wenn er das Wort von den Siegern und den Besiegten benutzt. Und Höppner benutzt es oft. Wer sich nicht dem westdeutschen Anpassungsdruck unterwerfe, der setze sich gleich dem Verdacht aus, mit dem totalitären System irgendwie gemeinsame Sache gemacht zu haben. Obendrein hielten die "Sieger" die "Besiegten" für dumm und faul, was sie in Wirklichkeit gar nicht seien.

Warum fühlen sich Ostdeutsche heimatlos? Weil ihnen "die eigene Geschichte ausradiert" wurde. Da ist es wieder, dieses Knurren. Die schlafenden Hunde, die Höppner immer wieder wecken möchte: Das sind die Ressentiments, die auf dem Boden des Einigungsprozesses gewachsen sind. Er braucht sie, um selbst als Anwalt der Erniedrigten und Beleidigten hervortreten zu können. Die Lage der Nation wird man einmal daran ablesen können, wie sehr solche Verteidiger in Ostdeutschland noch gebraucht werden.

STEFAN DIETRICH

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Schon der Untertitel des Buches - "Ein Solidaritätsbeitrag zur Deutschen Einheit" - weckt in Stefan Dietrich "ein ganzes Rudel schlafender Gedankenhunde", die bei fortschreitender Lektüre offenbar immer lauter kläffen. Höppners 25 Erklärstücke über ostdeutsche Befindlichkeiten erklären dem Rezensenten rein gar nichts. Jedesmal, wenn der Autor ankündige, jetzt müsse man aber mal offen und ehrlich über die Mängel des Kapitalismus oder einen neuen Sozialismus reden, "macht sich Höppner aus dem Staub", klagt der Rezensent. Und das ständige Gerede von "Siegern und Besiegten" erweckt in Dietrich den Verdacht, dass Höppner solche Ressentiments vor allem braucht, "um selbst als Anwalt der Erniedrigten und Beleidigten hervortreten zu können."

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