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Der Band rückt unauffällige und eher vernachlässigte Zusammenhänge von Bildungsprozessen in den Mittelpunkt und zeigt Herausforderungen und Perspektiven auf.

Produktbeschreibung
Der Band rückt unauffällige und eher vernachlässigte Zusammenhänge von Bildungsprozessen in den Mittelpunkt und zeigt Herausforderungen und Perspektiven auf.
Autorenporträt
Thomas Rauschenbach, Prof. Dr. rer. soc., Jg. 1952, ist Vorstandsvorsitzender und Direktor des Deutschen Jugendinstitutes und Professor für Sozialpädagogik an der Technischen Universität Dortmund. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Bildung im Kindes- und Jugendalter, Kinder- und Jugendarbeit, Ganztagsschulen, soziale Berufe (Ausbildung und Arbeitsmarkt), Ehrenamt, Freiwilligendienste, Theorie der Sozialen Arbeit, Verbändeforschung, Dritter Sektor, Kinder- und Jugendhilfestatistik.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.11.2009

Elitäre und Alltags-Bildung
Pädagogisches Kontrastprogramm von zwei Erziehern
Wenn Politiker ständig die Bedeutung von Bildung betonen, wird es schwer, über das Thema zu schreiben, ohne tausendfach gehörte Beteuerungen zu wiederholen. Zwei Büchern ist es gelungen, diese Gefahr zu umschiffen – wenn auch auf völlig unterschiedlichen Wegen und mit ganz anderen Zielen. Der konservative Lehrer Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands und Leiter eines bayerischen Gymnasiums, hat eine flotte Streitschrift verfasst, in der er gegen die angeblich um sich greifende educational correctness polemisiert. Der progressive Wissenschaftler Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts, präsentiert dagegen einen differenzierten Essay, in dem er dafür wirbt, den Blick nicht auf die Schule zu verengen. Er betont den hohen Stellenwert der „Alltagsbildung” außerhalb der Schule.
Kraus hält die Fahne hoch für Autorität und Disziplin, für Elite und Noten. Er scheut sich nicht, von faulen und dummen Schülern zu sprechen, er verteidigt das gegliederte Schulsystem, wirbt für Patriotismus und warnt vor einer staatlichen Ganztagserziehung. Kraus ist die bildungspolitische Gleichheits- und Gerechtigkeitsrhetorik zuwider: Es gebe „kein Recht auf Abitur”, niemand könne zu echter Bildung gezwungen werden. Kraus will das Gymnasium verteidigen gegen angebliche Gleichmacherei, und dafür fährt er schwere Geschütze auf.Man kann ihn für einen unverbesserlichen Pauker alter Schule halten, aber eines muss man ihm lassen: Er trägt seine Positionen pointiert vor. Wären sie nicht so ärgerlich, könnten sie den Leser sogar unterhalten. In den Medien stilisiert er sich geschickt als Oberfunktionär der Lehrerschaft, obwohl sein Verband eigentlich nur eine One-Man-Show ist. Höchst einseitig stellt Kraus die Intelligenzforschung dar und suggeriert, an der Dummheit vieler Kinder lasse sich leider wenig ändern. Er stellt damit die moderne Forschung auf den Kopf. Auch wenn es Formen der Hochbegabung und der Lernschwäche gibt, die genetische Ursachen haben: Für das Gros der schulischen Probleme ist die Veranlagung nicht das Problem.
Thomas Rauschenbach macht zu Recht auf motivationspsychologische Effekte aufmerksam. Bildung hänge eng zusammen mit Anerkennung, Wertschätzung und Erfolg. Läuft es gut in der Schule, beflügelt das die Kinder. Läuft es nicht gut, kann das lähmen. Rauschenbach argumentiert, die Schule setze Kompetenzen voraus, die zu großen Teilen vor und neben der Schule, außerhalb des Unterrichts, erworben werden – oder eben nicht. Es geht um Ausdauer, Konzentration, um Motivation und Leidenschaften für bestimmte Themen, Hobbys und Fertigkeiten. Der Erziehungswissenschaftler spricht von „Alltagsbildung”, die an vielen Orten stattfinde, in der Familie, im Freundeskreis, in der Freizeit, beim Medienkonsum. Rauschenbach diagnostiziert eine „schleichende Erosion dieser lebensweltlichen Bildungsleistung”. Da hat er vor allem jene Kinder und Jugendlichen vor Augen, die in der Familie und in ihrer Freizeit kaum etwas lernen, das ihnen für ihre formale Bildung in der Schule helfen könnte.
Rauschenbach begnügt sich aber nicht wie Kraus damit, an die Erziehungspflichten der Eltern zu erinnern. Die Bildungspolitik kann nicht wegschauen, wenn Kinder in einer bildungsarmen Umwelt aufwachsen. Die Politik muss dann versuchen, für Kompensation zu sorgen. Rauschenbach plädiert für gut ausgebaute Ganztagsschulen und verstärkte Zusammenarbeit von Bildungsstätten, der Familienhilfe und der Jugendarbeit. Konkrete Beispiele, wie eine solche Kooperation im Detail aussehen und gelingen kann, bleibt er im Buch allerdings schuldig.
In Deutschland gibt es unübersicht-
liche und zerstreute politische Zuständigkeiten für die verschiedenen Lernorte und Bildungsräume. Das erschwert es,
eine „Allianz des Aufwachsens”, wie
sie Thomas Rauschenbach vorschwebt, zu schmieden. Und es müssten dafür nicht nur institutionelle Grenzen überwunden werden. Es gibt auch – siehe
das Buch von Josef Kraus – massive
mentale Widerstände, sogar bei Pädagogen. TANJEV SCHULTZ
JOSEF KRAUS: Ist die Bildung noch zu retten? Eine Streitschrift. Herbig Verlag, München 2009. 223 S., 16,95 Euro.
THOMAS RAUSCHENBACH: Zukunftschance Bildung. Familie, Jugendhilfe und Schule in neuer Allianz. Juventa Verlag, Weinheim 2009. 248 S., 16 Euro.
Die außerhalb der Schule erworbene „Alltagsbildung” ist für den Erfolg im Unterricht entscheidend. Foto: Visum
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