Ob Terrorismus wie in Halle und Hagen, ob Angriffe auf Synagogen oder Gewalt gegen jüdische Menschen: Wir müssen endlich anerkennen, was da in uns existiert. Der Antisemitismus kriecht derzeit wieder aus allen Löchern der deutschen Gesellschaft, weil wir nichtjüdischen Deutschen ihn nie als Teil von uns gesehen und bekämpft haben. Allein 2022 gab es über 1.500 Straftaten gegen Juden und jüdische Einrichtungen - mehr als 5 pro Tag! Niklas Frank sammelt Belege, interviewt Menschen und macht seiner Fassungslosigkeit Luft: Wir Deutschen sind immer noch wackere Antisemiten, und Deutschland ist wieder ein Land, wo Juden um Leib und Leben fürchten müssen. Geben wir dies endlich zu! Denn sonst schaffen wir es nie, diese furchtbare Seite in uns wirklich zu ändern. Es darf nicht sein, dass 90 Jahre nach der "Machtergreifung" Juden und Jüdinnen immer noch die Sündenböcke unserer Krisen, Ängste und Aggressionen sind.Es kommen zu Wort: Jaron Engelmayer, Felix Klein, Jörg Lauster, Meron Mendel, Robert Schindel, Volker Schlöndorff, Eva Umlauf und Michael Wolfssohn.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Eine Wutrede, deren Stärke nicht im abwägenden Argumentieren liegt, die aber dennoch viel zu sagen hat über unsere Zeit: Das ist Niklas Franks Buch für Rezensent Robert Probst. Wie schon in einem früheren Buch, das den Vater des Autoren, eine Nazi-Größe im Dritten Reich, ins Zentrum stellte, geht es primär um das Weiterleben des Antisemitismus in der deutschen Mehrheitsgeselschaft. Insbesondere im Aufstieg der AfD sieht der Autor die Kontinuität dieses Erbes, lernen wir, den Deutschen insgesamt attestiert er, dass sie sich mithilfe von Denkmälern aus der Verantwortung für die jüdischen Opfer der Nazizeit zu stehlen versuchen. Das Buch enthält außerdem, heißt es weiter, Interviews mit Experten wie Michael Wolfssohn und Meron Mendel, wobei dem Rezensenten auffällt, dass Frank, anders als seine Gesprächspartner, hauptsächlich rechte und Mainstream-Antisemiten thematisiert, weniger linke und muslimische. Ein zwischen Polemik, groteskem Humor und Analyse hin und her pendelndes Buch ist das, meint Probst, aber es trifft doch viele wichtige Punkte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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