Bisher hat Schmidt das Licht der Öffentlichkeit gescheut und praktisch nie über sein spektakuläres Leben geredet. Jetzt bricht er sein Schweigen. In "Zum ersten Mal tot" berichtet er darüber, wie aus ihm die interessante Persönlichkeit wurde, die er ist. Das heißt, er berichtet über seine ersten Male: Die allererste Idee, das erste Mal auf Drogen, die erste Arbeit, der erste Sex, das erste Mal in Marburg, das erste Mal als Comedysklave, das erste Mal in einer Anstalt, das erste Mal wieder draußen, das erste Mal an einer exotischen Krankheit erkrankt, das erste Mal gestorben. Ist das Buch zu Ende, weiß man alles, was man als gebildeter Mensch über Schmidt wissen sollte. Und vielleicht sogar ein bisschen mehr über sich selbst.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.10.2010Guck, ohne Hände!
Am Anfang stand eine Entdeckung: "dass es unglaublich viele Bücher über andere Leute gibt, über manche sogar mehrere. Über mich aber gibt es keines." Diesem unvertretbaren Missstand hat Christian Y. Schmidt, Deutschlands profiliertester Kulturverdreher, nun abgeholfen: "Zum ersten Mal tot" ist eine schamlos verlogene Autobiographie, wie man das von einem ehemaligen Führungsoffizier des Frankfurter Satireblatts "Titanic" erwarten darf. Weil Schmidt nicht nur ein brillanter Stilist ist, sondern zudem wissenschaftlicher Avantgardist, hat er seine Confessiones nicht einfach tumb à la Grass heruntergeschrieben, sondern aus ihnen ein Standardwerk der Erste-Mal-Forschung gemacht. Wann und wie der Verfasser "Zum ersten Mal dagegen (13 Jahre)", "Zum ersten Mal ratlos (38 Jahre)" oder "Zum ersten Mal Kulturpessimist (46 Jahre)" war, das strukturiert diese charmanten Selbstbespiegelungen eines schelmischen Autor-Ichs. Tatsächlich lernt man nebenbei sogar einiges, etwa über die DDR, wo es Sonnenuntergänge gab, "wie ich sie noch nie in unseren Breiten sah. Jeden Abend sank eine riesige Sonnenscheibe auf Dächer und Straßen und setzte die Stadt in Brand. Man sagte uns, das läge an der Luftverschmutzung." Doch liegt der Hauptreiz des Buches darin, uns allen bekannte Verfallsmuster wie den lebensruinierenden Ausgehzwang oder eingebildete Hirntumore endlich auf den Begriff zu bringen - und das zum ersten Mal so phantastisch lustig. (Christian Y. Schmidt: "Zum ersten Mal tot". Achtzehn Premieren. Edition Tiamat, Berlin 2010. 176 S., br., 14,- [Euro]). oju
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Am Anfang stand eine Entdeckung: "dass es unglaublich viele Bücher über andere Leute gibt, über manche sogar mehrere. Über mich aber gibt es keines." Diesem unvertretbaren Missstand hat Christian Y. Schmidt, Deutschlands profiliertester Kulturverdreher, nun abgeholfen: "Zum ersten Mal tot" ist eine schamlos verlogene Autobiographie, wie man das von einem ehemaligen Führungsoffizier des Frankfurter Satireblatts "Titanic" erwarten darf. Weil Schmidt nicht nur ein brillanter Stilist ist, sondern zudem wissenschaftlicher Avantgardist, hat er seine Confessiones nicht einfach tumb à la Grass heruntergeschrieben, sondern aus ihnen ein Standardwerk der Erste-Mal-Forschung gemacht. Wann und wie der Verfasser "Zum ersten Mal dagegen (13 Jahre)", "Zum ersten Mal ratlos (38 Jahre)" oder "Zum ersten Mal Kulturpessimist (46 Jahre)" war, das strukturiert diese charmanten Selbstbespiegelungen eines schelmischen Autor-Ichs. Tatsächlich lernt man nebenbei sogar einiges, etwa über die DDR, wo es Sonnenuntergänge gab, "wie ich sie noch nie in unseren Breiten sah. Jeden Abend sank eine riesige Sonnenscheibe auf Dächer und Straßen und setzte die Stadt in Brand. Man sagte uns, das läge an der Luftverschmutzung." Doch liegt der Hauptreiz des Buches darin, uns allen bekannte Verfallsmuster wie den lebensruinierenden Ausgehzwang oder eingebildete Hirntumore endlich auf den Begriff zu bringen - und das zum ersten Mal so phantastisch lustig. (Christian Y. Schmidt: "Zum ersten Mal tot". Achtzehn Premieren. Edition Tiamat, Berlin 2010. 176 S., br., 14,- [Euro]). oju
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