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Über sechzig Jahre nachdem Virginia Woolf in der Ouse ertrunken ist, macht Olivia Laing sich an einem hellen Mittsommermorgen auf den Weg durch Südengland, um dem Lauf des magischen Flusses von der Quelle bis zur Mündung zu folgen. In von Kreidefelsen milchig-grün gefärbten Windungen, an Ufern auf dem Weg Richtung Meer sucht sie nach den Geheimnissen, die Flüsse tragen, verbergen, preisgeben. Herauskommt eine große, kluge und poetische Erzählung davon, wie Geschichte sich in eine Landschaft einschreibt - und davon, wie Geister nie von den Orten verschwinden, die sie lieben.

Produktbeschreibung
Über sechzig Jahre nachdem Virginia Woolf in der Ouse ertrunken ist, macht Olivia Laing sich an einem hellen Mittsommermorgen auf den Weg durch Südengland, um dem Lauf des magischen Flusses von der Quelle bis zur Mündung zu folgen. In von Kreidefelsen milchig-grün gefärbten Windungen, an Ufern auf dem Weg Richtung Meer sucht sie nach den Geheimnissen, die Flüsse tragen, verbergen, preisgeben. Herauskommt eine große, kluge und poetische Erzählung davon, wie Geschichte sich in eine Landschaft einschreibt - und davon, wie Geister nie von den Orten verschwinden, die sie lieben.
Autorenporträt
Olivia Laing, geboren 1977, ist »eine meisterhafte Biografin, Memoirschreiberin und Essayistin« (Helen MacDonald). Sie studierte Englische Literatur an der Universität von Sussex, brach ihr Studium ab, um auf einem Baum in der Wildnis zu leben und ein Diplom in Pflanzenheilkunde zu erwerben, bevor sie sich dem Journalismus zuwandte. Ihre Bücher sind in fünfzehn Sprachen übersetzt. 2018 erhielt sie den renommierten Windham Campbell-Preis.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FAS-Rezension

Für Anna Vollmer ist das zehn Jahre nach seiner Erstveröffentlichung nun auf Deutsch vorliegende Buch von Olivia Laing über den südenglischen Fluss Ouse viel mehr als romantisierendes Nature Writing. Die Autorin taucht tief in die Archive und schreibt eine Art Biografie des Flusses, seiner Umgebung, Geschichte und Anrainer, darunter einfache Leute, aber auch Virginia Woolf und ihr Mann, erklärt Vollmer. Der Mix aus kritischer, vor dem Klimawandel warnender Landschaftsbeobachtung, Memoir und Essay geht auf, findet Vollmer.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2021

Komisches Wetter

Ungewöhnliche Mischung aus Memoir, Essay und Künstlerbiographie - die britische Autorin Olivia Laing und ihr Buch "Zum Fluss".

Ein Morgen im August, wenige Tage nach der Veröffentlichung des Weltklimaberichts. In Südeuropa brennen die Wälder, in Deutschland versuchen Menschen seit Wochen, mit den Folgen der Flutkatastrophe zurechtzukommen. Olivia Laing, Schriftstellerin, sitzt in ihrem Haus im Süden Englands und spricht über ein Buch, das sie vor über zehn Jahren geschrieben hat und das nun, das Timing könnte kaum besser sein, auf Deutsch erschienen ist.

"Zum Fluss. Eine Reise unter die Oberfläche" lässt einem in diesen Tagen einen Schauer über den Rücken laufen, liest es sich doch an manchen Stellen wie ein aktueller Zeitungsbericht mit ausgetauschten Ortsnamen: "Die Höchstmarke erreichte die Flut um halb zehn Uhr abends in Malling, wo das Wasser zwei Stockwerke hoch stand. Auch die Straßen und Bahngleise waren überschwemmt, und Lewes hatte sich in eine Insel verwandelt, durch den wild gewordenen Fluss von der Außenwelt abgeschnitten. Wasser ist schlau, so viel steht fest. Es dringt in den kleinsten Spalt, und seien die Türen noch so dicht, unterscheidet nicht zwischen Kirche und Kloake. Wohin man auch sah, es riss buchstäblich alles mit sich: Gebetsbücher, Kinderspielzeug, Unterwäsche, tote Ratten."

Das Hochwasser, von dem Olivia Laing schreibt, ereignete sich zehn Jahre bevor sie die Wanderung unternahm, von der ihr Buch handelt, im Jahr 2000, in der kleinen englischen Stadt Lewes. Laing, die "zwanghaft" Nachrichten liest und dementsprechend die Bilder aus Deutschland und China gesehen hat, sagt: "Ist es nicht erstaunlich, dass wir beide es täglich schaffen, morgens aufzustehen?"

Auf den ersten Blick ist "Zum Fluss" kein Buch über den Klimawandel. Es ist eher, das trifft diese besondere Mischung aus verschiedenen Genres vielleicht am besten, die Biographie eines Flusses, der Ouse. Ein kleiner, unbedeutender Fluss im Süden Englands, der allein deshalb zu einer gewissen Berühmtheit gelangt ist, weil sich die englische Schriftstellerin Virginia Woolf hier 1941 ertränkte. Dieses Ereignis nimmt Laing zum Anlass, um auf einer Wanderung von der Quelle bis an die Mündung des Flusses über Woolf, aber auch über alles andere nachzudenken, was sie mit der Ouse und dem umliegenden Landstrich in Verbindung bringt: Mittelalterliche Schlachten, Sagen und Mythen, Pubgespräche und die Industrialisierung.

Vor allem schreibt Laing über die Menschen, die hier gelebt haben: Über Woolf und ihren Mann Leonard, über den englischen Schriftsteller Kenneth Grahame, aber auch über Hobbyarchäologen oder einfache Bewohner, die es durch Zufälle in die lokalen Archive geschafft haben. In diesen Archiven hat Laing viel Zeit verbracht und handgeschriebene Chroniken aus dem 16., 17., 18. Jahrhundert studiert. Es sei, sagt sie, ein Luxus, einen Ort so gut zu kennen.

Ein Luxus für ihre Leser ist es, sich nicht nur durch dröge Stadtchroniken wühlen zu müssen, sondern von Laing zu lernen, was wirklich interessant ist. Zum Beispiel, dass Ende des 19. Jahrhunderts in der Bank of England Hundekämpfe stattfanden oder Mitarbeiter Schafe auf der Toilette schlachteten: "Es wurde viel getrunken, wenig gearbeitet und ging im Ganzen offenbar nicht minder zügellos und dekadent zu als unter den Hedgefonds-Managern und Devisenhändlern unserer Tage."

Olivia Laing ist eine Autorin, bei der man sich wundert, dass ihre Bücher es erst jetzt nach Deutschland geschafft haben, so bekannt sind sie in England und den Vereinigten Staaten, und so klug ist das, was Laing schreibt. Nicht nur "Zum Fluss", ihr erstes Buch, zeichnet sich durch immense Recherchen zu einer Fülle von Themen aus. Laing hat diese ungewöhnliche Mischung aus Memoir, Künstlerbiographie und Essay in anderen Büchern fortgeführt, über Alkoholismus und Einsamkeit geschrieben. Ihr neuestes Buch, "Everybody", das kürzlich in Großbritannien erschienen ist, widmet sich dem Körper als politischem Instrument.

Geboren 1977, schmiss Laing mit zwanzig Jahren die Universität, um Umweltaktivistin zu werden. Sie habe, sagt sie, "absolute Panik vor dem Klimawandel" gehabt, der sich schon damals wie eine Gewissheit angefühlt habe. Nun, fast ein Vierteljahrhundert später, sei es umso erschreckender, wie wenig seitdem passiert sei: "Die eine Hälfte der Welt steht in Flammen, die andere unter Wasser, und wir fragen uns immer noch: Was machen wir denn jetzt?" Damals, als junge Frau, habe sie mit ihrem Körper einen Unterschied machen wollen. Sie demonstrierte gegen die Abholzung von Waldflächen und lebte einige Monate allein auf einer verlassenen Farm. Sehr lange, sagt Laing, könne das aber kaum jemand durchhalten. In einem Artikel für den Guardian schreibt sie, dieser Lebensstil funktioniere nur für Leute "die weiß und 22 Jahre alt" seien. Inzwischen wohnt Laing mit ihrem Mann, dem Dichter Ian Patterson, in einem Haus auf dem Land und ist optimistisch genug zu glauben, mit ihrem Schreiben etwas bewirken zu können.

Es sei die Aufgabe der Kunst, die Gegenwart zu beobachten, Veränderungen, die sich anbahnen, vorauszuahnen, sagt Laing. Wie gut das manchmal gelingen kann, ist nicht ganz ohne Komik: Dass ihr Essayband "Funny Weather. Art in an Emergency" ausgerechnet in der Woche herausgekommen ist, in der sich die ganze Welt in den Lockdown begab, hätte sie sich so auch nicht gedacht, sagt sie und lacht dann sehr laut. Einmal, als Laing in "Zum Fluss" an der Ouse entlangspaziert und die Natur um sich herum beobachtet, ärgert sie sich über Umweltschützer, deren Naturliebe nur bestimmten Arten gilt. Während die einen als selten und erhaltenswert gelten, werden andere, wie das graue Eichhörnchen oder der Amerikanische Nerz, mit Schmähungen überzogen, weil sie die heimische Flora und Fauna bedrohen.

So, als sei ein Tier mehr wert als das andere und als sei es nicht der Mensch selbst gewesen, der diese Arten zuerst auf die Insel brachte. "Es ist ein kontroverses Thema", schreibt Laing, "und die Auseinandersetzung wird bisweilen in demselben schrillen, aggressiven Ton geführt, dessen sich sonst nur Daily Mail befleißigt, wenn es um Asylsuchende geht, deren Wohnungsgeld angeblich so großzügig bemessen ist, dass sie sich davon problemlos eine Villa in Surrey mieten könnten."

Darauf angesprochen, sagt sie heute, so leichtfertig würde sie über dieses Thema wahrscheinlich nicht mehr schreiben: "Die Rhetorik von den einheimischen und fremden Eichhörnchen war damals ganz lustig. Aber damals hat auch noch niemand über den Brexit nachgedacht." Der Blick für die lokale Umgebung, die Wertschätzung dessen, was man vor der Haustür habe, sei zwar wichtiger denn je, schließlich sollte doch inzwischen jeder begriffen haben, wie hoch der Preis sei, den man für luxuriöse Fernreisen zahle. Doch gleichzeitig, sagt Laing, meine sie damit keinen Lokalpatriotismus der Brexit-Art. Man müsse, im Gegenteil, das Lokale wertschätzen und trotzdem multikulturell bleiben. Bücher, sagt Laing, alterten immer mit der Zeit, doch bei "Zum Fluss" sei ihr das besonders bewusst geworden: "Die Welt war damals eine andere."

"Zum Fluss" ließe sich unter dem Label "Nature Writing" gut vermarkten, doch ist sich Laing der Tücken des Genres durchaus bewusst. Romantisierungen jeglicher Art, deren sich nicht selten auch die politische Rechte bedient, liegen ihr fern. An einer Stelle des Buches heißt es: "Im Wald bekomme ich oft Angst, eine Angst wie nirgends sonst auf dieser Welt, außer vielleicht in einem Parkhaus. Es ist die Angst davor, was geschehen könnte, wenn niemand sieht, wenn man in einem Labyrinth gefangen ist, das nicht minder furchteinflößend wirkt, nur weil es aus Bäumen besteht und nicht aus Beton."

Laing widmet sich ihrer Umwelt mit aufmerksamem Blick, sie sieht die Pflanzen am Wegesrand, aber auch den Müll. Und obwohl sie eindringlich vor den Gefahren des Klimawandels warnt, darüber schreibt, welche Folgen die menschlichen Eingriffe in Flussläufe und Uferflächen hatten, ist es doch nie nur die Natur, die sie interessiert, sondern auch der Mensch in und mit ihr: "Ich mag es, in der Natur zu sein. Aber ich mag auch brutalistische Architektur. Ich brauche beides."

Mit Olivia Laing zu sprechen hat etwas Tröstendes. Denn so klar sie die Brisanz unserer Situation zu sehen scheint, so unerschütterlich wirkt sie. "Crudo", Laings einziger Roman, den sie im August 2017 innerhalb kürzester Zeit schrieb, bildet ebendiese Mischung ab. Es ist ein aufgekratztes, schnelles, autobiographisches Protokoll eines Sommers, in dem Laing, die in diesem Buch Kathy heißt und mit der Schriftstellerin Kathy Acker verschwimmt, auf ihre Hochzeit mit einem Dichter wartet und sich nebenher in Katastrophenmeldungen auf Twitter verliert. Privat endet "Crudo" hoffnungsfroh. Mit der Beziehung klappt es dann doch ganz gut, und am Tag der Hochzeit wird auch noch Steve Bannon gefeuert. Aber Donald Trump gibt es eben trotzdem.

"Crudo" ist der erste Teil eines Quartetts, von dem alle zehn Jahre ein neuer Band folgen soll. "In sechs Jahren ist der nächste dran", sagt Laing, "mal sehen, in welcher Welt wir dann so leben."

ANNA VOLLMER.

Olivia Laing: "Zum Fluss. Eine Reise unter die Oberfläche". Aus dem Englischen von Thomas Mohr. btb, 384 Seiten, 20 Euro.

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»Olivia Laing blickt weit, gräbt tief - und schreibt alles hinreißend auf.« Frankfurter Rundschau
Rezensentin Sylvia Staude ist hin und weg von Olivia Laings Wanderung entlang der Ouse. Was die Autorin an "Schwemmgut" so einsammelt, reicht laut Staude von Blumenimpressionen aus den Auen über historische Schlachten an den Flussufern und Nymphengeschichten bis zu Leonard und Virginia Woolf und dem Lallen von Betrunkenen. Weil Laing dabei mäandernd wie der Fluss, gedanklich wach, sprachlich fein und kulturhistorisch wie biologisch kenntnisreich verfährt, wie Staude beglückt feststellt, geht die Rezensentin aus dieser Lektüre äußerst reich beschenkt hervor.

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