Der ambitionierten jungen Schauspielschülerin Loni Holl eröffnet sich mit einem Gastengagement in der Provinz endlich die Chance auf das lang ersehnte Debüt. Die junge Frau ergreift die Möglichkeit, ihrem tristen Leben in Wien sowie der Kontrolle ihres Vormundes zu entfliehen und schließt sich der Theatergruppe um Direktor Spörr an. In der Kleinstadt findet sich Loni zwischen Probe, Auftritt und ihrem turbulenten Privatleben wieder: Die Rolle muss gelernt, das Zimmer bezahlt und der Hunger gestillt werden. Dazu hat sie sich ausgerechnet in den hitzigen Regisseur verliebt, dessen Verflossene die umschwärmte Diva des Provinztheaters ist. Die EinwohnerInnen von Mährisch-Niedau, allen voran Notar Dr. Liebig, im Nebenberuf Theaterkritiker des Mährischen Anzeigers, bilden das kritische Publikum, dem sich die bunte Truppe stellen muss.
"Zum Theater!" erschien zum ersten Mal 1935. Zuvor war das Werk als Vorabdruck im "Wiener Tag" erfolgreich und wurde in der zeitgenössischen Kritik als "ebenso klug wie anmutig" gefeiert.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.10.2011Provinz als Weltbühne
Lili Grüns neusachlicher Roman "Zum Theater!"
Viele fühlen sich berufen, aber nur wenige sind auserwählt: Das ist die theoretische Grundkonstellation, über der Lili Grün ihren Roman "Zum Theater!" entfaltet hat. Er erschien unter dem Titel "Loni in der Kleinstadt" 1935 und wurde nun für die Neuveröffentlichung, damit er nicht abermals - diesmal in der Kinderbuchecke - verschwinde, umbenannt. Mag das auch ein bisschen fragwürdig wirken, so ist die Publikation doch außerordentlich zu begrüßen, denn mit Lili Grün (1904 bis 1942) ist wieder eine Autorin zu entdecken, die als Jüdin von den nationalsozialistischen Machthabern ermordet wurde.
Die Kaufmannstochter schrieb schon früh Geschichten und Gedichte für das "Prager Tageblatt" und das Magazin "Tempo", zog nach Berlin, wo sie mit Freunden ein literarisch-politisches Kabarett gründete, das sich allerdings nicht lange halten konnte. Sie lebte in Prag und Paris, hatte nie viel Geld, erkrankte an Tuberkulose, konnte nach dem Anschluss Österreichs 1938 nicht mehr publizieren. Lili Grün geriet bald in Vergessenheit - dabei ist ihr zweiter, autobiographisch gefärbter und nach seinem Erscheinen seinerzeit hochgelobter Roman "Zum Theater!" ein aufregendes wie amüsantes Beispiel für den zumal weiblich geprägten literarischen Stil der Neuen Sachlichkeit à la Keun, Tergit oder Fleißer.
Geradezu klassisch ist auch die Ausgangssituation: Ein junges Mädchen aus armen Verhältnissen entdeckt seine Liebe zum Theater und ist trotz widriger Umstände nicht davon abzubringen. Loni Holl wird in Wien als Modistin ausgebildet, arbeitet nebenbei als Statistin und nimmt privaten Schauspielunterricht. Fast zufällig erhält sie mit achtzehn Jahren ein erstes Engagement in der tiefsten Provinz, weil ein Regisseur ihr großes Talent bemerkt und sich außerdem in sie verliebt.
Die beiden werden ein Paar und kämpfen auf jeweils verschiedenen Erfahrungsebenen für ihre hohen Ideale und gegen den niedrigen Alltag, für die Kunst und gegen den Kitsch. Treffsicher und mit klugem Witz schildert Lili Grün die Zustände in der kleinen, fremden Stadt, in der alle Künstler im selben Hotel wohnen und mit den örtlichen Honoratioren samt dem einzigen Kritiker auf freundschaftlichem Fuß verkehren. Das Binnenklima im Ensemble ist durch Ehrgeiz, Intrigen und Liebschaften wechselhaft. Die kokette Diva etwa begnügt sich faul mit dem leichten Erfolg, die Anfängerin Loni Holl hat dafür nur "wilde Verachtung" übrig. Sie sucht begeistert wie entschlossen die Abgründe und Zwiespältigkeiten ihrer Figuren, ohne an das Echo der Presse und die Reaktionen des Publikums zu denken. Der Mitte der dreißiger Jahre angesiedelte Roman führt in die sagenhafte Vergangenheit zurück, als Schauspieler vor allem über eigene Bühnenkostüme und ein hervorragendes Gedächtnis verfügen mussten, da die Inszenierungen schnell und zahlreich wie am Fließband verfertigt wurden: "Die neue Rolle. Drei Tag Zeit zum Lernen. Vier Proben. Ein ödes Lustspiel."
Natürlich bestimmt ein Hauch von Boheme das Dasein dieser Wanderarbeiter, die zwar von den berühmten Musentempeln in München, Berlin oder Prag träumen, hingegen meist im sprichwörtlichen Oberstinkenbrunn oder, wie hier, in Mährisch-Nirgendwo landen. Lili Grün jedoch lässt all ihren sehr unterschiedlich gezeichneten, sinnlich-plastischen Personen Gerechtigkeit zuteilwerden. Desgleichen macht sie sich nicht über leicht konsumierbare Abendunterhaltung zugunsten der hehren Hochkultur lustig, weil beide friedlich koexistieren müssen, um, jede für sich, fortdauern zu können. Das haben der inszenierende Regisseur und die gestandenen Kollegen längst begriffen, nur Loni, die radikale Novizin, muss es erst nach und nach und nicht ohne Schmerzen einsehen. Deshalb ist "Zum Theater!" auch ein Entwicklungsroman, der die Haltbarkeit der Träume und die Leidenschaft zum Unbedingten prüft. Der Drang zur Bühne ist ebenso alt wie diese selbst, aber die Autorin entdeckt den Nachgeborenen noch andere historische Konstanten. Von der Übermacht der Regisseure und von deren Mätzchen war offenbar bereits damals die unerfreute Rede: "Stücke werden verändert, Rollen frei erfunden, Rollen werden gestrichen ..." Nichts Neues unter der Theatersonne? Doch, wenn man mit so viel Herz und Humor wie Lili Grün darüber zu erzählen weiß.
IRENE BAZINGER
Lili Grün: "Zum Theater!" Roman.
Aviva Verlag, Berlin 2011. 216 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Lili Grüns neusachlicher Roman "Zum Theater!"
Viele fühlen sich berufen, aber nur wenige sind auserwählt: Das ist die theoretische Grundkonstellation, über der Lili Grün ihren Roman "Zum Theater!" entfaltet hat. Er erschien unter dem Titel "Loni in der Kleinstadt" 1935 und wurde nun für die Neuveröffentlichung, damit er nicht abermals - diesmal in der Kinderbuchecke - verschwinde, umbenannt. Mag das auch ein bisschen fragwürdig wirken, so ist die Publikation doch außerordentlich zu begrüßen, denn mit Lili Grün (1904 bis 1942) ist wieder eine Autorin zu entdecken, die als Jüdin von den nationalsozialistischen Machthabern ermordet wurde.
Die Kaufmannstochter schrieb schon früh Geschichten und Gedichte für das "Prager Tageblatt" und das Magazin "Tempo", zog nach Berlin, wo sie mit Freunden ein literarisch-politisches Kabarett gründete, das sich allerdings nicht lange halten konnte. Sie lebte in Prag und Paris, hatte nie viel Geld, erkrankte an Tuberkulose, konnte nach dem Anschluss Österreichs 1938 nicht mehr publizieren. Lili Grün geriet bald in Vergessenheit - dabei ist ihr zweiter, autobiographisch gefärbter und nach seinem Erscheinen seinerzeit hochgelobter Roman "Zum Theater!" ein aufregendes wie amüsantes Beispiel für den zumal weiblich geprägten literarischen Stil der Neuen Sachlichkeit à la Keun, Tergit oder Fleißer.
Geradezu klassisch ist auch die Ausgangssituation: Ein junges Mädchen aus armen Verhältnissen entdeckt seine Liebe zum Theater und ist trotz widriger Umstände nicht davon abzubringen. Loni Holl wird in Wien als Modistin ausgebildet, arbeitet nebenbei als Statistin und nimmt privaten Schauspielunterricht. Fast zufällig erhält sie mit achtzehn Jahren ein erstes Engagement in der tiefsten Provinz, weil ein Regisseur ihr großes Talent bemerkt und sich außerdem in sie verliebt.
Die beiden werden ein Paar und kämpfen auf jeweils verschiedenen Erfahrungsebenen für ihre hohen Ideale und gegen den niedrigen Alltag, für die Kunst und gegen den Kitsch. Treffsicher und mit klugem Witz schildert Lili Grün die Zustände in der kleinen, fremden Stadt, in der alle Künstler im selben Hotel wohnen und mit den örtlichen Honoratioren samt dem einzigen Kritiker auf freundschaftlichem Fuß verkehren. Das Binnenklima im Ensemble ist durch Ehrgeiz, Intrigen und Liebschaften wechselhaft. Die kokette Diva etwa begnügt sich faul mit dem leichten Erfolg, die Anfängerin Loni Holl hat dafür nur "wilde Verachtung" übrig. Sie sucht begeistert wie entschlossen die Abgründe und Zwiespältigkeiten ihrer Figuren, ohne an das Echo der Presse und die Reaktionen des Publikums zu denken. Der Mitte der dreißiger Jahre angesiedelte Roman führt in die sagenhafte Vergangenheit zurück, als Schauspieler vor allem über eigene Bühnenkostüme und ein hervorragendes Gedächtnis verfügen mussten, da die Inszenierungen schnell und zahlreich wie am Fließband verfertigt wurden: "Die neue Rolle. Drei Tag Zeit zum Lernen. Vier Proben. Ein ödes Lustspiel."
Natürlich bestimmt ein Hauch von Boheme das Dasein dieser Wanderarbeiter, die zwar von den berühmten Musentempeln in München, Berlin oder Prag träumen, hingegen meist im sprichwörtlichen Oberstinkenbrunn oder, wie hier, in Mährisch-Nirgendwo landen. Lili Grün jedoch lässt all ihren sehr unterschiedlich gezeichneten, sinnlich-plastischen Personen Gerechtigkeit zuteilwerden. Desgleichen macht sie sich nicht über leicht konsumierbare Abendunterhaltung zugunsten der hehren Hochkultur lustig, weil beide friedlich koexistieren müssen, um, jede für sich, fortdauern zu können. Das haben der inszenierende Regisseur und die gestandenen Kollegen längst begriffen, nur Loni, die radikale Novizin, muss es erst nach und nach und nicht ohne Schmerzen einsehen. Deshalb ist "Zum Theater!" auch ein Entwicklungsroman, der die Haltbarkeit der Träume und die Leidenschaft zum Unbedingten prüft. Der Drang zur Bühne ist ebenso alt wie diese selbst, aber die Autorin entdeckt den Nachgeborenen noch andere historische Konstanten. Von der Übermacht der Regisseure und von deren Mätzchen war offenbar bereits damals die unerfreute Rede: "Stücke werden verändert, Rollen frei erfunden, Rollen werden gestrichen ..." Nichts Neues unter der Theatersonne? Doch, wenn man mit so viel Herz und Humor wie Lili Grün darüber zu erzählen weiß.
IRENE BAZINGER
Lili Grün: "Zum Theater!" Roman.
Aviva Verlag, Berlin 2011. 216 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Erfreut hat Irene Bazinger die Wiederauflage dieses Romans von Lili Grün. Zu unrecht sei die von den Nazis ermordete Autorin in Vergessenheit geraten, findet die Rezensentin, denn sie erkennt in ihrer eine so würdige wie vergnüglich zu lesende Vertreterin der Neuen Sachlichkeit. In ihrem Roman, der zuerst unter dem kinderbuchartigen Titel "Loni in der Kleinstadt" erschienen war, erzählt sie von einem jungen Mädchen, dessen Traum vom Theater sich nur halb erfüllt: Statt in die großen Häuser von Berlin, München oder Prag kommt sie in eine kleine Truppe, mit der sie fürderhin durch die Provinz tingelt und in Mährisch-Nirgendwo landet. Eine plastische Personenzeichnung, Herz und Humor runden für Bazinger das Lesevergnügen ab.
© Perlentaucher Medien GmbH
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