In der musikalischen Methode der kollektiven Improvisation kommt eine Spielauffassung zum Ausdruck, deren demokratisch-emanzipatorische Grundeinstellung Vergleiche mit dem von Jürgen Habermas formulierten Konzept der idealen Sprechsituation nahe legt. Diese Vermutung wird im Rahmen einer einleitenden Annäherung an die kollektive Improvisation als von Interaktivität und Synchronizität geprägtes Beziehungsgeschehen näher ausgeführt. Nach einer Diskussion des improvisatorischen Handelns in der Musik in Bezug auf theoretische, historische und psychologische Aspekte werden die verschiedenen, aus dem Free Jazz der 1960er Jahre hervorgegangenen Entwicklungsstufen der freien bzw. kollektiven Improvisation dargestellt. Im Anschluss daran wird die Kollektiv-Improvisation unter Bezugnahme auf das Konzept der idealen Sprechsituation diskutiert und im interkulturellen Kontext verortet, wobei die von Musikern wie Derek Bailey geforderte Sublimierung idiomatischer, kulturell geprägter Ausdrucksformen durch die individuelle Entwicklung einer charakteristischen Klangsprache am Instrument als egalisierend für die tendenziell asymmetrisch geprägten Dialogformen dieser Situation erläutert wird.