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Die Publikation wendet sich gegen das verbreitete Abwägungsdenken im Grundrechtsbereich. Während das deutsche Verfassungsrecht im Mittelpunkt der Arbeit steht, wird am Rande die Rezeption der Abwägung in Brasilien eingeflochten.
Die Autorin legt die Konturen des Abwägungsdenkens und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Rechtsprechung und Wissenschaft dar, kritisiert das Abwägungsmodell und das wertorientierte Grundrechtsverständnis und diskutiert die alternativen Ansätze von Böckenförde, Müller, Schlink, Poscher, Dworkin und Günther. In Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen bildet sie…mehr

Produktbeschreibung
Die Publikation wendet sich gegen das verbreitete Abwägungsdenken im Grundrechtsbereich. Während das deutsche Verfassungsrecht im Mittelpunkt der Arbeit steht, wird am Rande die Rezeption der Abwägung in Brasilien eingeflochten.

Die Autorin legt die Konturen des Abwägungsdenkens und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Rechtsprechung und Wissenschaft dar, kritisiert das Abwägungsmodell und das wertorientierte Grundrechtsverständnis und diskutiert die alternativen Ansätze von Böckenförde, Müller, Schlink, Poscher, Dworkin und Günther. In Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen bildet sie ihren eigenen Lösungsvorschlag, der sich auf die Entwicklung einer differenzierten Dogmatik der Einzelgrundrechte konzentriert, was die sorgfältige Herausarbeitung der einzelnen Schutzbereiche, die Abstufung der Gesetzesvorbehalte und die Ausformung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einschließt. Bestandteil der vorgeschlagenen Dogmatik ist schließlich die abwehrrechtliche Erfassung der Dreiecksverhältnisse.
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Autorenporträt
Renata Camilo de Oliveira (geboren 1977 in Belo Horizonte) schloss 2002 das Studium der Rechtswissenschaften an der Bundesuniversität von Minas Gerais (UFMG) ab. Im Jahr 2006 erwarb sie den Titel eines Legum Magister (LL.M) an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg sowie auch eines Master der Rechtswissenschaften an der Bundesuniversität von Minas Gerais. Anfang 2013 promovierte sie zum Dr. iur. an der Humboldt-Universität zu Berlin bei Prof. Dr. Bernhard Schlink. Von 2007 bis 2011 war sie Dozentin des Fremdsprachlichen Rechtsstudiums an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit Dezember 2011 ist sie als Beraterin der Regierung von Minas Gerais tätig.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Viel Lob hat Ernst-Wolfgang Böckenförde für die Arbeit von Renata Camilo de Oliveira übrig. In Sachen Grundrechte weist ihm die Autorin den Weg zu einem liberalen Verständnis, das Grundrechte als verbindliche Rechtsnormen begreift. Von ihrem Umgang mit Literatur bis zur Reflexion der theoretisch-dogmatischen Grundlagen überzeugt ihn die Autorin auf ganzer Linie, wenn sie die Grundrechte für Böckenförde höchst nachvollziehbar in den Dienst der Freiheit stellt, nicht nur rechtstheoretisch, sondern lebendig und mit Bezug auf jüngste Vorschläge und Positionen, deren Potenzial die Autorin laut Rezensent umsichtig und klug abwägend prüft.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.03.2014

Rettet die Freiheit!
Renata Camilo de Oliveira verteidigt die Grundrechte

Wodurch ist der gegenwärtige Stand der Grundrechtsdogmatik gekennzeichnet? Ist er einheitlich geprägt, von einem breiten Konsens getragen oder eher kontrovers bestimmt? Die praktizierte Grundrechtsdogmatik erhält ihre Kontur primär von einem eher harmonisierenden wertbetonten Verständnis: die Grundrechte als Werteordnung. Soweit dabei Spannungen zwischen unterschiedlichen Gewährleistungen auftreten, sucht man sie durch Abwägung auszugleichen.

Dabei spielen die Entdeckung und die fortschreitende Ausdehnung der sogenannten verfassungsimmanenten Grundrechtsschranken eine tragende Rolle. Diese Schranken sind gerade nicht durch einen dem Grundrecht beigefügten Gesetzesvorbehalt legitimiert, der bestimmte Einschränkungen ausdrücklich zulässt. Sie werden vielmehr unabhängig davon im Wege produktiver Rechtsfindung etabliert, um dadurch Ausgleich und Harmonisierung zu erreichen.

Diese Entwicklung hat durchaus auch Kritik und Widerspruch hervorgerufen. In der jüngeren und jüngsten Literatur zeigt sich daher ein Streben nach Wiederbelebung des liberalen, abwehrrechtlich geprägten Grundrechtsverständnisses. Eben dieses Grundrechtsverständnis sucht die Arbeit von Camila de Oliveira wieder zur Geltung zu bringen. Was macht dieses Verständnis aus? Zu ihm gehört es, die Grundrechte konsequent als Rechtsnormen zu verstehen und anzuwenden, die allgemeine Geltung und Verbindlichkeit beanspruchen. Ihre Wirkungsweise ist nicht einer fortdauernden Abwägung, sondern grundsätzlich dem negativen Freiheitsbegriff - Freiheit von etwas - verpflichtet, der auf dem Dreiklang von Eingriff, Eingriffsabwehr und Eingriffsrechtfertigung beruht. Darin zeigt sich weit mehr als ein bloß rechtstechnisches Konstrukt, vielmehr bewähren sich darin die Grundrechte als Freiheitsordnung.

Die Verfasserin entfaltet dieses Grundrechtsverständnis in einer Weise, die hohe Anerkennung verdient. Sieht man von einigen Wiederholungen ab, lässt die Arbeit kaum Wünsche offen. Das gilt insbesondere für die einzigartige Auswertung der überreichen Literatur. Auch die theoretisch-dogmatischen Grundlagen werden mit einbezogen und reflektiert. So ergibt sich eine breite Skala möglicher Grundrechtsbegrenzungen und -einschränkungen. Dabei folgt die Verfasserin ihrem Grundansatz, dass die Grundrechte primär der Freiheitsgewährleistung zu dienen haben. Hauptpunkt ihrer Kritik ist die sich immer weiter vordrängende Abwägungsdogmatik. Dieser fehlt - wie eindrucksvoll gezeigt wird - trotz allen Bemühens ein fester normativer Maßstab, an dem die Gewichte der vielfältigen Werte und Schutzgüter zu messen sind.

An seine Stelle treten Bewertungsurteile und Intuitionen richterlicher Provenienz. Diese formulieren zwar das Problem, aber ihnen mangelt eine durchgehende Konsistenz, um den fehlenden Maßstab zu ersetzen: Mal wird so, mal anders abgewogen. Gleiches gilt für den Rückgriff auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Geht der Richter mit der Frage, ob ein Grundrechtseingriff verhältnismäßig ist, über die beiden empirischen Fragen - ist er "geeignet", und ist er "erforderlich"? - hinaus auf die sogenannte dritte Stufe der Angemessenheit, ist er selbst Teil und Ausdruck richterlich-judizieller Bewertung und Intuition und kann nicht zugleich deren Maßstab sein.

Was sich damit tatsächlich vollzieht, ist eine Verflüssigung normativer Grundrechtsgeltung, verbunden mit einer Verlagerung politischer Kompetenzen auf die rechtsprechende Gewalt, insbesondere die Verfassungsgerichte. Mit Nachdruck weist die Verfasserin auf die Veränderung des Grundgefüges einer rechtsstaatlich-demokratischen Verfassung hin, die hier stattfindet: Die Grundrechte, gedacht als Panier der Freiheit, werden auf diese Weise je länger je mehr zu bloßen Abwägungsgesichtspunkten degradiert.

Insgesamt gesehen, unternimmt es die Verfasserin mit großer Umsicht, das liberale, an dem rechtstechnischen Konstrukt von Eingriff, Eingriffsabwehr und Eingriffsrechtfertigung orientierte Grundrechtsverständnis, das für sie in der Sache weit mehr ist als ein bloßes rechtstechnisches Konstrukt, wieder mit Leben zu füllen und ihm einen relevanten Platz in der Grundrechtsdogmatik zuzuerkennen. In den beiden letzten Kapiteln legt sie dazu wichtige Bausteine bereit, indem sie verschiedene, ihr nahestehende Positionen aus der jüngsten Literatur auf ihre Trag- und Entwicklungsfähigkeit durchmustert und dabei zu wohl abgewogenen, klug reflektierten Vorschlägen gelangt. Die Arbeit verdient ein hohes Lob.

ERNST-WOLFGANG BÖCKENFÖRDE.

Renata Camilo de Oliveira: "Zur Kritik der Abwägung in der Grundrechtsdogmatik". Beitrag zu einem liberalen Grundrechtsverständnis im demokratischen Rechtsstaat. Duncker & Humblot Verlag, Berlin 2013. 378 S., br., 82,90 [Euro].

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"Die Verfasserin entfaltet dieses Grundrechtsverständnis in einer Weise, die hohe Anerkennung verdient. [...] Die Arbeit verdient ein hohes Lob." Prof. Dr. Ernst-Wolfgang Böckenförde, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Literatur und Sachbuch, Nr. 73, 27.03.2014