Der Schriftsteller W. G. Sebald setzt sich mit der Ermordung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten auseinander und lenkt den Blick des Lesers auf Menschen, die den Holocaust überlebten, und die Nachgeborenen. Er versucht zu klären, inwiefern das Trauma der Katastrophe der Judenvernichtung überhaupt darstellbar ist. Dadurch kristallisiert sich eine Interpretationsweise seiner Texte heraus, welche bis jetzt in der Literaturwissenschaft nicht explizit bearbeitet wurde: Dass die Texte Sebalds Passionsstrukturen aufweisen. Indem er das Verdrängte rekonstruiert, werden Passionen ausgegraben, von den Protagonisten durchlaufen und für die Leser erkennbar gemacht. Die Leidenswege der Figuren können in Zusammenhang mit der Passion Christi gebracht werden. Auffällig ist die häufige Thematisierung von kunstgeschichtlichen und religionswissenschaftlichen Gegenständen. Gemälde und Fotografien werden von Sebald nicht nur beschrieben, sondern auch abgebildet. Die Tradierung von Schmerz und Leid wird daher sowohl in der Literatur als auch im Bild untersucht. Die Abschlussfrage: Stellt denn selbst das Schreiben eine Passion dar? Und kann dieses zu einer Überwindung der Leiden führen?