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Werte gibt es mittlerweile im Überfluss. Sogar ein Militärbündnis wie die NATO wird zur "westlichen Wertegemeinschaft" überhöht. Und seit dem 11. September werden in der westlichen Welt dem Phantomwert der Sicherheit Stück für Stück Freiheitsrechte geopfert. In diesem fulminanten Essay rechnet Eberhard Straub ab mit der Inflation der Werte. Er rehabilitiert dagegen den Begriff der Würde und verteidigt die menschliche Freiheit. Das Wörtchen "Wert" hat Konjunktur. Doch von Werten wird erst im vollendeten Kapitalismus geredet, also seit dem späten 18. Jahrhundert. Auf dem Markt, auf dem alles zur…mehr

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Produktbeschreibung
Werte gibt es mittlerweile im Überfluss. Sogar ein Militärbündnis wie die NATO wird zur "westlichen Wertegemeinschaft" überhöht. Und seit dem 11. September werden in der westlichen Welt dem Phantomwert der Sicherheit Stück für Stück Freiheitsrechte geopfert.
In diesem fulminanten Essay rechnet Eberhard Straub ab mit der Inflation der Werte. Er rehabilitiert dagegen den Begriff der Würde und verteidigt die menschliche Freiheit.
Das Wörtchen "Wert" hat Konjunktur. Doch von Werten wird erst im vollendeten Kapitalismus geredet, also seit dem späten 18. Jahrhundert.
Auf dem Markt, auf dem alles zur Ware und jede menschliche Beziehung zu einer Geldbeziehung wird, hat diese Rede tatsächlich ihren Sinn. Aber außerhalb des Marktes leistet sie gerade nicht, was sie verspricht. Denn Beständigkeit haben Werte nicht zu bieten. Sie sind schwankend wie die Börsenkurse, und in ihrem Drang, sich gegen andere Werte durchzusetzen, können sie zum Feind der Freiheitsrechte werden.
Nach einem kritischen Gang durch die Geschichte der Wertphilosophie - von Friedrich Nietzsche und Karl Marx über Nikolai Hartmann bis zu Christian von Ehrenfels - erkundet Eberhard Straub die Abstrusitäten, die die Inflation der Werte in unserer Zeit produziert. Er entlarvt eine verlogene Terminologie, die von Toleranz und Freiheit redet, aber auf Intoleranz und Unfreiheit abzielt.
Autorenporträt
Eberhard Straub, geb. 1940, studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie. Der habilitierte Historiker war bis 1986 Feuilletonredakteur der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' und bis 1997 Pressereferent des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Heute lebt er als freier Journalist in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2010

Das Bündnis mit der Bevormundung

Was hat es mit der sogenannten Werteordnung des Grundgesetzes auf sich? Eberhard Straub warnt vor der Gesinnungsgemeinschaft.

Von Michael Pawlik

Wehe dem, der von Werten spricht! Eberhard Straub misstraut ihm zutiefst: "Hinter jedem sogenannten Wert steht ein Interessent mit seinen eigenwilligen Absichten und Zwecken", der, getreu seinem ökonomischen Urbild, danach strebt, seinem Moralprodukt eine beherrschende Stellung auf dem Markt der Meinungen zu verschaffen.

Deshalb sind Werte ihrer politischen Funktion nach das genaue Gegenteil von Stabilitätsgaranten. Sie sind vielmehr polemische Begriffe, Kampfparolen. Da aber moralisch aufgeladene Kämpfe stets zu den brutalsten gehören, vollziehen sich öffentliche Wertedebatten regelmäßig nicht in der zivilisierten Form eines ewigen Gesprächs des liberalen Bürgers mit seinesgleichen, sondern nach Maßgabe eines Freund-Feind-Schemas. "Denn wer dem Gerechten den Weg vertritt, kann nur ein Ungerechter sein, der abgewehrt und bestraft gehört." Auf Respekt oder auch nur die Einhaltung der schützenden Formen des Rechts sollte ein solcher Ungerechter sich besser nicht verlassen. Aus gutem Grund greifen deshalb Nicolai Hartmann und im Anschluss an ihn Carl Schmitt und nunmehr Eberhard Straub auf eine Kategorie der antiken Staatsformenlehre zurück und sprechen von einer "Tyrannei der Werte".

Angesichts der latenten Illiberalität des Wertedenkens war es, wie Straub hervorhebt, nicht verwunderlich, dass die Anrufung von Werten den Aufstieg des Nationalsozialismus nicht aufzuhalten vermochte. Im Gegenteil: "Wertefühlende Subjekte waren auf Führerschaft vorbereitet und konnten in ihr nichts Geschichtswidriges und Unzeitgemäßes erkennen."

Dass die Deutschen sich zur Überhöhung ihrer neuen Verfassungsordnung nach 1945 auf die Rede von den Werten einließen, stellt für Straub deshalb ein geradezu tragisches Selbstmissverständnis dar. Der Staat sei kein Wertegestalter, er sei ein Notar, der zur Kenntnis nehme, auf welche Art die Bürger ihre Freiheit mit Inhalt füllten. "Wäre die Freiheit ein Wert, dann könnten die Wertefühlenden oder Werteschauenden in Anlehnung an das von ihnen je nach ihren Absichten entworfene Wertesystem des Grundgesetzes in Versuchung geraten, den Staat aufzufordern, den Bürger dazu anzuhalten, in ihrem Sinne ,wertvoll ' zu leben." Die sogenannte Werteordnung des Grundgesetzes könnte dann "wie unter den Jakobinern der Französischen Revolution konsequent als Aufforderung zur pädagogischen Einübung in die Gesinnungsgemeinschaft gedeutet werden" und ein Bündnis mit der Bevormundung schließen.

Die Jakobiner haben sich freilich, wie Straub selbstverständlich weiß, nicht als Kämpfer für irgendwelche Werte, sondern als Verteidiger fundamentaler Rechtsprinzipien verstanden. Die Rhetorik der Rechtswahrung ist nicht per se weniger anfällig für politischen Missbrauch als die der Wertedurchsetzung. Das Problem, wie sich unbedingte Überzeugungen mit den Erfordernissen eines friedlichen Zusammenlebens vertragen, liegt gleichsam quer zu der von Straub in den Vordergrund gerückten Alternative von Recht und Wert. Die allgemeine ideologische Erschöpfung nach der Großkatastrophe des Krieges, die feste Einbindung der Bundesrepublik in das politisch-weltanschauliche Machtgefüge des "Westens" und die weitgehende Abschleifung der historisch wirkmächtigsten, nämlich der religiösen Unbedingtheitsansprüche haben diese Frage hierzulande für mehrere Jahrzehnte aus dem Blick treten lassen. In der Einwanderungsgesellschaft von heute lässt sich ihre Brisanz aber nur noch um den Preis der Wirklichkeitsverleugnung bestreiten. Aus dieser Perspektive betrachtet, bleibt Straubs Analyse der politischen Missbrauchsanfälligkeit von Werten, so treffend sie auch ist, bei einer terminologischen Vorfrage der eigentlichen Problematik stehen.

Zudem weisen Straubs Darlegungen einen unübersehbaren blinden Fleck auf. Obgleich der Autor nicht müde wird, auf die geschichtliche Bedingtheit aller Wertvorstellungen hinzuweisen, unterlässt er es, auch seinen eigenen, dem klassischen Liberalismus verpflichteten Rechtsbegriff zu historisieren. Den Staat auf die Rolle eines Notars zu beschränken setzt ein Bürgertum voraus, dessen Angehörige sich, da mit Besitz und Bildung gesegnet, als Herren ihres Schicksals ansehen können. Spätestens die Dynamisierung der Arbeits- und Lebenswelten hat, indem sie die Unplanbarkeit zum Normalzustand erhob, dieses Bild obsolet werden lassen.

Straub sieht das und beklagt das Erfolgsstreben, den Leistungswillen und die Karriereplanung, die die Bildung von innen nach außen verlagert hätten. "Die Freiheit büßt unter solchen Bedingungen ihre politische Bedeutung ein." "Die Freiheit" - oder nicht vielmehr nur jenes Konstrukt, das liberale Professoren, die Interessen ihrer Klasse unbekümmert für die des ganzen Gemeinwesens nehmend, zu Beginn des 19. Jahrhunderts entworfen haben? In seiner zwischen Nostalgie und Grimm schwankenden Gesellschaftskritik erweist sich Straub allenfalls als ein Rousseau der gegenwärtigen deutschen Zustände, nicht aber als ihr Hegel.

Eberhard Straub: "Zur Tyrannei der Werte." Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2010. 172 S., geb., 17,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für einerseits durchaus konsistent hält Rezensent Michael Pawlik die theoretische Position Eberhard Straubs, der sich in diesem Band mit großer Skepsis gegen ein vor allem wertgestütztes Rechtsdenken wendet. Das Argument dagegen ist einfach: Hinter jedem als allgemein behaupteten Wert stecke letztlich "ein Interessent mit seinen eigenwilligen Absichten und Zwecken". An die Stelle der Moral setzt der Liberale Straub das Prinzip des Rechts und der "Freiheit", macht es sich für Pawliks Begriffe damit aber zu einfach. Überzeitlich, wie er suggeriert, seien nämlich auch diese Prinzipien nicht; gerade der Begriff der "Freiheit", wie Straub ihn propagiert, sei von seiner Herkunft aus dem 19. Jahrhundert nicht zu lösen.

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