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Produktdetails
  • Verlag: ANTOGO
  • ISBN-13: 9783938286401
  • Artikelnr.: 27867433
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2011

Schützlinge
Neuanfang in Indersdorf

Zu den unzähligen Verschleppten in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zählten auch viele Kinder und Jugendliche, die bei Kriegsende auf sich selbst gestellt in Deutschland umherirrten. Zudem gab es Kleinkinder und Säuglinge, die ihren Müttern, die Zwangsarbeit leisteten, weggenommen und in spezielle deutsche Einrichtungen gebracht worden waren. Die von den Alliierten schon 1943 gegründete United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) hatte den Auftrag, sich auch dieser Kinder anzunehmen. Zwischen Juni 1945 und August 1946 diente das Kloster Indersdorf nordöstlich von München als internationales Kinderzentrum und anschließend bis 1948 als Betreuungseinrichtung für jüdische Kinder. Die Altersspanne der Betreuten umfasste wenige Monate bis sogar über zwanzig Jahre, darunter viele, die ihr Alter nicht kannten. Es waren Überlebende der Konzentrationslager und anderer Lager, Kinder von Zwangsarbeitern und solche, die selbst Zwangsarbeit geleistet hatten. Sie waren verstört und in vielerlei Hinsicht entwurzelt. Die UNRRA-Mitarbeiter waren auf ihre Aufgabe so gut wie möglich vorbereitet worden und bemühten sich, die physischen, aber auch psychischen Bedürfnisse ihrer Schützlinge zu befriedigen. Nahrung, Sauberkeit, medizinische Versorgung waren jedoch einfacher zu organisieren als Zuwendung, Geborgenheit und die Vermittlung von Bildung. Es gelang, Familienersatz zu schaffen für junge Menschen, die nie oder schon lange keine normale Familie gekannt hatten. Reibungen mit der ortsansässigen Bevölkerung, aber auch unter den verschiedenen Nationalitäten und Religionen blieben nicht aus. Mit hohem persönlichen Einsatz gelang es dem Team in Indersdorf, seine Aufgaben in erstaunlich und erfreulich hohem Maße zu meistern. Bis zu 350 Kinder wurden dort gleichzeitig versorgt, weit über 1000 Kinder insgesamt durch das Lager geschleust.

Der Autorin Anna Andlauer gelang es, zahlreiche ehemalige "Insassen" zu befragen und aussagekräftige Quellen in Deutschland, Großbritannien, Israel, Kanada und den Vereinigten Staaten hinzuzuziehen. Der in den zeitgenössischen Berichten erweckte Eindruck, man habe den jungen Menschen in Indersdorf den Weg in ein normales Leben ermöglicht, wird von den Aussagen und den Lebenswegen der Zeitzeugen bestätigt. Die lokalgeschichtliche Studie ist ein weiterer Baustein, der die Kenntnis über die in großen Zügen erforschte Geschichte der "Displaced Persons" verbessert und die Erinnerung an großes Leid, aber auch große Leistungen der unmittelbaren Kriegsfolgenbewältigung wieder ins Bewusstsein ruft.

KLAUS A. LANKHEIT

Anna Andlauer: Zurück ins Leben. Das internationale Kinderzentrum Kloster Indersdorf 1945-46. Verlag Antogo, Nürnberg 2011. 187 S., 17,90 [Euro].

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