Wer das Buch beginnt, wird es bis zum Ende lesen. Das Ergebnis ist ambivalent, denn es handelt sich um ein Märchen, nicht um anspruchsvolle Literatur: Die Gegenwart der Haupthelden Camille und Franck wird stückweise gut, alles fügt sich zurecht, alle verstehen sich nun, und vor allem: Nichts
Negatives passiert mehr, nichts, das schwer verdaulich sein könnte und die Zukunft mit einem unangenehmen…mehrWer das Buch beginnt, wird es bis zum Ende lesen. Das Ergebnis ist ambivalent, denn es handelt sich um ein Märchen, nicht um anspruchsvolle Literatur: Die Gegenwart der Haupthelden Camille und Franck wird stückweise gut, alles fügt sich zurecht, alle verstehen sich nun, und vor allem: Nichts Negatives passiert mehr, nichts, das schwer verdaulich sein könnte und die Zukunft mit einem unangenehmen Beigeschmack belegen würde. Denn die Erzählung der Geschichte verbannt Schlimmes, Traumatisierendes in der Vergangenheit - alle vier Helden der Geschichte - neben den genannten noch Philibert und Paulette - haben schwere, belastende Lebensgeschichten. Aber mit Beginn des Buches werden wir Zeuge eines unproblematischen Sich-Ordnens in ihren Leben. Klar definiert handelt es sich um Kitsch - mich haben Handlung und Storyboard an Natalie von Eschstruth erinnert. Auch vermag die Autorin nicht wirklich unterschiedliche Charaktere zu erdenken, sondern alle Charaktere entpuppen sich als Facetten einer in der Phantasie einer einzelnen Person erdachten Gemeinschaftssituation. Das wird am deutlichsten an Franck, der im Laufe der Geschichte seinen eigenen Willen, ja seine Männlichkeit faktisch verliert: Sein ganzes Wollen in der Handlung richtet sich schrittweise darauf aus, Frauenwünsche zu befriedigen. Anna Gavalda verkauft dies als „Reifungsprozess“. Alle Handlung, die sie sich erdachte, kristallisiert sich an der Notwendigkeit, die geschundene Heldin Camille zu umsorgen, ihr Geborgenheit zu geben, sie zu erfreuen und so zurück in die Welt zu beheimaten. Da steckt offenbar Anna selber dahinter. So kommt es auch, dass ganze Einstellungen nur erdacht werden, um Camille/Anna neue Freude zu bereiten, wie etwa, als Franck sagt, er fahre nach England, tatsächlich dann aber nach Abfahrt des Zuges hinter ihr steht, um sie in die Arme zu nehmen: Alle Hintergründe – was Franck in dem Moment für sein Leben plante, warum er nicht mehr in seiner alten Stellung ist, ob er je einen Ruf nach England hatte? – bleiben dem Leser verborgen, denn es geht nur um den Überraschungseffekt: Frank steht plötzlich hinter Camille.
Was ist dagegen gut an Anna Gavalda? Ihre vielseitige Phantasie, ihr Situationenreichtum, ihre Freude am Schreiben offenbar, die sich vermittelt und, dass sie manchmal sehr genau Stimmungen und Verläufe typischer menschlicher Situationen einfangen kann. Ich fühlte mich aber immer in der hochmütigen Situation zu denken: Der müsste man doch sagen, dass sie nun reifen sollte, weiterdenken muss, genauer werden muss statt lang zu schreiben (550 Seiten hat diese Erzählung). Gefühle benennen, in ihrer Vielschichtigkeit beobachten, weniger romantisch zu denken, als beobachtend, was anderer und ihr eigenes Leben ausmacht. Oder hat sie tatsächlich im wirklichen Leben einen Freund, der ihr Robotter ist?